Dresden / Semperoper: VORGEZOGENES SILVESTERKONZERT MIT ANNA NETREBKO UND JUAN DIEGO FLOREZ – 28.12.2014
Das Silvesterkonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden mit Christian Thielemann am Dirigentenpult, das sich zu einer schönen Tradition entwickelt hat, wurde in diesem Jahr, wo es zum 5. Mal in Folge stattfand, 3 Tage vorverlegt – aus welchen Gründen auch immer. Anna Netrebko zauberte aber auch zu diesem Termin eine ausgelassene Silvesterstimmung, wie sie temperamentvoller nicht sein konnte, auf die mit wenigen Mitteln geschickt zum glamourösen Ballsaal „umfunktionierte“ Bühne der Semperoper. Eine von den vielen Konzert-Kulissen, zwei Kronleuchter, ein Riesenspiegel, der Chor in Abendrobe und entsprechende Beleuchtung, und schon konnte man sich in einen Ballsaal der oberen Zehntausend zwischen Anfang des 20. Jh. und dem 21. Jh. versetzt fühlen. Auf dem Programm stand Emmerich Kálmans „Csárdásfürstin“ als konzertante Aufführung (ohne Dialoge), eine Koproduktion mit dem ZDF. Da jagte ein Ohrwurm den anderen, und die Zeit wurde im doppelten Sinne verkürzt.
Anna Netrebko ist eine Vollblutsängerin und Schauspielerin. Alles, was sie macht, macht sie voll und ganz. Da fiel ihr akzentbehaftetes Deutsch nicht weiter ins Gewicht. Schließlich verkörperte sie doch in der Operette die ausländische, d. h. rumänische Csárdás-„Königin“ Sylva Varescu. Sie sang, tanzte – auch (fast) Cancan, „mimte“ eine (mit alten Klischees behaftete) Diva und war letzten Endes mit ihrem Gesang eine moderne, sehr niveauvolle, gegenwärtige „Diva“, die mit ihrer Stimme nicht nur den Raum füllte, sondern auch alles in ihren Bann zog und im positiven Sinne als Titelheldin dominierte. Ungewollt stellte sie alles um sich her in den Schatten, zog aber auch alles mit hinein in ihre ausgelassene Spiel- und Sangesfreude.
Juan Diego Florez konnte da als Adelsspross Edwin Roland von und zu Lippert-Weylersheim nicht nur mithalten, sondern faszinierte mit seiner makellosen Höhe und unvergleichlichem „Schmelz“ in der Stimme. Er ist ebenfalls ein Vollblutkünstler, der die Herzen mit seinem Gesang „schmelzen“ lässt. Äußerlich blieb er ruhiger, hatte aber Temperament und viel Seele in der Stimme.
Da hatten es Christina Landshammer und die übrigen Sänger nicht leicht, aber sie taten ihr Möglichstes und konnten ebenfalls überzeugen. Christina Landshammer war eine nette, zierliche Komtesse Stasi mit sehr klarem, ansprechendem Gesang, Pavol Breslik ein entsprechender Graf Boni, Sebastian Wartig ein hoffnungsvoller Feri, Bernd Zettisch ein stattlicher Fürst Leopold Maria und Holger Steinert (Mitglied des Sächsischen Staatsopernchores) der Notar. Der Sächsische Staatsopernchor in der Einstudierung von Wolfram Tetzner ergänzte das Sängerensemble sehr stilvoll, und natürlich waren Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle nicht nur das tragende Fundament, sondern vor allem auch Impulsgeber.
Es war ein „Silvesterabend“, den man selbst am ungewöhnlichen Datum oder gerade auch deshalb nicht so leicht vergisst, was auch die Fernsehzuschauer bei der anschließenden Übertragung so ähnlich empfunden haben mögen.
Ingrid Gerk