Dresden/Semperoper: SVETLANA GILEVA ALS TEMPELTÄNZERIN IN „LA BAYADÈRE“. BALLETT – 26.2.2023
Nur einmal in der, fünf Abende umfassenden, Abschluss-Serie von „La Bayadère“ mit der Choreografie von Aaron S. Watkin, der das Semperoper Ballett nach 16 Jahren erfolgreicher Leitung verlassen wird, um die Künstlerische Leitung und Direktion des English National Ballet zu übernehmen, tanzte die Erste Solistin des Semperoper Ballett, Svetlana Gileva, die unglücklich in den edlen Krieger Solor verliebte Tempeltänzerin Nikija, die einem Giftmord durch ihre Kontrahentin Hamsatti zum Opfer fällt und ihrem Geliebten im Opiumrausch in einem „Weißen Bild“ 18fach vervielfältigt erscheint.
Ihre tänzerischen Leistungen waren atemberaubend. Mit graziler Anmut und großer Ausdrucksstärke reihte sie eine schwierige Figur in genialer Kombination an die andere, war fast ständig auf der Bühne präsent und steigerte sich in bewundernswerter Weise kontinuierlich vom ersten bis zum vierten und letzten Bild des 2. Aktes, das in einer ausdrucksstarken Hebefigur mit Gareth Haw gipfelte. Haw, der vor einigen Tagen (17.2.) bereits bei seinem Rollen-Debüt als Solor mit hohen, weiten Sprüngen auf sich aufmerksam machte, steigerte sich hier grandios in seine Rolle hinein, so dass er alles bisher Gesehene übertraf. Er schien bei seinen kraftvollen, besonders hohen und weiten Sprüngen mit scheinbarer Leichtigkeit quasi „durch die Luft zu fliegen“, absolvierte mühelos alle Schwierigkeiten aufeinanderfolgender Figuren und Sprüngen in Serie in ineinander übergehenden Kombinationen eine „aus einem Guss“ in edler Körperhaltung und mit starkem Ausdruck.
Der Dritten im Bunde verlieh Aidan Gibson als Hamsatti die Spitzenleistungen und außergewöhnliche Anmut, die glauben machte, dass sich Solor, von ihr berauscht, in sie verliebt und seine Nikija vorübergehend vergisst.
Auch Christian Bauch erschien als Brahmane noch ein- und eindrucksvoller als bisher. Als Goldenes Idol zeigte Rodrtigo Pinto ausgefallene, vom Publikum bejubelte Tanzkünste. Alejandro Azorin überzeugte bei seinem Debüt als unterwürfiger oberster Fakir und Johannes Goldbach bei dem seinen als Freund des Solor, so wie auch Hannes-Detlef Vogel (als Gast) und Carola Schwab als Hamsattis wohlhabende Eltern, der Radscha von Colconda mit seiner Gemahlin.
Nicht nur als beliebtes „Weißes Bild“ (ähnlich „Schwanensee“) bestach das „Königreich der Schatten“ (2. Akt), sondern auch und vor allem durch die hohen tänzerischen Leistungen von Haria Ghironi, Susana Santoro und’Kanako Fujimoto, die solistisch mit Anmut und Grazie ihr Können zeigten, sondern auch die 18 „Doubles“ für Nikija vom Corps de Ballet die alle verdienten, namentlich genannt zu werden, denn eine wie die andere zeigte Spitzenleistungen im wahrsten Sinne des Wortes, wenn eine nach der anderen bei Vollmond in gleicher anspruchsvoller Pose aus dem Wald hervorkommen und danach gemeinsam auf der Walslichtung Gruppenbilder in exakten Formationen zeigen, die mitunter so synchron erscheinen, als würde nur eine einzelne perfekte Tänzerin vielfach gespiegelt.
Dafür erhielten sie zu Recht Szenenapplaus, der auch den Solisten, nach besonderen Sprungserien, anspruchsvollsten Passagen und einer perfekten, anmutigen und ausdrucksstarken Hebefigur zuteil wurde. Was das Dresdener Ballett so besonders macht, sind nicht nur die unentwegt fließend ineinander übergehenden tänzerischen Schwierigkeiten, sondern auch die immer präsente Anmut und Grazie bis in die Finger- bzw. Zehenspitzen, womit alles leicht und ästhetisch erscheint, was schwer zu machen ist.
Die Sächsische Staatskapelle Dresden widmete sich unter der Leitung von Tom Selig man hingebungsvoll und ausdrucksstark der Musik von Ludwig Minus zur Untermalung der märchenhaften Handlung und Szenerie in den farbenfrohen, märchenhaften Bühnenbilder von Arne Walther. Das sanfte Violinsolo von Jörg Faymann und das faszinierend singende, gefühlvolle Cello-Solo von Norbert Anger unterstrichen in eindrucksvoller Weise die im Tanz ausgedrückten Emotionen der Protagonisten.
Die fünf, sehr anspruchsvollen Aufführungen erfuhren eine ständige künstlerische Steigerung, umso bedauerlicher, dass sie nun endgültig zu Ende gehen. Sie waren bereits im Vorfeld restlos ausverkauft, und das Publikum bemühte sich abends noch um die Stehplätze. Bleibt zu hoffen, dass vielleicht die eine oder andere Produktion Watkins als Live-Übertragung aus London im Kino erscheint.
Ingrid Gerk