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DRESDEN/Semperoper:RICHARD STRAUSS-TAGE (27.3. – 7.4.2024

08.04.2024 | Konzert/Liederabende

Dresden/Semperoper:  RICHARD-STRAUSS-TAGE27.3. ‑ 7.4.2024

 

„Richard Strauss-Tage“ sind in Dresden geradezu eine Verpflichtung, da der Komponist dem Haus sehr eng verbunden war und vielfältige Beziehungen zwischen ihm und der Dresdner Oper bestehen. Jetzt führt die Semperoper eine Tradition wieder fort, die seit 1909 (mit Unterbrechungen) dem Komponisten gewidmet ist, der die Sächsische Staatsoper und die Sächsische Staatskapelle mit seinen zahlreichen Uraufführungen, persönlichen Dirigaten und Widmungen wie kein anderer geprägt hat. Bei der diesjährigen Veranstaltungsreihe standen vor allem Werke mit einer engen Beziehung zu Dresden im Mittelpunkt.

Seine Oper „DIE FRAU OHNE SCHATTEN“ (op. 65) kam 1919 nach ihrer Wiener Uraufführung 12 Tage später in einer zweiten Einstudierung als deutsche Erstaufführung an der Dresdner Oper heraus. Weitere Neueinstudierungen dieser Oper dirigierte hier Richard Strauss persönlich, später Karl Böhm. 1996 stand Giuseppe Sinopoli in einer neuen Inszenierung am Pult.

Jetzt hatte eine Neuinszenierung von David Bösch Premiere (23.4.). Bösch, der den Dresdnern bereits seit seinen Inszenierungen von „Nabucco“ und „Die tote Stadt“ bekannt ist, erzählt das, von Hugo von Hofmannsthal unter Verwendung südöstlicher Sagen und Erzählungen geschriebene und danach auch als Libretto verfasste, moderne anspruchsvolle „Märchen“, das wegen seiner Symbolik Konzentration und Mitdenken erfordert, in zwei Ebenen, einer irdischen und einer transzendenten – eine gute, nicht alltäglich Interpretation, aber leider nicht immer sehr künstlerisch umgesetzt.

Das irdische Dasein des Färbers und seiner Frau wird eindeutig und plausibel und ohne größere Verfremdungen erzählt. Zusätzlich werden die „fremden Mächte“ sowie Träume, Fantasien und Wunschvorstellungen der Protagonisten mit Hilfe von Videoeinspielungen (Falko Herold, Patrick Bannwart), Licht (Fabio Antoci), gelegentlich etwas Dampf und überdimensional große wundersame Dinge, die gegenständlich und plötzlich von oben herabkommen, sehr konkret sichtbar.

Strauss und von Hofmannsthal wären nicht sie selbst, wenn sie nicht die Handlung überhöht und das Märchen als Aufhänger“ und Rahmenhandlung für eine viel stärkere Aussage und Behandlung von Gegenwartsproblemen benutzt hätten, damals wie heute aktuell, wenn z. B. die Amme über den Kaiser sagt: „Er ist ein Jäger und ein Verliebter, sonst ist er nichts! (…) Seine Nächte sind ihr Tag, seine Tage sind ihre Nacht“. Hier hätte es sich sogar angeboten, die Handlung in die Jetztzeit zu verlegen, aber sie wurde, wie schon so oft in zahlreichen Inszenierungen, in der üblichen, schon zu oft strapazierten Art, die weder neu noch Aufsehen erregend wirkt, in einem unbestimmten Milieu (vielleicht der 1930er/40er Jahre) angesiedelt, aber mit  typischen gegenwärtigen Merkmalen wie Fernsehapparat (älteres Modell) und Waschmaschine, ausgestattet.

Die Video-Einblendungen, wie das verliebte Kaiserpaar oder die von Wölfen gejagte Gazelle als Erinnerung, dass die Kaiserin einer Gazelle entsprang und sich nun im Dilemma zwischen Schattensuche und Androhung der Versteinerung ihres Gatten wie eine Gejagte fühlt, sind eher schlüssig, während die von oben herabgesenkten Festkleider als „Verführung“ für die Färbersfrau oder gar der überdimensionale plumpe Fleisch- und Fisch-Einkauf eher amüsieren. Gegen Ende hängt, Schauer erregend, der Kaiser als Drohung des Versteinerns wie ein Erhängter zwischen den Krallen eines überdimensionalen Falken mit Leuchtaugen.

Von einer Inszenierung hängt sehr viel ab, auch ob die Musik ankommt. Hier war die Umsetzung der Partitur durch Christian Thielemann und die Kapelle so stark, dass sie eher die Inszenierung erschloss als umgekehrt.

Unter Thielemanns Stabführung wurden die Premiere und die dreimalige Aufführung während der Strauss-Tage zum außergewöhnlichen Ereignis und Höhepunkt ohnegleichen, aber auch verbunden mit einem dunklen Schatten. Sie war Anfang der Strauss-Tage und unsägliches Ende einer überaus fruchtbaren über zehnjährigen Zusammenarbeit zwischen (leider nur) Chefdirigent Thielemann und der Sächsischen Staatskapelle, aus der so manche Sternstunde von Oper und Konzert hervorging und die noch so vieles hätte erwarten lassen. Als GMD hätte er mehr Mitspracherecht gehabt, was er bei seinem Abschied an seine späteren Nachfolger auch wohlmeinend weitergab. Er selbst hatte die Stelle aus Verantwortungsbewusstsein abgelehnt, um sich voll und ganz seiner Aufgabe als Chefdirigent widmen zu können, aber „es kann der Frömmste nicht in Frieden leben …“).

 Musikalisch waren die drei Aufführungen mit ihrer absoluten Perfektion und Transparenz ein Triumph, eine Wiedergabe par excellence. So präzise, punktgenau auf die Handlung abgestimmt, so feinsinnig, dezent, mit auffallend schönen Piani und expressiven Ausbrüchen an den hochdramatischen Stellen und vor allem so sängerfreundlich und tief beeindruckend wird man diese Oper so schnell nicht wieder hören.

Thielemann trug die Sängerinnen und Sänger „auf Händen“, die sich in schönster Weise entfalten konnten. Evelyn Herlitzius wirkte als Amme jung und schön in ihrem Outfit, das auf der Vorderseite hell, auf der Rückseite dunkel, je nachdem wie sie sich drehte, die zwei Seiten ihrer Erscheinung als freundliche Helferin oder Handlangerin des Zauberers Keikobad, die Fäden in der Hand haltend, erkennen ließ (Kostüme: Moana Sternberger). Sie zog nicht nur die Aufmerksamkeit mit ihrem in allen Lagen perfekten Gesang auf sich, sondern auch durch ihr niveauvolles Spiel, nicht übertrieben, aber immer präsent und der jeweiligen Situation entsprechend.

Eine schöne Kaiserin war Camilla Nylund, die immer für Qualität bürgt, hier aber besonders mit der Schönheit ihrer Stimme, dramatischem Ausdruck und vor allem Strahlkraft sehr beeindruckte. Als Kaiser war Andreas Schager, der der Rolle an der Wiener Staatsoper Stimme und Gestalt verleiht, kurzfristig für den erkrankten Eric Cutler eingesprungen.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht das zusammen und doch getrennt lebende Färber-Ehepaar, das wahrscheinlich gerade deshalb für die Abgabe des Schattens ausersehen wurde, weil der hier ohnehin nicht gebraucht zu werden schien. Für beide Sängerdarsteller war es ein Hausdebüt. Sie passten wunderbar in die Rollen eines typischen Paares einer bestimmten Gesellschaftsschicht.

Die Färberin von Miila-Liisa Värela erschien dominant, füllig, etwas schlampig gekleidet und oft mit Zigarette im Mund. Sie entzieht sich ihrem Ehemann und weiß nicht so recht mit ihrem Leben etwas anzufangen, träumt sich auf Anregung der Amme in „höhere“ Regionen mit schönen Kleidern und einem noch schöneren Jüngling (Martin Mitterrutzner), der sehr leicht bekleidet, aber mit Lorbeerkranz auch vervielfacht erschien, bis sie erkennt, dass sie den wahren Sinn des Lebens versäumt. Sie bewältigte die umfangreiche Gesangspartie großartig, immer präsent, auch stimmlich, und spannte den großen Bogen bis zu ihrem grandiosen Schlussmonolog. Ihrem Ehemann verlieh Oleksandr Pushniak Gestalt als äußerlich etwas plumper, aber kraftvoller Färber namens Barak. Seine schöne, gut klingende Stimme deutete an, dass neben seiner Impulsivität auch Gutmütigkeit und Liebe in ihm schlummert.

Als Stimme von oben wendet Christa Mayer schließlich mit klangvoller Stimme und „heiligem Schauer“ alles noch zum Guten. In weiteren Rollen gaben ihr Bestes: Andreas Bauer Kanabas als stimmgewaltiger Geisterbote mit Autorität, Nikola Hillebrand als plausibler Hüter der Schwelle des Tempels, Lea-ann Dunbar als Stimme des Falken, Rafael Fingerlos als der Einäugige, Tilmann Rönnebeck als Einarmiger und Tansel Akzeybek als Buckliger.

Der Sächsische Staatsopernchor Dresden (Einstudierung: André Kellinghaus) sang in bester Qualität hinter der Bühne, der Kinderchor der Semperoper (Claudia Sebastian-Bertsch) auf der Bühne sich bewegend.

Wenn es um die Sächsische Staatskapelle und Strauss geht, sind die Erwartungen sehr hoch, sie wurden hier aber noch übertroffen. Allein die herrlichen Klänge, das „himmlisch schöne“ umfangreiche Violinsolo von Matthias Wollong (das noch länger hätte dauern mögen) und das Cellosolo von Sebastian Fritsch, der geisterhafte Klang der Glasharmonika, die Bratschen, Harfe, wunderbaren Hörner und und und … können mit Worten kaum wiedergegeben werden, man muss es erlebt haben.

Es war ein überragender Abschied von Thielemann und seiner, bis in die Tiefe vordringenden, äußerst intensiven Interpretation, die die Illusion von weiteren solchen Höhepunkten weckte, aber nach dem überwältigenden Applaus betrat Intendant Peter Theiler die Bühne, um den, noch von der Aufführung im doppelten Sinne glühenden Christian Thielemann mit Worten und einem großen Blumenstrauß zu verabschieden, erfreulicherweise mit Mikrofon, so dass auch das Publikum teilhaben konnte. In seinen Dankesworten, vor allem auch an die Mitglieder der Kapelle und ihre wunderbaren Soli, sagte Thielemann unter anderem: „Wenn es um Strauss geht, ist die  Staatskapelle allererste Sahne“.

Das bewiesen die Musiker erneut auch bei der zweiten Aufführung der „ELEKTRA“ (5.5.) innerhalb der Strauss-Tage unter der Leitung von Marc Albrecht. Strauss schrieb die Tragödie um die mykenische Prinzessin, die in die Tiefen der menschlichen Seele vordringt, als Nachfolgestück seiner Oper „Salome“ für das Dresdner Opernhaus, wo es als dritte Strauss-Oper 1909 uraufgeführt wurde und den endgültigen Durchbruch für ihn als Komponisten sowie den Beginn einer jahrelangen fruchtbaren Zusammenarbeit mit Hugo von Hofmannsthal bedeutete.

In einer Wiederaufnahme der Inszenierung von Barbara Frey (Pr.: 19.1.2014) wurde die Oper in erstrangiger Besetzung zum packenden Psychogramm einer Familientragödie um Schuld und Sühne. Nach dem Mord an König Agamemnon durch seine Gattin und ihren Geliebten entspinnt sich ein furchtbares Drama einer zerrütteten Familie. Die beiden Töchter verhalten sich nach der Bluttat sehr unterschiedlich, zwei Möglichkeiten der Verarbeitung eines ungeheuerlichen Geschehens. Während Chrysothemis dem Leben zugetan bleibt, alles vergessen und heiraten möchte, zerfleischt sich Elektra, in einer Ecke  bzw. Tür des Palastes hockend, und sinnt auf Rache und Vergeltung durch den Mord an ihrer Mutter. Beide Schwestern sind unfähig, die Tat auszuführen, die eine, weil sie durch ihr selbstzerstörerisches Sinnieren in Rachegedanken zu schwach geworden ist, die andere, weil sie ihrem Wesen nach zu keiner Mordtat fähig ist.

Erst als ihr Bruder Orest als Retter erscheint, löst sich der Konflikt. In der Wiedersehessszene erscheinen Elektra und Orest in Erinnerung als leibhaftige Kinder in der Tür, in der Elektra gesessen hat, und ziehen sich dann langsam wieder rückwärts zurück. Sonst ist bis auf Chrysothemis’ rotes Kleid und am Schluss ihr pompöses Brautkleid wenig Farbe im Bild. Das im wesentlichen gleichbleibende  Bühnenbild (Muriel Gerstner) eines rudimentären, unvollendet gebliebenen repräsentativen Jugendstilbaus deutet gleichzeitig Macht und Verfall, Wollen und Ohnmacht an, ähnlich das Kostüm der Elektra, halb zerfallen, zerrissen, aber mit Goldeffekten. Alle anderen tragen mehr oder weniger elegante Durchschnittskleidung (Kostüme: Bettina Walter).

Doris Soffel erschien als distinguierte, egozentrische Klytemnästra, deren Sorge allein ihrem Wohlergehen gilt. Sie und ihre Tochter Elektra dämonisieren sich gegenseitig in einem sich zuspitzenden Dialog. Die mit großer Intensität singende und gestaltende Lise Lindstrom, spannte einen großen gesanglichen und darstellerischen Bogen um und über die Handlung. Sie steigerte sich zu großartiger Gestaltung und bestimmte die Szene. Für die gut singende und plausibel agierende Gabriela Scherer war mit der Rolle der Chrysothemis ein Hausdebüt verbunden, bei dem sie sich bestens bewährte und in ihrer Rolle überzeugte. Ihre Stimme klang frisch und ihre Darstellung entsprach der lebensdurstigen Schwester. Stimmgewaltig erschien John Lindgren als Orest. Kelly God bewährte sich bei ihrem Hausdebüt als Aufseherin.

Auf der Bühne ein „Kammerspiel“, ist die Oper für den großen Orchesterapparat eine Herausforderung. Marc Albrecht verstand es, die Partitur sehr transparent umzusetzen, so dass keine Details verloren gingen, und für den Gesang ein gutes Fundament aufzubauen, bei dem ihm die Staatskapelle mit ihren Fähigkeiten in jeder Phase folgte. Der Sächsische Staatsopernchor Dresden (Einstudierung: Jonathan Becker) erfüllte auch hier seine Aufgabe bestens.

Schlaglichtartig wurde die andere Seite im Schaffen von Richard Strauss, die großen Instrumentalwerke, im SONDERKONZERT MIT ANTONIO PAPPANO (6./7.4.) gestreift. Im ersten Teil des Konzertes erklangen „Variationen und Fuge über ein Thema von Mozart“ (op. 132) seines Zeitgenossen Max Reger, dem er nach dem Militärdienst aus der Krise und zurück ins Leben, auch ins musikalische, half. Der Kompositionsstil beider unterscheidet sich, aber die Liebe zur Musik Mozarts ist ihnen gemeinsam. “Das größte musikalische Wunder, das die Welt je gesehen hat, war Mozart“.

Regers „Mozart-Variationen“ sind eins von seinen drei Variationswerken – er schrieb auch „Hiller- Variationen“ und „Beethoven-Variationen“ – , aber das bekannteste. In Antonio Pappanos wohldurchdachter Interpretation wurde das Mozartsche Thema in entsprechender Zartheit vorgestellt und die nachfolgenden Variationen in schöner Transparenz mit der ihnen immanenten Verve gespielt, wie man sie selten so abwechslungsreich und melodisch hört. Hier war in jeder Variation die Nähe zu Mozart zu spüren. Reger kann so oder so gespielt werden, Pappano entschied sich für eine sehr klangschöne Lesart mit festlichem Charakter. In äußerst ausgewogener Balance zwischen Forte und Piano, Vehemenz und Zurücknahme in raffinierter Dynamik, stets äußerst exakt und „punktgenau“ hatte jede Variation ihren eigenen Charme und Ausdruck, und schließlich gipfelte alles in der präzise ausgearbeiteten Fuge mit strahlend schönen Bläsern, eine Reminiszenz an den von Reger sehr verehrten J. S. Bach. Sehr schöne Holz- und Blechbläser trugen zu einem faszinierenden Gesamteindruck bei, den man „authentisch“ nennen möchte.

Der zweite Teil galt “Don Quixote. Fantastische Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters“ (op. 35), von Richard Strauss auch als „Satyrspiel“ bezeichnet. Hier besteht die Verbindung zu Dresden in ganz anderer Art. Bei der Uraufführung 1898 in Köln musste für die Solopartie des Cellos, das den Don Quixote darstellt, der einstige Solocellist der Dresdner Kapelle geholt werden, der bis heute zu den großen Interpreten dieser Partie gehört. Norbert Anger, der jetzige Konzertmeister Cello der Kapelle dürfte ihm nicht nachgestanden haben. Er meisterte die sehr umfangreiche und anspruchsvolle Partie souverän, virtuos und ausdrucksstark, mit singendem oder energischem Ton, tänzerischen Ambitionen und verführerisch, je nach Situation der (später von Strauß zur Verdeutlichung unterlegten) Handlung. Ihm zur Seite verlieh Florian Richter mit besonders klangvollem Bratschenton der Figur des Sancho Panso Gestalt. Sehr schön auch die „sprechende“ Tuba und die zarte Oboe.

Hier bewegten sich Klangspektrum und Zeitmaß zwischen langsam und schnell, gemächlich und kriegerisch, mäßig und stürmisch, markant oder zart für die sehr unterschiedlichen Charaktere des Don Quixote, Sancho Pansa, Dulcinee oder die Windmühlen und Schafherde, die der Ritter von der traurigen Gestalt für eine herannahende Armee hielt. Pappano war nicht zum ersten Mal in Dresden, und man möchte hoffen, dass er bald wiederkommt, denn seine Interpretation der beiden Variationswerke hat Maßstäbe gesetzt.

Zwei Tage zuvor hatte der Cellist Norbert Anger einen „KAMMERABEND“, den 5. Kammerabend der Sächsischen Staatskapelle (4.4.) mitgestaltet. Ein Kammerabend im Programm der Strauss-Tagen ist ein Novum, das von den Musikern mit großer Freude aufgenommen wurde. Sie ergänzten und bereicherten es mit Raritäten: zwei Jugendwerken von Richard Strauss und einem Spätwerk von Max Reger. Während sich Regers kammermusikalisches Schaffen durch sein ganzes Leben hinzog, war es für Strauss, der sich damit die gesamte Entwicklung der neueren Musikgeschichte von Haydn und Mozart bis Brahms und Liszt individuell aneignete, eine Vorstufe für sein späteres Schaffen.

Wann hört man schon einmal Strauss’ Jugendwerke, die bereits sehr früh sein kompositorisches Talent erkennen lassen. Seine dreisätzige „Sonate für Violoncello und Klavier E‑Dur“ (op. 6) mit Esprit und Energie, die er im Gegensatz zu seinen anderen Kammermusikwerken mehrfach umarbeitete, weist auf eine Orientierung an Franz Schubert und die Großen der Romantik wie Mendelssohn und Schumann hin, und eine kleine Fuge verrät die Kunstfertigkeit des jungen Strauss. Norbert Anger und der Pianist Michael Schöch (als Gast) interpretierten sie mit der gleichen Ernsthaftigkeit wie eines der bedeutendsten Werke der Musikliteratur. Nach den ersten, energischen Takten am Klavier entfaltete sich eine sanfte Klangwirkung mit singendem Cello und dem gut mitgestaltenden Klavier, ein im besten Sinne des Wortes unterhaltsames Stück mit Niveau.

An Franz Schubert orientiert, erschien auch „Alphorn“, ein Lied für Singstimme, Horn und Klavier, das Strauss als Zwölfjähriger schrieb und seinem Vater, dem bekannten Solohornisten des Münchner Hoforchesters, widmete. Es erinnert in der Form an Franz Schuberts „Hirt auf dem Felsen“ und assoziierte eine glücklich singende Person in idyllischer Alpenlandschaft mit Alphornbläsern. Zoltán Mácsai blies das Horn sauber und klangschön, während man sich von Katerina von Bennigsen etwas mehr stimmliches Volumen und Nachdruck gewünscht hätte, um mit dem souveränen Horn mitzuhalten.

Max Regers Schaffen steht zwischen den Jahrhunderten. Sein „Quintett A‑Dur für Klarinette, zwei Violinen, Viola und Violoncello (op. 146), seine letzte Komposition, die er vor seinem frühen Tod noch vollendete, ist eine Homage an Mozart und weist schon in der Tonart A‑Dur (wie auch bei Mozart) auf eine „arkadische“ Idylle, die antike Sehnsuchtslandschaft hin, in der die Menschen im Einklang mit sich und der Natur friedvoll leben, aber auch mit den Zeichen der Endlichkeit und des Todes als stetiges Memento konfrontiert sind. In der Interpretation des Fritz-Busch-Quintetts der Staatskapelle mit Robert Oberaigner, Soloklarinettist der Kapelle, kam der lyrische Grundcharakter des Quintetts, diese Melancholie, zum Tragen, diese Sehnsucht des Komponisten nach dem, auch in Gemälden der Klassik und Romantik oft dargestellten, utopischen Land.

 

Neben den beiden Opern, Konzert und Kammermusik erfuhren die Richard-Strauss-Tage eine weitere Ergänzung und Bereicherung durch die Wiederaufführung des STUMMFILMS „DER ROSENKAVALIER“ (28.3.) von Robert Wiene aus dem Jahr 1916, der Richard Strauss’ berühmteste und bekannteste Oper in besonderem Licht erscheinen lässt. Der Film wurde 1926 in Dresden am Sächsischen Staatstheater unter der musikalischen Leitung von Richard Strauss uraufgeführt. Jetzt wurde die rekonstruierte Stummfilm- und Musikfassung mit Frank Strobel, Künstlerischer Leiter der Europäischen FilmPhilharmonie, am Pult und der Sächsischen Staatskapelle in der Semperoper gezeigt (23.3.).

Eine Bereicherung bedeuteten auch „LIEDER SEINES LEBENS“ in einer Lied-Matinee der Sopranistin Christiane Karg mit Gerold Huber am Klavier (31.3.).

Ergänzend wurde außerdem „Die Zauberflöte“ in das Programm der Richard-Stauss-Tage (31.3., 3.4., 7.4.) integriert, da Beziehungen zwischen Opern von Strauss und Mozart bestehen, wie der Schweizer Musikwissenschaftler Laurenz Lütteken in seinem Vortrag zur Eröffnung der Strauss-Tage „Die Zauberflöte und die Frau ohne Schatten“ (27.3.) ausführte.

Ingrid Gerk

 

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