Dresden / Staatsoperette: „DIE ZAUBERFLÖTE“ IN DER INSZENIERUNG VON AXEL KÖHLER – EINE GROSSE OPER IN EINEM KEINEN HAUS – 14.11.2015
Ganz gleich, wo W. A. Mozarts „Zauberflöte“ gespielt wird, sie ist und bleibt ein Publikums-Magnet, die beliebteste, volkstümlichste Oper, womit nicht gesagt sein soll, dass sie auch simpel inszeniert werden sollte. Schließlich ist tatsächlich viel (Lebens-)Weisheit im Libretto versteckt und Mozarts Musik wirkt bei jedem Hören anspruchsvoller und stellt keine geringen Anforderungen an die Sänger.
In Dresden läuft die „Zauberflöte“ zurzeit nun an gleich zwei Häusern, seit Jahren an der Semperoper in der bewusst naiv gehaltenen Inszenierung, einschließlich Bühnenbild und Kostümen, von Achim Freyer, die wegen ihrer allzu „kindischen“ Sicht schon für viel Enttäuschung bei den Besuchern gesorgt hat, und an der Staatsoperette, die sich zurzeit noch „am Rande der Stadt“ befindet, bis das neue Domizil im Stadtzentrum bezogen werden kann, in einer im wahrsten Sinne des Wortes „ zauberhaften“ Inszenierung von Axel Köhler, bunt und vielfältig, in opulenter Farbigkeit, reich ausgestattet, mit vielen „Extras“ und heiteren “Einlagen“ nach alter Theatersitte. Das Bühnenbild von Hartmut Schörghofer, bei dem mit verschieblichen Wänden immer wieder neue Räume und Stimmungsbilder geschaffen werden, und erst recht die Kostüme von Corinna Crome sind „märchenhaft“. Manches mag sogar (bewusst) etwas überzogen sein, aber es schafft echte Theateratmosphäre.
Den Besucher empfängt zu den Erwartung weckenden Klängen des Orchesters der Staatsoperette Dresden unter Andreas Schüller zunächst ein gemalter, von einer alten Darstellung inspirierter, „schräger Vorhang“, eingerahmt von Neonbeleuchtung, die während der Aufführung je nach Situation die Farbe wechselt. Stimmungsvolle Bühnenbilder und aufwändige Kostüme – wie in dieser Inszenierung – lassen immer wieder die Herzen des Publikums höher schlagen. Das Publikum hat nun einmal bei der „Zauberflöte“ die Erwartung von Farbigkeit und Bühnenzauber, da ist nichts zu machen! Das scheint sich auch von Generation zu Generation fortzusetzten, denn offenbar hatte Köhlers Inszenierung erstaunlich viele jugendliche Besucher in das angejahrte Gebäude gelockt, die voller Begeisterung applaudierten.
Gemäß dem Goethewort „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“ kann sich jeder Besucher aus Köhlers Inszenierung das nehmen, was er mit dieser Oper verbindet, Märchenhaftes, ein wenig Grusel, Überirdisches, Heiteres, Humorvolles, kritische Spitzen (wenn sich für Papageno die Erde nicht auftut, um ihn zu verschlingen, weil es in dem Haus keine Versenkung gibt!), Zeitkritisches (wenn die 3 Knaben erst als kindliche Boxer, dann als Köche, um für Papageno aufzutafeln, und schließlich als „Junge Pioniere“ aus der Vergangenheit auftreten, oder die Priester zu Priesterinnen mutierten und zwischen Revue und altägyptischen Ritual-Gehilfinnen zu pendeln scheinen – schließlich ist man in einem Operettentheater. Da darf auch der Show-Effekt nicht zu kurz kommen – eher die Lebensweisheit, aber die kommt auch an den besten Opernhäusern oft zu kurz (s. Semperoper).
Sehr angenehm überrascht konnte man auch von den Sängerinnen und Sängern sein. Eine Pamina, „jung, schön, hübsch und weise“ und mit schöner Stimme und großem Spieltalent, die auch manchem größeren Haus zur Ehre gereichen würde, sang und spielte sich in die Herzen des Publikums. Catalina Bertucci war die ideale Pamina in jeder Beziehung, äußerlich, stimmlich und darstellerisch. Ihr hörte und sah man gern zu. Sie schien ihre Rolle zu durchleben, faszinierte in ihrer Art und dürfte eine der Paminen sein, mit der man künftig diese Rolle identifiziert.
An ihrer Seite stand, besser agierte und sang ein ebenso eindrucksvoller Märchenprinz namens Tamino. Daniel Johannsen zog alle Register, um sowohl gesanglich als auch darstellerisch die Rolle zum Sympathieträger zu machen.
Ein besonderer Sympathieträger der „Zauberflöte“ ist schon „naturgemäß“ immer der Papageno. Hier verlieh ihm Gerd Wiemer Wendigkeit, Witz, Volkstümlichkeit und eben viel Sympathie.
Nicht zu vergessen Maria Perlt, die als sehr ansprechende Königin der Nacht in diesem Rahmen keine Wünsche offen ließ, umgeben von ihren ebenso zuverlässig singenden wie spielfreudigen drei Damen Ingeborg Schöpf, Antigone Papoulkas und Henriette Gödde.
Monostatos war bei Andreas Sauerzapf in „guten Händen“, der erste Sprecher/Priester bei Herbert G. Adami und die drei Knaben bei Daniel Fries, Simon Zeppenfeld (bei dem sich schon „echtes“ Bühnentalent andeutete) und Silvan Peukert (Mitglieder der Dresdner Kapellknaben). Elmar Andree war nicht unbedingt ein Sarastro mit Würde und Ausstrahlung. Er war um seine Arien bemüht.
Alles in allem war es ein Abend voller positiver Überraschungen. Eine sehenswerte und auch hörenswerte „Zauberflöte“, die immer ihr Publikum finden wird. Wohl jeder verließ das Haus irgendwie zufrieden, glücklich, angeregt oder heiter, und selbst die Kritiker und Skeptiker waren durchaus angetan.
Ingrid Gerk