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DRESDEN/Semperoper: WIEDERAUFNAHME DES KLASSISCHEN „DORNRÖSCHEN“-BALLETTS VON AARON S. WATRKIN IN EINER ADAPTION VON MARCELO GOMES

17.02.2024 | Ballett/Performance
Dresden/Semperoper: WIEDERAUFNAHME DES KLASSISCHEN „DORNRÖSCHEN“-BALLETTS VON AARON S. WATRKIN IN EINER ADAPTION VON MARCELO GOMES – 16.2.2024

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Foto: Jubal Battisti

Der verdienstvolle, langjährige Direktor des Semperoper Balletts Dresden, Aaron S. Watkin, verabschiedete sich mit Ende der Spielzeit 2022/2023 von seiner Dresdner Company, um in London die Stelle des künstlerischen Leiters des English National Ballet zu übernehmen. An der Semperoper hinterließ er unter anderem mehrere abendfüllende Ballett-Inszenierungen, darunter „La Bayadère“, die kurz nach seinem Weggang noch mehrmals vor ausverkauftem Haus lief, und die märchenhafte Inszenierung von „Dornröschen“ in der Tradition des legendären Marius Petipa (2007), die jetzt in einer Adaption von Marcelo Gomes, dem derzeitigen Künstlerischen Leiter des Semperoper Balletts, wieder aufgenommen wurde (9.2.2023).

Er rückt die Entwicklung der Titelfigur von der Taufe im Schutz guter Feen und dem plötzlichen, mit ihren Gefährten und ihrem Fluch hereinbrechenden, bösen Fee Carabosse und danach als sorgsam von ihren königlichen Eltern (Carola Schwab und Hannes-Detlef Vogel) bis zu ihrem 16. Geburtstag wohlbehütetes Kind in den Fokus, das beim Erwachen (nach hundert Jahren Schlaf aufgrund des Fluches) als junge Frau durch den Liebeskuss des Prinzen erweckt wird. Er begegnet ihr zunächst zufällig auf der Jagd mit seinen Gefährten wie in einer Vision, dann konkret . Gegen die wuchtige Dornenhecke muss er jetzt nicht mehr kämpfen, er gewinnt Dornröschen durch Seelenverwandtschaft.

Durch Hinzufügen einzelner Nuancen seiner ästhetischen Betrachtungsweise ergänzt und erweitert Gomes die Handlung, ohne äußerlich wahrzunehmenden Stilbruch der Watkin-Inszenierung. Die zahlreichen Tanzdarbietungen der Besucher aus exotischen Ländern, die den Tänzerinnen und Tänzen Gelegenheit zu großartigen Leistungen boten, wurden gekürzt, dennoch entstand ein sehr ansprechender Ballettabend in einem Prolog und drei Akten.

Mit der modifizierten Handlung wurde auch die Bühnendekoration (Bühnenbild & Video: Arne Walther) zum Teil, insbesondere im 2. Akt, verändert, aber immer im Stil der ursprünglichen Inszenierung. Im Zusammenwirken mit den farbenprächtigen Kostümen in traditioneller märchenhaft-barocker Gestaltung (Erik Västhed) und der Beleuchtung (Jan Seeger) entstehen oft Bilder wie aus einem Gemälde von Watteau.

In mehreren Vorstellungen tanzen die Mitglieder des Semperoper Ballett Dresden und Gäste in wechselnden Besetzungen, erstmals auch Studierende der Palucca Hochschule für Tanz Dresden und Teilnehmende des Elevenprogrammes in Kooperation mit der Hochschule. Mitglieder der Komparserie ergänzen die Szenen.

An diesem Abend gab es zahlreiche Rollendebüts in den Hauptpartien: Chiara Scarrone brillierte als zarte, äußerst grazile, anmutige Prinzessin Aurora. Ihre super schlanken Beine schienen – fast ausschließlich auf Spitze – nur andeutungsweise den Boden auf Zehenspitzen zu berühren. Sie schwebte als wirklich junges, argloses Mädchen mit schönen Figuren in eleganter, ästhetischer Körperhaltung über die Bühne und ließ die Schwierigkeiten ihrer Partie vergessen. Für schöne Hebefiguren mit ihr und guten Sprüngen sorgte Alejandro Azorin als Prinz Florimund. Sehr überzeugend, sehr viel auf Sitze, elegant und ästhetisch tanzte auch Duosi Zhu die Fliederfee, die hier eine Art Schicksal in Liebesdingen darstellt. Kraftvoll und dynamisch verkörperte Raquel Martienez die Carabosse als Inkarnation des Bösen.

Unter den vielen guten Leistungen der Tänzerinnen und Tänzer der zahlreichen weiteren Rollen, bei denen es ebenfalls zahlreiche Rollendebüts gab, fielen vor allem im „Prolog“ die vier guten Feen (SeoHyeon Jeong, Jenny Laudadio, Swanica Luong, Yo Nakajima), ihre Begleiter (Arthur Henderson, Joseph Gray, Skyler Maxey Wert, Carl Becker) und die Eskorte der Carabosse (Richard House, Javier Becerra Cubero, Pablo Gonzáles Martínez, Vincenco Mola) auf, im 1. Akt die vier königlichen Freier (Lorenzo Alberti, Anthony Bachelier, Kristóf Kovács, Anicet Marandel) und im glanzvoll-festlichen 3. Akt in einem Großaufgebot an Tänzerinnen und Tänzern vor allem der Blaue Vogel von Anthony Bachelier, der anstelle seines bisherigen Blauen-Vogel-Bruders jetzt ein „Vogelweibchen“ als Parernerin hat, mit seinen ungewöhnlich zackigen Bewegungen, die einen exotischen Vogel verblüffend ähnlich assoziieren.

Sie alle tanzten perfekt und graziös, solo oder in völlig synchronen Gruppen-Formationen, viel auf Spitze, mit guten Sprüngen und auf schwebende Leichtigkeit und „Passgenauigkeit“ mit der Musik von Pjotr I. Tschaikowsky bedacht, die jedoch von Mitgliedern der Sächsischen Staatskapelle Dresden zwar mitunter in klangvollen Details, aber unter der Leitung von Benjamin Pope vorwiegend laut, kaum differenziert und nicht immer tänzerfreundlich aus dem Orchestergraben kam.

Ungeachtet dessen bildeten die Leistungen der Tänzerinnen und Tänzer, Bühnenbild, Kostüme und Beleuchtung eine harmonische Einheit für einen sehr ansprechenden, entpannenden, familienfreundlichen Ballettabend.

Ingrid Gerk

 

 

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