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DRESDEN/ Staatsoperette: Dresden / Staatsoperette: SAISON-ERÖFFNUNGSKONZERT MIT DEM NEUEN CHEFDIRIGENTEN JOHANNES PELL

12.09.2020 | Konzert/Liederabende

Dresden / Staatsoperette: SAISON-ERÖFFNUNGSKONZERT MIT DEM NEUEN CHEFDIRIGENTEN JOHANNES PELL –.11.9.2020

 

Unter dem einfallsreichen, auch werbewirksamen Slogan „Was Pikantes und Spezielles, kurz: Was Sensationelles“ findet derzeit das „Eröffnungskonzert“ der neuen Saison an insgesamt sieben Abenden (4., 6., 11., 12., 13., 19. und 20.9.) statt, bei dem sich auch der neue Chefdirigent Johannes Pell aus dem klassischen Operettenland Österreich, genauer aus Linz mit Studium in Wien, mit Solisten, Chor und Orchester der Staatsoperette Dresden dem Dresdner Publikum vorstellt. Er hat bereits an deutschen Opernhäusern im Festengagement (Theater Erfurt, Oper Bonn, Theater Wuppertal) und als Gast international (Oper Leipzig, Volksoper Wien, Opernhaus Graz, Stadttheater Bern, Theater St. Gallen, Mainfrankentheater Würzburg, Theater Nordhausen, Kaiserslautern und Bremerhaven, Schlossfestspiele Schwerin sowie in Sotschi) nachdrücklich auf sich aufmerksam gemacht und wurde aus 81 Bewerbern ausgewählt.

Der Slogan für dieses Konzert verspricht viel, wirkt vielleicht ein wenig dick aufgetragen, stimmt aber erwartungsvoll auf das Kommende ein. „Bekannt“ sind so manche Ohrwürmer aus der Vielfalt der klassischen Operetten, den man immer wieder gern hört. „Speziell“ sind die rhythmisch durchdrungenen „Katzenaugen“ aus „Polnische Hochzeit“ des kaum mehr bekannten Joseph Beer (1908-1987), der Mitte der 30er Jahre ein Shooting-Star war, später vor den Nazis nach Paris und Nizza floh und nach den Ereignissen des Krieges und der Ermordung seiner Eltern und Schwester, seines Librettisten und vieler Freunde in KZs die Aufführungsrechte seiner beiden Operetten, die in Europa und Südamerika einst Furore machten, verweigerte. Erst 2011 stimmten seine Töchter wieder einer Aufführung der „Polnischen Hochzeit“ beim Wiener Operettensommer 2012 zu.

Sensationell“ war der Auftritt der jungen Christina Maria Fercher, neu im Ensemble und ein echtes Operetten-Talent, die als witzig-spritzige „Fledermaus“-Adele im eleganten schwarzen Kleid mit „Mein Herr Marquis“ mit sehr schöner Stimme und Spieltalent eindrucksvoll auf sich aufmerksam machte und für die Zukunft einiges hoffen und erwarten lässt.

Das abwechslungsreiche Programm quer durch die Welt der Operette und Oper, auch letztere steht zuweilen auf dem Spielplan dieses Hauses, bot bei den derzeitigen Reiseeinschränkungen eine ideelle Reise durch die illustre europäische Operettenlandschaft und ‑geschichte, auf deren erster „Station“ das, unter Pells inspirierender Leitung, sehr zuverlässig spielende Orchester mit der Ouvertüre zu „Eine Nacht in Venedig“ (Wiener Fassung) von Johann Strauss, dem Königs der Goldenen Operetten-Aera, schwungvoll, mit Power und echtem Operetten-Flair auf den Abend einstimmte. Das Orchester reagierte auf jede Geste seines neuen Chefs und folgte ihm bei jedem Tempo, ob schwungvoll, ritardierend oder temperamentgeladen.

Christian Grygas ging in Paris, der nächsten „Station“ zu Franz Lehárs „Lustiger Witwe“ im Silbernen Operetten-Zeitalter locker und mit spielerischen Gesten ins Maxim, und Steffi Lehmann meinte in großer roter Robe mit solidem, eine Idee zu leisem, aber mit entsprechenden Gesten kaschiertem Gesang und etwas Tanz „Meine Lippen, die Küssen so heiß“ aus „Giuditta“ und forderte Hauke Möller im Duett aus „Gräfin Mariza“ von Emmerich Kálmán eher verhalten als verliebt und mit schwächlicher Höhe auf „Sag ja, mein Lieb, sag ja“. In beiden Fällen hätte man sich gern stimmlich etwas mehr verführerischen Charme gewünscht.

Mit der sehr gut singenden Jolana Slavíková in dezentem, dunklem Blau blieben Andreas Sauerzapf und Timo Schnabel nebst reduziertem Chor noch eine Weile auf dem Balkan bei „Gräfin Mariza“ und sangen „Komm mit nach Varasdin“, nachdem Sauerzapf „Im „Weißen Rössl“ von Ralph Benatzky die vielen anstürmenden Gäste, die derzeit im Theater zwar willkommen wären, aber nicht eingelassen werden dürften, mit „Aber meine Herrschaften“, gut dargestellt, mit ausdrucksvollen Gesten und etwas greller Stimme aufgefordert hatte, Ruhe zu bewahren „und Abstand zu halten!“. Er ging locker spielerisch – wie es der Operette entspricht – mit seinen Beiträgen um.

Silke Richter, bewährtes Ensemble-Mitglied, war passend zu ihrem schillernden Auftritt im changierenden Kleid erschienen und bei „La bella Tangolita“ gesanglich mit einem Hauch von Wehmut in der Stimme und beim „Känguru Foxtrott“ auch tänzerisch im wahrsten Sinne des Wortes die Ballkönigin beim „Ball im Savoy“ von Paul Abraham. Sie hatte diesen „Sound“ voll erfasst und bewies als bewährte Opernsängerin, dass sie auch dieses Metier beherrscht, mit dem sie eine neue Farbe ins Bild brachte. Das Ensemble meinte anschließend einhellig „Es ist so schön, am Abend bummeln zu gehn“, und das Publikum bummelte anschließend in die Pause, die es hier gibt – trotz Corona.

Gestärkt auf beiden Seiten lauschte man dem Orchester, das die in ihrer Vielseitigkeit nicht leicht zu beherrschende Ouvertüre zu „Der Opernball“ von Richard Heuberger, einer „kulinarischen“ Musik für Operettenkenner und –spezialisten, meisterhaft mit sauberen Bläsern und besonders schönen, liebevoll ausmusizierenden Flöten unter der Leitung von Johannes Pell, der „nebenbei“ als “Reiseleiter“ mit einführenden und verbindenden Worten charmant von einer „Station“ zur anderen führte.

Als Ausblick auf die kommende Spielzeit trug der stattliche, eher vornehm wirkende und kaum agierende Elmar Andree das „Trinklied“: Als Büblein klein“ des dicken „Säufers Falstaff aus „Die lustigen Weiber von Windsor“ von Otto Nicolai vor,  begleitet von einem Chor aus sechs anständigen „Trinkkumpanen“. Hingegen gaben Jolana Slavíková kultiviert, mit guter Stimme und auch dramatischem Ausdruck singend, mit „Wohl denn! Gefasst ist der Entschluss“ und Timo Schnabel mit dem weniger lyrisch-schmelzend, als eher etwas derb gesungenen „Horch, die Lerche singt im Hain“, ihrer Liebe Ausdruck. Die schon erwähnten “Katzenaugen“ der „Polnischen Hochzeit“ funkelten bei Jolana Slavíková leidenschaftlich, unterstützt von Sauerzapf, Schnabel und Chor.

Die Grand Dame der Dresdner Operette, Ingeborg Schöpf, auch eine gebürtige Österreicherin, die die Operette im Blut hat, erinnerte, ebenfalls in großer roter Robe und jeder Zoll eine „Operettendiva“ im besten Sinne, mit jeder Geste, jedem Ton der „Klänge der Heimat“ an den Glanz des Goldenen Operettenzeitalters unter Johann Strauss, Sohn, das nichts von seiner Faszination verloren hat und immer noch und immer wieder auch junge Leute beeindruckt.

Schließlich fand man sich beim musikalischen „Schlusswort“ als „Brüderlein „Brüderlein und Schwesterlein“ zusammen – alles Friede, Freude und nicht nur ein gelungener Operetten-Abend, sondern auch ein großer Hoffnungsschimmer für das Haus unter der neuen Intendantin Kathrin Kondaurow (seit August 2019). Auch das wenige, zugelassene Publikum forderte mit seinem herzlichen Applaus eine Zugabe und bekam sie, natürlich von Johann Strauß und natürlich aus der „Fledermaus“ mit der Anerkennung der Majestät Champagners, des Ersten.

 

Ingrid Gerk

 

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