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DRESDEN/ Verschiedene Spielorte: DRESDNER MUSIKFESTSPIELE 2019

10.06.2019 | Konzert/Liederabende

DRESDEN/Verschiedene Spielorte: DRESDNER MUSIKFESTSPIELE

vom 2.6. bis 6.6.2019

Seit nunmehr 10 Jahren ist der weltweit erfolgreiche Cellist Jan Vogler Chef der traditiionsreichen(noch zu DDR-Zeiten gegründeten) Dresdner Musikfestspiele.Als Hauptcharakteristicum seiner bisherigen Intendanz könnte man die V i e l f a l t nennen:viele verschiedene Musikgenres, viele verschiedene und interessante Spielorte.

So durfte man heuer an folgenden ungewöhnlichsn „Venues“ Konzerte miterleben: in der Annenkirche, in der Frauenkirche, im Festspielhaus Hellerau, in der Neuen Synagoge, im Palais im Großen Garten, in der Gläsernen Manufaktur(Volkswagenwerk), in der Abfüllhalle des Weinguts Wackerbarth etc.etc.

Die Dresdner Musikfestpiele sind ein extrem langes (vom 16. Mai bis 10.Juni dauerndes) Festival und daher für den nicht in der sāchsischen Hauptstadt lebenden natürlich nicht in seiner Totalitāt erfahrbar, geschweige denn rezensierbar.An den fünf Abenden, die uns gegönnt waren, haben wir aber jedenfalls ausschliesslich Hochkarātiges erlebt.

Das erste Konzert fügte sich gut in das heurige Bauhausjubilāumsmotto ein: Im (akustisch nicht idealen) Lichthof des Albertinum-Museums widmete sich Nikolai Tokarev zuerst den „Die Jahreszeiten“ genannten zwölf Charakterstücken für Klavier von Tschaikowsky, bevor er dann Mussorgskis Miniaturen-Zyklus „Bilder einer Ausstellung“ in Angriff nahm, durchaus furios und virtuos.

Enttäuschend hingegen die gross angekündigte Verbindung des Recitals zur Inszenierung der „Bilder“ von Wassily Kandinsky an der Bauhaus-Bühne Dessau 1928. Was sich im Programm auf den ersten Blick wie eine originalgetreue Rekonstruktion des legendären avantgardistischen Gesamtkunstwerks las, entpuppte sich realiter als ein läppischer Videoclip mit ein paar Skizzen und Bildern des Meisters auf einer winzigen Leinwand.Überflüssig und eigentlich ärgerlich.


Ballsaal Watzke. Copyright: Oliver Killig/Dredner Musikfestspiele

Der zweite Abend fand im Brau-und Ballhaus Watzke statt, einem imposanten, mächtigen Gründerzeitgebäude, das die diversen Kriegswirren und politischen Umwidmungen wie durch ein Wunder überlebt hat. Es liegt an einem romantischen Elbe-Knie mit Blick auf Dresden, hat einen wunderbaren Biergarten (in dem man zu selbstgebrautem Bier auch eine reiche Auswahl an selbstgemachten Würsten – z.B. Wollwürste, Milzwürste etc. – verzehren kann)  – und im ersten Stock einen riesigen Ballsaal. Möglicherweise einen der schönsten noch existierenden Ballsäle Mitteleuropas. Hier trat das vom französischen Cembalisten Jean Rondeau gegründete Jasmin Toccata-Trio auf, mit einem Mix aus Barockmusik (Händel, Storace, De Visée, Purcell, Soler etc.) und Neukompositionen des persischen Percussionisten Keyvan Chemirani.

Alles sehr lyrisch, subtil und delikat.Aber durch die Reduktion auf die Trio-Besetzung auch auf die Dauer etwas eintönig.

Was aber niemanden weiter störte, denn an diesem heißen Sommerabend war ohnehin die Location der Star: das atemberaubende Brau – und Ballhaus Watzke an der Elbe. Ein Muss für jeden Dresden-Besucher !

Die Location stand bei den nächsten zwei Programmen nicht im Mittelpunkt, fanden sie doch im ehemaligen DDR-Kulturpalast statt. Der ist nun ästhetisch wirklich keine Schönheit, allerdings wurde sein Konzertsaal vor zwei Jahren total umgebaut und bietet nun in „Weinbergform“ eine von allen gelobte exzellente Akustik.


Grigory Sokolov. Copyright: Oliver Killig/Dredner Musikfestspiele

DIe kam natürlich dem feinfühligen und öffentlichkeitsscheuen russischen Pianisten Grigory Sokolov sehr entgegen. Im ersten Teil präsentierte er Beethovens Klaviersonate Nr.3 und die Elf neuen Bagatellen, im zweiten Teil Brahms‘ Sechs Klavierstücke op.118 sowie die Vier Klavierstücke op.119.

Seinem Ruf, der ihm vorauseilt, gerecht werdend, begann allerdings erst d a n a c h sein eigentliches Konzert. DIe lebende Legende gab nämlich, wies halt bei ihm so Sitte ist, nicht weniger als sechs Zugaben, und zwar äußerst ungewöhnliche und unpopulistsche wie solche von Rameau, Debussy und Rachmaninow…

Trotz aller Begeisterung leerte sich der Saal zusehends nach jedem Encore und die Billetteusen waren verzweifelt, weil sie ihre Boyfriends nunmehr schon eine Dreiviertelstunde vertrösten mussten,… aber der von der Musik besessene Old School Meister spielte, ohne je ein Sterbenswörtchen zu verlieren oder gar mit der Wimper zu zucken, immer noch wie aufgezogen munter weiter….

Zweifellos ein denkwürdiger Abend, zweifellos eine unvergessliche Sternstunde des Festivals…


Gergiev im Rotlicht. Copyright: Oliver Killig/Dredner Musikfestspiele

Auf ihn folgte sein Landsmann Valeri Giergiev mit der 4.Tschaikovsky und zwei nicht ganz so beliebten anderen Werken: dem Poème de l’Extase und dem Poème du Feu des völlig wahnsinnigen Russen Alexander Skrjabin (der bekanntlich sein letztes Werk „Mysterium“ eine Woche lang am Himalaya aufführen wollte, um damit das Ende der Menschheit herbeizuführen.)

Ganz so weit ging er bei seinen Anweisungen zu „Prométhée.Le Poème du Feu“ nicht.Allerdings gibt es in der Partitur eine eigens notierte Stimme namens „Luce“.In anderen Ausgaben finden sich auch Hinweise auf den Charakter der Lichtstimmungen und die Farben selbst.

Es ist ja naheliegend und verdienstvoll, die Intentionen des Komponisten auch verwirklichen zu wollen. In Dresden wirkten diese ganzen flackernden roten, blauen, gelben und grünen Scheinwerfer-Spielchen aber leider dann doch wie ein missglückter Versuch in einer Klassik-Dorfdisco.

Unser Aufenthalt in Dresden klang mit einem Ausflug in die unmittelbare Umgebung, in das preisgekrönte, ca. 30 Minuten entfernte Weingut Schloss Wackerbarth, aus. Dorthin, bzw. genauer gesagt in die dortige Sektabfüllhalle hatte das Festival für seine „Youngster-Linie“ die beiden holländischen Brüder Lucas und Arthur Jussen eingeladen. Die beiden sind so jung, soo schön und sooo blond, dass man ob ihrer Popstar-Aura (die „Tokyo Hotels der Klaviermusik“ wurden sie schon einmal genannt) ihren künstlerischen Fähigkeiten vorerst einmal mit Misstrauen begegnete.

Die blonden Brüder. Copyright: Oliver Killig/Dredner Musikfestspiele

Bald würde man jedoch eines besseren belehrt, denn die vierhändig spielenden blonden Brüder setzten sich überhaupt nicht auf ihr Image drauf, sondern präsentierten ein äußerst anspruchsvolles, um nicht zu sagen, extrem sperriges Programm: von Poulenc und Ravel bis zur Klavierfassung von Strawinskys „musikalischer Atombombe““Le Sacre du Printemps“. Sehr beeindruckend. LIeber Jussen Jussen als Lang Lang…!

Man sieht schon, die Dredner Musikfestspiele verdienten aufgrund ihrer abwechslungsreichen Konzerte und ihrer interessanten Spielorte durchaus eine verstärkte internationale Beachtung und mehr Gäste aus dem Ausland.

 

Robert Quitta, Dresden

 

 

 

 

 

 

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