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DRESDEN/ Staatsoperette: DIE BAJADERE – Operette vom Emmerich Kálmán. Premiere

03.02.2025 | Operette/Musical

Dresden / Staatsoperette: PREMIERE: „DIE BAJADERE“ VON EMMERICH KÁLMÁN – 1.2.2025 

Exotisches Flair war Anfang des 20. Jahrhunderts in Opern und Operetten sehr beliebt und hat auch jetzt noch seinen Reiz. Man denke nur an „Madama Butterfly“, „Turandot“, „Das Land des Lächelns“ usw. Jetzt brachte die Dresdner Staatsoperette die nur noch selten gespielte Operette „Die Bajadere“ von Emmerich Kálmán auf die Bühne, die er zu Recht unter all seinen Bühnenwerken als die der Oper am nächsten kommende Operette betrachtete, denn viele Teile sind tatsächlich opernhaft gestaltet, und verleihen ihr musikalisch ein besonderes Niveau, wenn auch die Handlung – „Theater auf dem Theater“ – dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend, weniger anspruchsvoll ist.

Dass diese, 1921 im Carltheater in Wien uraufgeführte, Operette in drei Akten (Librettisten: Julius Brammer und Alfred Grünwald) heute nur noch selten auf den Spielplänen zu finden ist, mag eine Folge des Überangebotes von Operetten führender Komponisten aus den 1920er und 1930er Jahren sein, die sich damals gegenseitig den Rang abliefen und auch jetzt noch die Auswahl schwer machen, aber auch, dass sie – wie alle Werke Kálmáns – in der NS-Zeit verboten war und damit aus dem Gedächtnis verschwand. Umso erfreulicher, dass dieses vielleicht ungewöhnlichste Werk des Komponisten mit dem exotischen Flair zwischen Fernost und ungarischem Temperament schon wegen seiner Walzer und Balladen der Vergessenheit entrissen wird und wieder das Publikum erfreut, wie es bei der Premiere zu erleben war.

„O Bajadere, wie dein Bild mich berauscht!“ seufzt in der Handlung der Ehrengast der Premiere des Stücks „Die Bajadere“, der indische Prinz Radjami, der die mondäne Sängerin Odette Darimonde umschwärmt, die in der Titelrolle ihn und das Pariser Publikum zu Beifallsstürmen auf einer imaginären Bühne hinreißt. Der fernöstliche Prinz besucht jede Vorstellung, die hier sehr geschickt nur als Reflexion des „Theaterpublikums“, respektive des, wie schon so oft durchgängig in schwarz gehüllten, aber passabel singenden und agierenden Chores der Staatsoperette Dresden (Thomas Runge) angedeutet ist, und möchte sie sogar heiraten, obwohl er in seiner Heimat bereits verlobt ist. Sie aber zeigt ihm nur die „kalte Schulter“, weshalb er mithilfe von angeblich magisch duftender Rosen sein Ziel zu erreichen versucht, worauf sie zum Schein eingeht, um dann bei der Hochzeit mit einem klaren „Nein“ zu antworten, was sie dann doch wieder bereut und ihm vielleicht doch folgen möchte… Spätestens hier dehnt sich das Stück in die Länge und verliert an Brisanz, die durch Exotik und Erotik gegeben wäre.

In der Lesart der Regisseurin Juana Inés Cano Restrepo wird die Handlung zu einer sinnlichen Erzählung über Spiel, Glanz und Glamour auf der Bühne und nüchterner Realität im Leben, Schein und Sein, Traum und Wirklichkeit, Schwärmerei und wahrhaftige Liebe. Allerdings hätten da ein paar Striche Not getan, um die Handlung zu strafften und einige bedeutungsvolle Szenen prägnanter herauszustellen, damit die Handlung weniger banal erscheint.

Die Bühne (Anna Schöttl) besteht im Wesentlichen in farblich gut abgestimmten, echte Operetten-Atmosphäre vermittelnden Beleuchtungs-Effekten, Vorhängen, die geschickt bewegt, die Handlung vorantreiben, großen senkrechten, mit viel Lampen bestückten massiven Bahnen, viel Raum und einem überdimensionalen Kopf (die Illusion von der Liebe zur Diva?) sowie eine übergroße Hand (in die der Prinz sein Schicksal legt?). War beides, das nur allzu sehr an die „Rigoletto“-Inszenierung der Seefestspiele Bregenz erinnert, hier wirklich nötig? Es gab auch einige gute neue Ideen, aber allgemein wurde aus den üblichen Gestaltungs-Elementen ein Bühnenbild geschaffen, in dem sich die Handlung unverstellt abspielen kann und das mit seiner Farbigkeit echtes Operetten-Flair vermittelt. 

Die eleganten Roben und fernöstliches Kolorit vermittelnden Kostüme (Lena Weikhard) vermitteln ebenfalls den Charakter der klassischen Operette, die Alltagskleidung weniger. Früher gab es Hosenrollen für die Damen, jetzt Rock- bzw. Kleiderrollen für die Herren. 

Schon zu Beginn wurden die Besucher mit einem, für den Raum zu lauten Orchester unter der Leitung von Michael Ellis Ingram empfangen, was nicht nur im Widerspruch zu den mit Mikroports verstärkten Stimmen der Sänger-Darsteller stand, die mit der technischen Verstärkung auch Flüstern, Raunen und Intimität vermitteln können (auch wenn es das Raumempfinden stört) und dem gefühlvoll erotischen Charakter der Operette. 

Für die umschwärmte Diva Odette Darimonde brachte Christina Maria Fercher alle Voraussetzungen einer guten Operetten-Sänger-Darstellerin mit, die man sich nur wünschen kann, schlanke Figur, gute Erscheinung, klangschöne Stimme mit sehr sicherer Höhe, sehr gute Artikulation, gute Textverständlichkeit bei Gesang und Sprache, Spielfreude und tänzerisches Talent. Sie hatte während des Singens noch genügend Kondition als sportliche „Kür“ übermütig ein „Rad zu schlagen“ und in High Heels zu springen und schwungvoll zu tanzen – eine erstaunliche Leistung. Ihr Gegenspieler Timo Schabel als schwärmerischer indischer Prinz Radjami von Lahore bewegte sich da gemessener und meisterte seine Rolle gesanglich, wenn auch weniger leidenschaftlich.

Neben der Haupthandlung gibt es noch eine Nebenhandlung, in der Dimitra Kalaitzi als verwöhnte junge Frau Marietta zwischen ihrem Ehemann Louis Philipp La Tourette (Marcus Günzel) und Napoleon St. Cloche (Tobias Zepernick) zwischen Scheidung und Heirat jongliert und ihren anspruchsvollen Wünschen mit Vibrato reicher Stimme Ausdruck verleiht. Da wurden seitens der Regie gleich diverse Paarbeziehungen eingeschoben. Ihr Möglichstes, um ihren Rollen gerecht zu werden, taten: Gerd Wiemer als Pimprinette, Dietrich Seydlitz als Direktor Trebizonde, Michael Kuhn als Graf Armand, Dewa Singh und Elmar Andree als Oberst Parker.

Anspruchsvolle Tanzleistungen boten Dominica Herrero Gimeno, Arthur Troitsky, Brocke Squire und Christian Vitiello als zwei Solo-Tanzpaare mit schwungvoll ausgeführten eleganten Figuren in höherem Schwierigkeitsgrad, perfekter Körperhaltung, exakt bis in die Zehensitzen, und ausdrucksvollen Gesten (Choreografie: Mandy Colemann). Unverständlich war nur, warum das indische Ballett vom Corps de ballet unbedingt von unfreundlichem Lachen begleitet werden musste. Fanden sich die Tänzerinnen und Tänzer so lächerlich oder waren sie verschämt? Trotz kleiner Einschränkungen, die sich bei den weiteren Aufführungen noch abschleifen können, ist „Die Bajadere“ sehr empfehlenswert.

Ingrid Gerk

 

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