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DRESDEN/Staatsoperette: DIE LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR, Premiere

22.10.2022 | Oper international

DRESDEN/Staatsoperette: DIE LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR, Premiere 22.10.2022

Tennis ist nicht alles.

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Andreas Mattersberger (Falstaff) und Damen des Chores. Foto: Pawel Sosnowski

Warum eigentlich soll man die deutsche Spieloper noch aufs Programm setzen, in Zeiten der Wiederentdeckungen von Krenek, Händel oder Gluck, heute, da das Publikum immer rarer wird, das die ehemaligen Wunschkonzert-Hits von Lortzing, Nicolai oder Flotow noch mitsummen könnte? Die jüngste Premiere an der Staatsoperette in Dresden gibt eine ganz einfache Antwort: Weil Musik, Dialoge und Entertainment-Potenzial großartig sind, weil, in diesem Falle, „Die Lustigen Weiber von Windsor“ ein hervorragendes Stück ist. Mag auch der Stilmix aus Belcanto, deutscher Waldhornromantik, englischem well made play und virtuosem Feuerwerk nicht mit der Geschlossenheit des „Freischütz“ aufwarten, Nicolais letzte Oper ist vielen anderen auch heute angesetzten Werken haushoch überlegen.

Regisseurin Noa Naamat hat die Komödie um die beiden von Shakespeares Sir John Falstaff gleichzeitig platt angebaggerten Ehefrauen Fluth und Reich in einen kalifornischen Wellness-Club verlegt – das ist das Setting für die drei ganzaktigen Abreibungen, die er fürs Schreiben seiner identischen dümmlichen Liebesbriefe erhalten wird. Die Drehbühne zeigt ein hübsch knalliges, zweistöckiges Gebäude des griechischen Ausstatters takis samt Beautysalon, Pool und Sauna. Die Bezüge der Figuren zueinander dekliniert Naamat in diesem Biotop klug durch – Anna, die ihrerseits umworbene Tochter der Reichs und heimliche Hauptfigur, wird hier als Empfangs-Girl bereits im ersten Teil etabliert, ihre Verehrer Cajus und Spärlich treffen die Ehemänner Fluth und Reich in der Tennis-Umkleide, und Annas wahre Liebe Fenton ist Poolboy. Das ist klar und schön ausgearbeitet. Im dritten Akt aber stößt dieses Konzept an seine Grenzen: Aus dem Graben erklingt Webersche Mitternachtswaldzaubermusik, der als Hirsch verkleidete Falstaff beim erneuten Stelldichein-Versuch soll sich von Elfen verfolgt glauben, Shakespeares (und Mendelssohns) „Sommernachtstraum“ scheint allerorten auf – da kommt es wenig glaubhaft daher, dass die ganzen dem Sir bestens bekannten Club-Gesichter im Tennis-Outfit auf hell ausgeleuchteter Bühne ihn ängstigen und obendrein für die ganze Magie aufkommen sollen. Sie bleibt bloße Behauptung, und deren Langatmigkeit kann weder der Mond- noch der Mückenchor auffangen. Auch der Grund für Falstaffs Selbstbewusstsein bleibt in seiner Figurenzeichnung unklar. Immer wieder gibt es an diesem Abend hinreißend komische Augenblicke (wie das Handtuch-Ballett von Falstaff und Herrn Fluth am Ende des ersten Teils). Das ist solide Komödienarbeit und unbedingt zu würdigen – aber wenn in rund drei Stunden das Publikum vielleicht ein halbes Dutzend Mal vernehmlich schmunzelt, hätte es viel mehr davon vertragen. Da wäre in den Dialogen mehr Tempo, Witz und Fantasie wünschenswert gewesen – und, bitte, zum Ende auch Magie statt Tennis.

Nicolai nimmt ja, das ist sein Kniff, eben die Damen und nicht Falstaff in den Fokus – aber Andreas Mattersberger dreht das mit schierer Bühnenpräsenz, bester Textverständlichkeit und baritonaler Stimmwucht fast wieder um. Die als Marilyn-Lookalike ausstaffierte Steffi Lehmann bringt eine stimmlich und spielerisch souveräne Frau Fluth auf die Bühne, Silke Richter punktet als Nachbarin Reich und partner in crime mit hinreißendem Spielwitz. Anna Reich wird von Nicolai mit der wirkungsvollsten Musik bedacht – die Bravi für die Rolle hat sich Christina Maria Fercher aber selber verdient, mit glockenhellem, virtuosem und dabei nie eindimensionalem Sopran. Chao Deng gibt engagiert den Herrn Fluth, die Kollegen Timo Schabel (Fenton), Gerd Wiemer (Herr Reich), Andreas Sauerzapf (Spärlich) und Markus Liske (Cajus) liefern überzeugende Charakterstudien. Das Orchester der Staatsoperette ist blendender Form, besonders schön zu hören in den Holzbläser-Soli und dem kompakten Blech-Satz. Johannes Pell führt sein Ensemble solide durch die Partitur, bügelt aber bisweilen allzu hemdsärmelig über den Atem seiner Solisten auf der Bühne und im Graben hinweg – auch eine bessere Differenzierung des Orchesterklangs je nach den Stimme und Position im Raum darf man sich wünschen. Der wohlwollende Applaus hat eine solide Arbeit auf allen Ebenen gewürdigt, zum Jubel fehlte ein wenig die Inspiration.

Stephan Knies

 

 

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