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DRESDEN/ Semperoper: „4. AUFFÜHRUNGSABEND“ DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN

15.07.2023 | Konzert/Liederabende

 Dresden/Semperoper:  „4. AUFFÜHRUNGSABEND“ DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – 14.7.2023

Für einen Cellisten gilt als besonderes Lob, wenn sein Cello zu „singen“ beginnt, aber kann das auch ein Kontrabass? Wann hört man schon einmal einen Kontrabass solo? Solo-Literatur für dieses Instrument ist sehr selten, und im Orchester fällt der Kontrabass trotz seiner Bedeutung für die Klangfarbe meist mehr wegen seiner Größe als wegen seines Klanges auf.

Im vierten und letzten Aufführungsabend der Sächsischen Staatskapelle, einem Konzert, bei dem die Kapellmitglieder im Rahmen einer Selbstverpflichtung des 1854 gegründeten Dresdner Tonkünstlervereins freiwillig und nur durch ein symbolisches „Frackgeld“ „entlohnt“ auftreten, rückte der Kontrabass einmal aus seiner als selbstverständlich betrachteten Position ins Rampenlicht.

Andreas Ehelebe, 29 Jahre jung und seit 2020 Solokontrabassist der Sächsischen Staatskapelle, überraschte mit dem „Kontrabasskonzert Nr. 2 h‑Moll“ von Giovanni Bottesini (1821-1889), dem „Paganini des Kontrabasses“, der nur zufällig zu diesem Instrument fand, dann aber mit seinem dreisaitigen Bass von Testore, den er für das Preisgeld seines bereits 18jährig abgelegten Examens erwarb, als Kontrabass-Virtuose die halbe Welt bereiste, bei der Uraufführung von Verdis “Aida” das Opernorchester in Kairo leitete, zusammen mit Berlioz bei der Pariser Weltausstellung 1855 als Dirigent auftrat und für das Opernhaus in Havanna seine erste von rund 20 Opern komponierte.

Seine Konzerte für Kontrabass und Orchester sind weniger substanzreich als die berühmten Solokonzerte der großen Meister, bieten aber mit einem sehr anspruchsvollenSolopart und allen Raffinessen ähnlich denen von Violin- oder Cellokonzerten, dem Solisten reichlich Gelegenheit, sein Können zu präsentieren. Ehelebe meisterte nicht nur souverän den Solopart, der alle Möglichkeiten dieses Instrumentes, einschließlich aller möglichen virtuosen Details, wie (sehr) schnellen Läufen, Doppelgriffen, Flageolett u. a. in der gesamten Tonskala auslotete, er ließ dabei den Kontrabass mit warmem Ton und schöner Phrasierung singen und klingen und sorgte mit seinem, meist im Schatten stehenden, Instrument für eine große Überraschung und einen außergewöhnlichen Hörgenuss. Seine Orchesterkollegen ließen ihm den Vorzug und begleiteten zurückhaltend und mit zartem Pianissimo.

Eröffnet wurde der Abend mit „Appalachen Spring. eines von Aaron Coplands meist gespielten Stücken. Er schrieb die achtsätzige Suite für Orchester nach einer Ballettmusik, einem Auftragswerk für eine Tanzkompanie (Fassung von 1945). Fernab vom damals aktuellen Kriegsgeschehen orientiert er darin anhand einer Geschichte vom Neuanfang junger Siedler in den Appalachen auf die Rückbesinnung eines einfachen ländlichen Leben und die amerikanischen Werte, was die Menschen damals zum Kriegsende auch brauchten. Ausdrucksvoll unterstreicht er die Wirkung der Tänze, die auch in der Suite enthalten sind, und schildert in den Zwischenspielen die ländliche Idylle in frappierend bildhafter Musiksprache, mit volkstümlichen Melodien und dem, von der Klarinette angeführten, Kirchenlied „Simple Gifts“, das in dieser Bearbeitung zu einer der populärsten Melodien avancierte.

Am Pult stand der junge, in Berlin lebende, amerikanische Dirigent Roderick Cox, der bereits bei namhaften amerikanischen und europäischen Orchestern debütierte und als Dirigent Opern an zwei amerikanischen Opernhäusern leitete. Er hatte das richtige Gespür für das Werk. Mit elegantem Dirigierstil und sparsamen, zielgerichteten Gesten inspirierte er das Orchester zu einer ausgewogenen, fantasiereichen Wiedergabe und ließ plastisch-tonmalerisch die Weite der nordamerikanischen Landschaft entstehen, die unwillkürlich auch ein wenig an die amerikanischen Filme dieses Genres denken ließ.

Mit der Leichtigkeit einer sommerlichen Serenade und der Ernsthaftigkeit, die Johannes Brahms eigen ist, beschloss seine „Serenade Nr. 2 A‑Dur“ (op. 16) den Aufführungsabend und damit endgültig die Konzertsaison der Sächsischen Staatskapelle. Wie auch ihr Schwesterwerk, die „Serenade Nr. 1“, die im 1. Aufführungsabend (22.12.2022) erklang, ist sie ein Resultat von Brahms’ intensiver Beschäftigung mit den Bläserserenaden Mozarts, den Sinfonien Haydns und den Fugen Bachs, bevor er sich an seine erste Sinfonie wagte.

Mit einem sehr transparenten Klangbild und sehr guter Balance zwischen vital, heiter und anspruchsvoll, nicht zu schnell, aber zügig und mitreißend und mit sehr guten Bläsern, feinsinniger Flöte und klangvollen tiefen Streichern – die hohen Streichen kommen hier nicht vor – kam Brahms’ geniale Komposition zur Geltung – ein sehr schöner, leicht beschwingter Abschluss der Konzertsaison. Vielleicht fehlte noch ein wenig innere Spannkraft und Dramatik, aber im Rahmen des hochsommerlichen Wetters, in Erwartung der Urlaubszeit und auch wegen allgemeiner „Erschöpfung“ des Publikums infolge lang anhaltenden Hitze war die Betonug der leichteren Seite durchaus zu akzeptieren.

Ingrid Gerk

 

 

 

 

 

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