DUBAI/Vereinigte Arabische Emirate: Konzert “Beethoven’s Fifth” am 17. Februar 2022
Dubai Opera. Foto: Klaus Billand
Klassik in Arabien
Man kann es als ungewöhnlich bezeichnen, wenn sich ein Konzert der noch relativ jungen, aber von innen wie außen spektakulär aussehenden Dubai Opera, so schlicht und einfach „Beethoven‘s Fifth“ nennt, zumal eines europäischen Nationalorchesters. Aber wir sind in Dubai, der Hauptstadt des gleichnamigen Emirats der Vereinigten Arabischen Emirate – VAE. Und hier ist es – obwohl es so viele hier arbeitende Expatriats gibt – mit der Klassik noch nicht so weit her, wie es sein könnte. Die Fünfte von Ludwig van Beethoven ist aber weit über die Klassik-affine Welt hinaus bekannt und ebenso beliebt. So gab sie hier im Event-Titel des Veranstalters Symphonic Middle East – SME gewissermaßen das Zugpferd zu einem Konzert des Malta Philharmonic Orchestra unter der musikalischen Leitung von Sergey Smbatyan ab.
Dubai Opera bei Nacht. Foto: Klaus Billand
Dabei war allerdings noch ein ganz anderes klassisches Juwel hörend zu bewundern, und zwar die weltbekannte koreanische Flötistin Jasmine Choi. Um all ihre Rollen und Titel korrekt wiederzugeben, möchte ich mich hier teilweise auf den englischen Programmzettel berufen. Choi war Artist-in-Residence der New York Classical Players 2018-2021 und des Sejong Arts Center in Seoul während seiner 40. Saison, featured artist während der 2018 Winter Olympics celebrations in PyeongChang, Korea, Cultural Ambassador für Daejeon, Korea, Sony Classical published recording artist, vormals Erste Flöte der Wiener Symphoniker unter Fabio Luisi und Associate Principal des Cincinnati Symphony unter Paavo Järvi. Sie wurde zum Star dieses Abends in einem gut besuchten Konzert und erhielt nach ihrem wirklich faszinierenden Spiel auf der Flöte Riesenapplaus.
Dubai Oper – Besucherraum. Foto: Klaus Billand
Zunächst bringen Smbatyan mit dem Malteser aber ein relativ unbekanntes Stück des jungen Malteser Komponisten Kristian Schembri, „Cataclysmus“ zu Gehör – ein recht kurzes Tongemälde aus vorwiegend sphärischen Klängen, die viele Assoziationen zulassen. Der zweite Teil bildet einen eindrucksvollen Kontrapunkt zur Dynamik der Streicher im ersten, mit seiner Ruhe, einem verklärten Glockenschlag, der wie eine Totenglocke anmutet, sowie mit sublimen Harfenakzenten. Interessant! Schembri hat soeben erst seinen Master of Music an der Universität Delaware in den USA mit Auszeichnung erhalten.
Als klassischer Kontrast folgt das Konzert Op. 10 Nr. 3 „Il Gardellino” von Antonio Vivaldi. Schon im 1. Satz Allegro stellt Jasmine Choi ihre große Kunst an der Flöte unter Beweis, mit den Soli, aber auch ihrem stringenten Dialog mit dem Orchester. Im folgenden Cantabile intoniert sie mit der Flöte ruhige Linien. Im abschließenden Allegro kommt das Orchester zu stärkerem Ausdruck, aber Choi übernimmt mit ihrem Flötenspiel eine stets hörbare Führungsrolle.
Sodann erklingt das Konzert für Flöte in Bb des Amerikanisch-Maltesischen Komponisten Alexey Shor, der übrigens in Kiev geboren wurde. Das Stück hat drei Sätze, Vivace, Andante und Allegro und klingt etwas wie Boulevardmusik mit Tanzelementen. Es bietet große Entfaltungsmöglichkeiten für die Flöte als Soloinstrument, in einem interessanten und wechselvollen Dialog mit dem Orchester. Und diese nimmt Jasmine Choi auch voll wahr. Das Orchester hat hier eine bedeutendere Rolle als bei Vivaldi zuvor. Choi greift aber immer wieder dynamisch vom ihm auf, sodass große Harmonie zwischen Klangkörper und Soloinstrument entsteht. Im abschließenden akzentuierten Allegro mit starkem Blechbläsereinsatz lässt Choi noch einmal ihre enorme technische und gestalterische Kompetenz an der Flöte hören. Riesenapplaus! Und der führt zu einer Zugabe mit „The Great Train Race“ für Solo-Flöte von Ian Clarke, ein nahezu halsbrecherisches Stück für die Solistin, die es mit an Akrobatik grenzender Bravour spielt und das Publikum in der Dubai Opera damit aus dem Häuschen bringt!
Malta Philharmonic Orchestra. Foto: Klaus Billand
Der orchestrale Höhepunkt des Abends wurde nach der Pause aber erwartungsgemäß die 5. Symphonie c-Moll, Opus 67, von Ludwig van Beethoven, bei der das Malta Symphony Orchestra seine ganze Versatilität mit der Romantik der „Schicksals-Symphonie“ unter Beweis stellte. Schon im 1. Satz, Allegro con brio, lässt Sergey Smbatyan das Ensemble beherzt aufspielen, nachdem das zweimal erklingende Schicksals-Motiv zu Beginn für letzte Konzentration im Publikum gesorgt hatte. Sehr schön und federnd gelingt der Rhythmus der Exposition sowie die folgende dramatische Steigerung der Durchführung mit einer hervorgehobenen Rolle der Bässe. Den 2. Satz, Andante con moto, beginnt Smbatyan ruhig und getragen, sodass er zu einem klaren Kontrapunkt zum vorhergehenden Allegro wird. Im Scherzo: Allegro, kommt das Blech zu hervorgehobener Wirkung, und gerade hier zeigt sich die beeindruckende Transparenz der einzelnen Instrumentengruppen, kommt die heiter-problemlose Stimmung gut zum Ausdruck. Im 4. Satz, Allegro – Presto, arbeiten Dirigent und Orchester auf äußerst klare Art den Schwerpunkt der Symphonie heraus, deren Interpretation durch die Malteser wie eine Erzählung des hinter ihr stehenden menschlichen Schicksalskampfes hören lassen. Ein äußerst emotionaler Schluss, der das Publikum wiederum zu begeistertem Applaus motiviert.
Klaus Billand