Dresden/Staatsoperette: „VERGESSENE WELTEN“ – KONZERT – 13.11.2022
Das dritte Konzert der, an der Staatsoperette Dresden neu etablierten, Konzertreihe entführte unter dem Motto „Vergessene Welten“ ins Reich der Operette und Oper zu jetzt vergessenen, einst aber berühmten und bekannten Operetten und Opern, aber auch unbekannten Werken bekannter Komponisten.
Chefdirigent Johannes Pell, der diese Reihe ins Leben gerufen hat, leitete den kurzweiligen Abend und führte als charmanter, kenntnisreicher Moderator durchs Programm. Das von ihm als „Star des Abends“ angekündigte Orchester der Staatsoperette, das diesem Ehrentitel alle Ehre machte, eröffnete das Programm mit der beschwingt, temporeich und schnittig gespielten Ouvertüre zur Operette „Das verwunschene Schloss“ von Carl Millöcker.
Wohl jeder kennt den Komponisten des „Bettelstudent“, aber wer kennt schon seine vielen weiteren Operetten, wie auch „Der arme Jonathan“, deren witzig-ironische Texte allein, diese Operette interessant machen. Ricardo Romeo stellte sich glaubhaft traurig als armer, gerade entlassener Koch Jonathan vor. Mit „Mir ist es, als ob es gestern wäre“ klagten dann er und Ingeborg Schöpf, die unvergessene „Rössl“-Wirtin, hier in der Rolle einer Diva mit Liebeskummer, gegenseitig ihr Leid, und Marcus Günzel gab sich lakonisch herablassend mit „Ja nun, ein Impresario“ die Ehre.
Die Ouvertüre zur „Leichten Kavallerie“ von Franz von Suppé, einem Wagner-Verehrer, kann man gelegentlich im Radio hören, hier hörte man sie live, ebenso flott. Silke Richter erinnerte sich mit einschmeichelnder Stimme und Charme an „O schöne Jugendtage“ aus dem einst beliebten, heute fast vergessenen musikalischen Schauspiel „Der Evangelimann“, der durch die Szene „Selig sind, die Verfolgung leiden“, hier gesungen von Václav Vallon (ohne Kinderchor), bekannt ist.
Auch Franz Lehár hat mehr geschrieben, als nur „Die lustige Witwe“, „Der Zarewitsch“ oder „Paganini“, insgesamt 27 Bühnenwerke, z. B. auch die Operette „Eva“, aus der die Grand Dame der Operette von Kopf bis Fuß, Ingeborg Schöpf, mit „Im heimlichen Dämmer der silbernen Ampel“ mit ihren reichen Erfahrungen im Operettengesang an einstige Operettenherrlichkeit der Silbernen Operettenära erinnerte. Dann beschloss das Orchester, in dem sehr viele junge Musikerinnen und Musiker mitwirken, paradoxerweise mit „Eine Vision, meine Jugendzeit“ aus dieser Operette den ersten Teil.
Der zweite Teil, der in italienisch-französische Klangwelten führte, wurde wieder vom Orchester mit „La Péri“ von Paul Dukas eingeleitet. Mit den „Fontane di Roma“ von Ottorino Respighi näherte sich der Abend seinem Hauptwerk und Glanzpunkt, denn hier konnte das Orchester der Staatsoperette unweigerlich zeigen, welche enorme und positive Entwicklung es in den letzten Jahren genommen hatte. Mit nahezu spieltechnischer Perfektion und einer fast schon betörenden Klangschönheit, blühte diese Brunnen-Trilogie, der erste Zyklus der drei sinfonischen römischen Dichtungen, auf und hinterließ einen nachhaltigen Eindruck.
Christina Maria Fercher brachte mit der von ihr eindrucksvoll gesungen, traurig-schönen Arie „Senza mama“ aus „Suor Angelica“ von Giacomo Puccini eine andere Farbe und ein wenig nachdenkliche Stimmung ein und bewies wieder einmal ihre Vielseitigkeit, womit sie auch einen Ausblick auf ein Repertoire gab, das man von ihr auch künftig gern hören würde. Danach folgte „La Cathédrale egloutie“ von Claude Debussy, ein Werk, das schon wegen seines enormen Glockenklanges zu dieser sehr guten Programmdramaturgie passte. Zum Schluss vereinten sich die beiden Stimmen von Christina Maria Fercher und Silke Richter zum schmelzenden Ohrenschmaus, dem „Blumenduett“ „Viens, Mallika/sous le dome Épais“ von Léo Delibes aus seiner Oper „Lakmé“.
Ständig wechselnde, ideal passende Großaufnahmen von New York, der Riviera, schönen Parks usw. bildeten den stimmungsvollen Hintergrund zu den jeweiligen Ausschnitten und Szenen. Der Einblick in eine mondäne Welt gehört nun einmal zu einer Operette. Unter der Leitung von Johannes Pell nahmen Solistinnen und Solisten sowie das Orchester der Staatsoperette das Publikum mit auf einen Ausflug in einen vorwiegend unbekannten Teil des weiten Gebietes der Operette und Oper, der erkennen ließ, wie vieles da noch zu entdecken wäre und bewies, wie wichtig diese Konzertreihe für das Haus und vor allem das Orchester ist, das sehr konzentriert, mit angespannter Mine dem Dirigenten folgte.
Ingrid Gerk