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DRESDEN/ Semperoper: SONDERKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT VILDE FRANG UND HERBERT BLOMSTEDT

15.05.2021 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper:  SONDERKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT VILDE FRANG UND HERBERT BLOMSTEDT – 14.5.2021

Dresden, Dresdner Staatskapelle, 4. Symphoniekonzert – Beethoven, Dvorák,  IOCO Kritik, 19.12.2018 : IOCO Kultur im Netz Das Klassik Portal für Oper,  Ballett, Operette und Musical
Vilde Frang. Foto: Oliver Killig

Endlich wieder ein Lebenszeichen von der Sächsischen Staatskapelle Dresden! Nach dem 7. und 9. Symphoniekonzert wurde nun auch ein „Sonderkonzert“ mit Herbert Blomstedt am Pult und Vilde Frang als Solistin in der Semperoper – pandemiebedingt ohne Publikum – aufgezeichnet (12.5.2021) und als Rundfunkproduktion (DLF Kultur, MDR Kultur und MDR Klassik) gesendet (14.5.), sehr zur Freude der zahlreichen Musikliebhaber und Freunde der Sächsischen Staatskapelle, die am Schicksal dieses Orchesters regen Anteil nehmen und bestürzt sind, dass der 2023/24 auslaufende Vertrag mit Chefdirigent Christian Thielemann seitens der Sächsischen Landesregierung (Ministerpräsident, Kulturministerin) in administrativer Entscheidung, ohne die übliche Rücksprache mit dem Orchestervorstand (er wurde nur vor Bekanntgabe informiert) und dem, seit Generationen üblichen Vorschlag des Orchesters, nicht verlängert wird.

Mag es auch Unstimmigkeiten mit dem Intendanten gegeben haben, eine künstlerische Persönlichkeit wie Christian Thielemann lässt man nicht einfach gehen oder schickt ihn gar weg, zumal ihm bisher in seiner Eigenschaft als Chefdirigent der Staatskapelle großartige Akzente und wahre Sternstunden der Musik zu verdanken waren und auch weiterhin zu erwarten sind.

Man denke dabei nur an die sensationelle, international viel beachtete, „Lohengrin“-Aufführung mit Anna Netrebko und Piotr Beczała, den „Ring“, zu dem die Besucher aus aller Welt herbeiströmten, die hervorragende „Freischütz“-Produktion und vieles andere mehr. Die neuerliche, von ihm  musikalisch hervorragend geleitete „Capriccio“-Premiere (ohne Publikum), der Anton-Bruckner- und der Robert-Schumann-Zyklus, die zahlreichen glanzvollen Symphoniekonzerte, u. a. mit Werken von Richard Strauß, wo er wie kein anderer die Werke dieses Komponisten auszuloten verstand, seine mit Superlativen bedachten Gastkonzerte während der internationalen Tourneen mit der Staatskapelle in den Musikmetropolen der Welt als Botschafter der Landeshauptstadt Dresden und vieles andere mehr waren Höhepunkte seiner sehr erfolgreichen Tätigkeit.

Es war ein Glücksfall, dass Thielemann mit seinem weltweit geachteten Profil mit Beginn der Spielzeit 2012/13 nach Dresden kam und nun eine schmerzliche, mehr als enttäuschende Entscheidung, dass sein Vertrag ab 2024/25 nicht verlängert wird, eine Entscheidung, deren Ausmaß erst erkannt werden wird, wenn sie unumkehrbar und der Verlust gravierend sein wird. Will man sich denn den Weg für weitere großartige Ereignisse, die in besonderem Maße auch für das internationale Ansehen der Stadt Dresden sorgen, in Zukunft verbauen? Will Dresden im internationalen Ranking nicht mehr mitspielen?

Soll Dresdens Musikkultur und damit der weltweit gute Ruf der Landeshauptstadt gänzlich im „allgemein Üblichen“ versinken, in dem, was man dann überall finden wird? Den Weg der Modernisierung und Innovation beschreiten seit mehr als 50 Jahren schon so ziemlich alle Opernhäuser mit mehr oder weniger Erfolg. Man sollte auch die Reaktionen des internationalen Publikums im Auge behalten. Kunst lebt von Vielfalt. Die Entwicklung verläuft nicht linear und auch nicht immer so, wie geplant. Das bedeutet erfahrungsgemäß, dass in absehbarer Zeit das Besondere und Einmalige gefragt sein wird. Wenn man genau hinschaut, deutet sich das vor allem bei den (nicht an einem Theater oder Opernhaus beschäftigten) Jugendlichen, die man so gern in den Opernhäusern haben möchte, bereits an.

Die Semperoper hat wie nur noch wenige große Opernhäuser ein Alleinstellungsmerkmal. Wäre da nicht die Bewahrung einer progressiven Tradition, wie sie von Carl Maria von Weber, Richard Wagner, Richard Strauss usw. an diesem Haus begründet wurde und auch jetzt von der musikalischen Welt erwartet wird, nicht der geeignetere Weg? Die Semperoper kann mit drei, sehr bedeutenden „Pfunden wuchern“, dem im historischen Stil wiederhergestellten Opernhaus, ihrem bedeutenden Ruf aus der Vergangenheit und der Sächsischen Staatskapelle mit einem international renommierten Chefdirigenten. Eine solche Chance sollte man nicht verschenken.

Seien die Zwistigkeiten an der Semperoper wie sie seien, und haben gegenwärtig auch Stardirigenten keinen Sonderbonus mehr wie früher (im Gegensatz zu anderen „Berufsgruppen“), wäre es in einem solchen Fall nicht angeraten und gerechtfertigt, „ein Auge zuzudrücken“ und großzügig zu sein, Konflikte einvernehmlich und ohne hartherzige Trennungen zu lösen? Wirklich große Kunst lässt sich nicht in Schubladen zwängen, auch nicht in rationelle oder finanzielle. Sie lebt von der Wechselwirkung zwischen Künstlern und Publikum, für das die Kunst eigentlich da sein sollte, und die viele Menschen zum Leben einfach brauchen.

Dresden, Semperoper, Gustav-Mahler-Jugendorchester mit Herbert Blomstedt,  IOCO Kritik, 03.09.2019 : IOCO Kultur im Netz Das Klassik Portal für Oper,  Ballett, Operette und Musical
Herbert Blomstedt. Foto:Matthias Creutziger

Doch nun zurück zum Sonderkonzert mit Herbert Blomstedt. Er ist der Kapelle, die er von 1975 bis 1985 als Chefdirigent leitete, sehr verbunden und treu geblieben. Sehr zur Freude des Publikums kehrt er immer wieder gern ans Pult der Kapelle zurück (ob das ein Christian Thielemann, wie es sich die Kulturministerin vorstellt, nach einer solchen Trennung später auch tun würde, dürfte sehr fraglich sein).

Der unermüdliche, nunmehr 93jährige Ehrendirigent der Staatskapelle, der auch Ehrendirigent zahlreicher weiterer Orchester ist und in wenigen Wochen 94 (!) wird, leitete das Konzert mit ungeheurer Spannkraft (im Stehen), äußerst fit und mit Übersicht. Mit einem Programm, das ausschließlich Werke von Wolfgang Amadeus Mozart enthielt, erfreute er seine alten und neuen Freunde und treue Enthusiasten.

Er begann mit der „Sinfonie C‑Dur“ (KV 385), der „Haffner-Sinfonie“, die Mozart ursprünglich als Serenade“ anlässlich der Verleihung des Adelstitels an den Humanisten und Sohn des Salzburger Bürgermeisters Sigmund Haffner, mit dem Mozart in freundschaftlicher Beziehung stand und für dessen Tochter er zur Hochzeit die bekannte „Haffner-Serenade“ (KV 250) geschrieben hatte, komponierte und die er später für seine Wiener Akademie umarbeitete. Zunächst ließ Blomstedt diese heitere „Gebrauchsmusik, deren Bedeutung weit über den ursprünglichen Anlass hinausreicht, in beschaulichem Tempo leicht und fröhlich nuancenreich zur Geltung kommen, bis sie einem temperamentvollen Höhepunkt zustrebte, bei dem ihm die Kapellmusiker mit ihren Qualitäten sehr entgegenkamen und sich beide Seiten in ihrer Liebe zu Mozart begegneten und gegenseitig inspirierten.

Blomstedts Dirigate sind immer geleitet von unvoreingenommener Musikempfindung und Natürlichkeit. Völlig uneitel widmet er sich ausschließlich dem Werk. Seine Bescheidenheit ist legendär und seine geistvolle Art beliebt. Sein Arbeitsethos begeistert auch die norwegische Geigerin Vilde Frang, die Solistin in Mozarts „Violinkonzert A‑Dur“ (KV 219), die 2018 erstmals bei der Staatskapelle als „Einspringerin“ bei Beethovens Violinkonzert zu erleben war. Blomstedt arbeitet oft und gern mit ihr zusammen. Dann denkt die jetzt 34jährige oft, er sei „jünger als sie“ – wegen seiner Fitness und geistigen Regsamkeit.

Aufgewachsen mit Aufnahmen der Sächsischen Staatskapelle und u. a. geprägt von Anne-Sophie Mutter, sucht Vilde Frang einen möglichst natürlichen Zugang zur Musik. Mit schlanker, klangvoller, romantischer Tongebung und auch ein bisschen kühler Frische brachte sie ihre eigene Variante dieses letzten, klangintensiven, technisch anspruchsvollsten und bedeutendsten, an Glanz nicht zu überbietenden, letzten Violinkonzertes einer ganzen Reihe von Violinkonzerten ein. Sie selbst meint von sich, sie komme „aus der romantischen Ecke“ und bot in technischer Perfektion eine etwas andere, durchaus interessante, von innen heraus gestaltete Variante dieses oft interpretierten Violinkonzertes, die ihrer Natur und Mentalität entsprach und eine, ein wenig andere Sichtweise auf dieses Meisterwerk beleuchtete.

Den bekrönenden Abschluss des Mozart-Abends bildete die „Sinfonie Nr. 38 D‑Dur“ (KV 504), die „Prager“, die einige Zeit nach ihrer Uraufführung zum Lieblingsstück des Publikums wurde. Unspektakulär, aber mit glanzvoller Kantabilität und Natürlichkeit brachte Blomstedt die Sinfonie zum Klingen und den Hörern nahe, für die einen ein Wiederhören der beliebten Sinfonie in hoher Qualität, für andere eine Erinnerung oder vielleicht auch eine Entdeckung.

Im Oktober 1973 erarbeitete Blomstedt Mozarts „Prager Sinfonie“ schon einmal mit der Kapelle, wovon heute noch eine Rundfunkaufnahme existiert. Jetzt, mehr als vier Jahrzehnte später, erarbeitete er sie neu, mit anderen Musikern. Er kennt das Orchester sehr genau und ist immer wieder fasziniert, wenn er mit den Musikern arbeitet. Erstaunlich ist nicht nur für ihn, dass der „Grundklang“ immer erhalten bleibt, wie er begeistert betonte. Ein paar Details ändern sich immer, aber der spezifische Klang bleibt, auch wenn die Musiker wechseln. Von denen, die damals unter seiner Leitung als Chefdirigent musizierten, ist keiner mehr dabei und trotzdem ist der Klang erhalten geblieben. Das ist ein wertvolles Gut.

Ingrid Gerk

 

 

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