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DRESDEN/ Staatsoperette: DER MANN MIT DEM LACHEN – Musical von Frank Nimsgern nach einer Romanvorlage von Victor Hugo. Uraufführung

Spektakuläre Uraufführung an der Dresdner Staatsoperette

07.05.2019 | Operette/Musical


Ensembleszene. Foto: Stephan Floß

Der Mann mit dem Lachen – nach einer Romanvorlage von Victor Hugo

Spektakuläre Uraufführung an der Dresdner Staatsoperette

 Nach „Der Glöckner von Notre Dame“ und „Les Misérables“ ebenso nach Vorlagen von Victor Hugo, erfreut man sich nun eines neuen Musicals, Musik von Frank NIMSGERN, worüber sich aber die Geister streiten. Denn nach den Erfolgen zuvor genannter opulenter und glanzvoller Musicalproduktionen, die einen internationalen Erfolg erzielten, ebenso auch verfilmt wurden, so ist es doch auch immer ein Risiko, Themen nach irgendwelchen Vorlagen aufzugreifen, die sich vielleicht für ein Musicalwerk gar nicht eignen, wenn man die gesamte Dramatik des Romans „Der Mann mit dem Lachen“ einmal erfasst. Diesen Stoff man jederzeit als Opernwerk in Auftrag hätte geben können, um in dieser sehenswerten, sehr kostspieligen Ausstattung, dies als rein klassisches Opernwerk auf die Bühne der Semper Oper hätte uraufführen können. Ein Wagnis wäre ohnedies beides gewesen, und doch umso erstaunlicher war zu beobachten, mit welcher temporeichen Inszenierung (Andreas GERGEN) hier eine wahre Meisterleistung vollbracht, umgekehrt aber, wenn man die Produktion auf ein internationales Niveau bringen möchte,  Dialoge (TILMANN VON BLOMBERG) und die Gesangstexte (Alexander KUCHINKA) überarbeitet gehören, denn der ganz große Wurf ist dieses Stück mit derartigen Texten leider nicht. Wogegen aber das Bühnenbild (Sam MADWAR) und die Kostüme (Uta LOHER und Conny LÜDERS) doch ein wahrer Augenschmaus sind.

Die rauschenden Feste des dekadenten Adels sind die wirklichen Glanzlichter des Abends. Und bei genauer Betrachtung lebt dieses neue Musical doch in erster Linie von den bravourösen Ensembleszenen, hier Andreas GERGEN wieder einmal ein regiekonzeptionelles hervorragendes Geschick zeigt, welches er auch bereits in vielen Inszenierungen an der Wiener Volksoper bewiesen. Wo er auf die charakteristische Darstellung einzelner Personen setzt, und egal ob Tänzer, Chorsänger/innen und Statisten hier eine persönliche Individualität einbringen. Die Führung von Chor und Ballett sind seine wahre Stärke aber auch die der Solisten. Lobenswert die Choreografie von Simon EICHENBERGER, der hier wahrlich die Puppen tanzen lässt, teils skurril und überaus dekadent, insbesondere auf den adligen Bällen, wo gerockt, auch vermischt mit Klassik, und mit einem Schuss Erotik, man hier so richtig die Fetzen fliegen lässt, und wo hingegen einiger langatmiger Szenen man hier auf unterhaltsamere und humorvolle Weise das Publikum aus seiner Steifheit wieder herausholt. Außerdem wenn man Nimsgern absolute Spitzenreiter kennt, wie „Hexen“  und „Der Ring“, so weiß man, dass er ein Garant für gute Ensemblenummern ist. Obwohl wirkliche Ohrwürmer, sodass es die Spatzen von den Dächern pfeifen, gibt es auch in diesem Musical nicht. Wo es unsere Vorreiter der amerikanerischen und englischen Musicals, und zu guter Letzt der ungarische Komponist Sylvester Levay (Elisabeth, Mozart, Rebecca, Marie Antoinette) uns immer wieder gezeigt haben, dass ein Musical zumindest aus 3 – 6 Ohrwürmern bestehen sollte.

Doch nichtsdestotrotz ist diese neue Musicalproduktion nicht nur eine emotionale Achterbahnfahrt, sondern auch ein mit Spannung und Dynamik geladenes Werk, welches man sich keineswegs entgegen lassen sollte. Denn allein die Optik ist ein wahrer Genuss. Die peitschenden Meeresstürme, die Schneewanderungen in einer klirrenden Winternacht, die grausamen Folterungen, die Karikatur des Adels, die Seelenschmerzen eines von der Gesellschaft Ausgestoßenen, die Ausbeutung von Kindern und Erwachsenen, so wie in Hugos Roman beschrieben, werden in dieser Inszenierung sinngemäß dargestellt. Es ist eine Geschichte zwischen Traum und Wirklichkeit – zwischen Schuld und Sühne – zwischen dem Hässlichen und dem Bösen. „Denn Hässlich ist, wer Böses tut“ so wie bereits im Stück interpretiert. Wo doch die wahre Schönheit kommt von innen – nur der der reinen Herzens ist.


Jannik Harneit, Anke Fiedler inmitten des Ensembles. Foto: Stephan Floß

Mit sehr viel Feingefühl verdeutlicht uns Jannik HARNEIT in der Titelrolle des Gwynplaine, dass in dieser kuriosen Welt nicht alles Gold ist, was glänzt. Sein Traum von einem besseren Leben, stellt sich doch am Ende als teuflisches Machtwerk menschlicher Begiere heraus. Hier stellte er wieder einmal sein vielseitiges, schauspielerisches Talent unter Beweis, und es war ein ausgesprochener Glücksgriff, ihn für diese Rolle zu besetzen. Ebenso aber auch Christian GRYGAS (Barkilphedron) überzeugte hier mit Souveränität und großartiger schauspielerischer Leistung. Mit seinen Hauptsong „ der Wind hat sich gründlich gedreht“ zog er alle Register. Wie eben auch sein Kollege Elmar ANDREE in der Rolle als Ursus, in zwar den etwas leiseren, gütigeren, väterlichen Tönen schauspielerisches Profil zeigte. Olivia DELAURÉ als blindes Weisenmädchen Dea und Geliebte von Gwynplaine, überzeugt insbesondere im sentimentalen Spiel, und würde auch in „Dantons Tod“ eine zauberhafte Lucile abgeben. Mit viel Sex -Appeal und als herrschsüchtige Josiane Darnley, überzeugte schauspielerisch aber auch gesanglich Anke FIEDLER. Angelika MANN (Anne Stuart/ Königin von England) brillierte mit sonnigen, humorvollen lichten Momenten, in dem ohnehin schon so ernsten Stück. Wo Anne SCHAAB als Sarah Churchill ihr schauspielerisch souverän zur Seite stand. Bryon ROTHFUSS, auch dem Ensembles angehörig, überzeugte hier in den verschiedensten Facetten, als Dr.Hardquannome, Chirurg, und  Georg Prinz von Dänemark. Die verschiedensten Verwandlungsprozesse, beginnend mit Irland 1654, über die Südküste Englands, 1690, bis hin zu London, 1705, stellten nicht nur allein Bühnen – und kostümtechnisch eine große Herausforderung, sondern auch an jeden einzelnen Protagonisten, die oft mit schnellen Umzügen hinter der Bühne konfrontiert waren. Ständig wechselnde, teils verblüffende Schauplätze taten ihr weiteres, um hier atmosphärisch für Hochspannung zu sorgen. Wo sich alles drehte und bewegte, und ohne Drehbühne ein derartiges opulentes Bühnenbild gar nicht realisierbar gewesen wäre.

Das mit sechzig Musikern besetzte Orchester unter dem Dirigat von Christian Feigel überzeugt uns mit einem bunten musikalischen Mix, dessen Bandbreite aus Barock und Rock, aber auch Ähnliches musikalisch aufwirft, wo einige Fragmente durchaus auch von Levay oder auch anderen Komponisten abstammen könnten. Eine musikalische Stilrichtung indem Sinne gibt es nicht, und wie bereits erwähnt auch keine Ohrwürmer.

Fazit: Eine durchaus anspruchvolle und passable Musicalproduktion, die ihre Anhänger finden könnte, wenn man sie textlich, aber auch musikalisch weiters aufbereiten und noch mehr ausarbeiten würde. Denn neben einen großenartigen Ensemble und hervorragenden Solisten, abgesehen von der spektakulären Inszenierung, einschließlich des Bühnenbilds, könnte diese Produktion ein wahrer Dauerbrenner werden.

Begeisterungen in der gestrigen Vorstellung blieben dennoch nicht aus, wo vonseiten des Publikums der Applaus aber in erster Linie den so hervorragenden Solisten, dem Ensemble und dem Dirigenten galt.

Manuela Miebach

 

 

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