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DRESDEN/ Semperoper/ WIEN/ Musikverein: ZWEI KONZERTE DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE UNTER THIELEMANN – mit Netrebko, Bronfman

10.06.2016 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper, Wien/ Großer Musikvereinssaal: ZWEI KONZERTE DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN UNTER CHRISTIAN THIELEMANN – MIT ANNA NETREBKO, YEFIM BRONFMANN UND NIKOLAJ ZNAIDER – 5.6. und 9.6.2016

Auf ihrer kleinen, aber feinen Tournee nach Wien und Wiesbaden gab die Sächsische Staatskapelle Dresden unter ihrem Chefdirigenten Christian Thielemann u. a. zwei Konzerte im Großen Musikvereinssaal in Wien, das erste (8.6.) mit Ludwig van Beethovens “Violinkonzert D‑Dur“ (op. 61), Solist: Nikolaj Znaider, „Variationen und Fuge über ein Thema von Mozart“ (op. 132) von Max Reger – anlässlich seines 100. Todestages – und die Sinfonische Dichtung “ Till Eulenspiegels lustige Streiche (op. 28) von Richard Strauss.

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Schon vorher konnten die Dresdner das Programm im 11. Symphoniekonzert der Staatskapelle (05.6.) in der Semperoper erleben, das hier näher besprochen werden soll.

Nikolaj Znaider, ein gern gesehener Gast bei Orchester und Publikum, spielte Ludwig van Beethovens “Violinkonzert“ mit sowohl herzhaft kraftvollem Strich, als auch sensibel nachempfundenen Passagen, immer klar, sachlich und mit „kernigem“, aber nie hartem Ton und kleinen Feinheiten wie u. a. einem langen, feinen Triller und einer virtuos und mit Faszination gespielten Kadenz. So ganz nebenbei machte er „unauffällig“ auch ein bisschen „auf Show“, was meist gut ankommt und üblich, bei seinen Qualitäten aber eigentlich nicht nötig ist.

Die Kapellmitglieder hatten das Violinkonzert äußerst feinsinnig eingeleitet und auf den Solopart eingestimmt. Sie widmeten sich mit Herz und Seele und verhaltener Leidenschaft diesem Konzert und warteten ihrerseits mit sehr schönen, vielschichtigen Klängen auf. Es war ein Genuss zuzuhören, wie sich Solist und Orchester gegenseitig ergänzten und mit schöner Selbstverständlichkeit das Werk zu voller Entfaltung brachten. Man kennt es in den verschiedensten Interpretationen, hatte aber hier den Eindruck, dass es so und nicht anders gespielt werden sollte.

Als Zugabe wählte Znaider beim 11. Symphoniekonzert einmal nicht die „Sarabande“ aus der „Suite Nr. II“ von J. S. Bach, „weil alle immer das Gleiche spielen“, wie er heiter betonte, sondern aus der „Suite Nr. I“, mit herzhaftem und doch geschmeidigem Strich und mit fast romantischer Hingabe. Mit singendem Ton „flossen“ die einzelnen Stimmen in polyphoner Manier klar und sehr „durchsichtig“ mit- und gegeneinander. Thielemann applaudierte ihm  nicht nur nach dem Konzert, sondern hörte sich auch seine Zugabe interessiert an.

Mit „Variationen und Fuge über ein Thema von Mozart“ (op. 132) wurde Max Regers 100. Todestag gedacht. Reger liebte Mozart und empfand J. S. Bach als sein großes Vorbild. In den „Variationen“ huldigte er beiden. Er verarbeitete Mozarts Thema unter dem Einfluss von Bachs Kompositionsweise, einschließlich Fuge. In Thielemanns Interpretation – immer mit Blick auf das gesamte Werk – wurde beides sehr deutlich herausgearbeitet.

Bei dieser wohl durchdachten Wiedergabe „lugte“ Mozarts Thema in jeder der sehr unterschiedlich gestalteten Variationen, umrankt und umspielt oder großzügig aus- und umgearbeitet, immer wieder hervor, entsprechend differenziert, in unterschiedlicher Intensität und gut abgestimmter Lautstärke. Bei einer witzig „getupften“ Variation verließ sich Thielemann ganz auf das Orchester und hielt sich mit dem Dirigieren zurück. Trotz beinahe überbordender Steigerung der Variationen bis ins „Gigantische“ und einem strahlenden Höhepunkt mit vollem Orchester blieb die gesamte Wiedergabe stets transparent und jede Variation ein Teil der grandiosen Gestaltung des gesamten  Werkes.

Ein Thema ganz anderer Art, das des Till Eulenspiegel, als der sich Richard Strauss möglicherweise selbst gesehen hat, „geistert“ in seiner Sinfonischen Dichtung “ Till Eulenspiegels lustige Streiche; nach alter Schelmenweise in Rondeauform; für großes Orchester gesetzt (op. 28) immer wieder durch die derben, schockierenden Streiche des Schalks und die daraufhin empörten Bürger – mitunter auch entsprechend lärmend dargestellt – für den umso fröhlicher immer wieder davon eilenden Eulenspiegel – bis ihn der Tod durch den Henker ereilt.

 

Zu dem 2. Konzert in Wien (9.6.) mit Star-Sopranistin Anna Netrebko war viel Prominenz im Publikum erschienen, u. a. der der Kapelle eng verbundene Pianist Rudolf Buchbinder.

Ein anderer, der Kapelle ebenfalls sehr eng verbundener Pianist und derzeit Capell-Virtuos, Yefim Bronfmann, eröffnete den Abend mit Beethovens „3. Klavierkonzert c‑Moll“ (op. 37) mit intensivem Werkverständnis, „perlendem“ Spiel und feinsinnigem, auch kraftvollem, aber immer maßvoll differenzierendem und vor allem klingendem Anschlag, der jetzt leider bei den jüngeren Pianisten immer seltener wird. Die Kapelle bot ihm volle Entfaltungsmöglichkeiten bis hin zum gemeinsamen grandiosen Abschluss in einer sukzessiven Steigerung. Es war Beethoven par excellence.

Vom Wiener Publikum mit herzlichem Applaus empfangen und danach stürmisch gefeiert, bedankte sich Bronfmann seinerseits mit meditativen, lyrisch schwebenden Klängen in spätromantischer Manier.

Im Zentrum des Konzertes standen die „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss mit der sehr vielseitigen Anna Netrebko, die dabei ist, sich sehr viele musikalische Stilrichtungen zu erschließen und erst kürzlich mit ihrem Wagner-Debüt als „Lohengrin“-Elsa in der Semperoper Furore machte. Mit großer Opernstimme besang sie den „Frühling“ und steigerte sich mit mehr und mehr zurücknehmender Stimme in „September“ und „Beim Schlafengehen“ bis zu „Im Abendrot“ immer weiter in die Strauss’sche Mentalität und den besonderen Klangcharakter, der für sie verständlicherweise (noch) nicht leicht nachzuempfindenden ist.

Zum unumstrittenen Höhepunkt des Abends wurden „Till Eulenspiegels lustige Streiche“, die im Wiener Musikverein noch eine intensivere Klangwirkung erfuhren als in Dresden, möglicherweise wegen der unterschiedlichen Akustik der beiden Häuser. Dank seiner akribisch intensiven Wiedergabe brachte Thielemann das Werk mit der Kapelle ausgesprochen plastisch, exakt und klangschön zur Wirkung, wozu auch die besonders schönen Soli vom Horn („Till-Thema“) und weiteren Bläsern beitrugen. Die „Handlung“ bzw.  das von Strauss selbst seiner Partitur unterlegte, dem Publikum aber unbekannte, Programm war unmittelbar nachvollziehbar, ernst und heiter, klagend und fröhlich und alles mit großer Spannung. Schließlich konnte man im Kontrast von harten Schlägen und einer dazwischen wehmütig klagenden Stimme miterleben, wie den „Helden“ der Tod durch den Henker ereilt.

Mit dieser Wiedergabe bestätigte die sächsischen Staatskapelle unter Thielemann einmal mehr ihren guten Ruf als exzellentes „Strauss-Orchester“, weshalb beide, insbesondere aber Thielemann euphorisch gefeiert wurden.

Ingrid Gerk

 

 

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