Dresden / Semperoper: SONDERKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT RUDOLF BUCHBINDER – UND LUDWIG VAN BEETHOVEN – 22.1.2018
Rudolf Buchbinder, die Sächsische Staatskapelle Dresden und Ludwig van Beethoven gehören zusammen, möchte man nach diesem erneuten Konzert, bei dem Buchbinder mit der Kapelle zwei Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven aufgeführt hat, kategorisch feststellen, wenn nicht beide Partner genauso intensiv und ansprechend an gleicher Stelle Mozart und Weber interpretiert hätten und mit anderen Orchestern wie den Wiener Philharmonikern ein ähnlicher Eindruck entsteht.
Buchbinders Repertoire reicht von Bach bis zur Moderne, aber die Wiener Klassik beherrscht er dank seiner intensiven Beschäftigung mit Haydn, Mozart und Beethoven und ihrer Zeit fast konkurrenzlos. Er gilt als einer der letzten großen Repräsentanten der legendären Wiener Klassik, für die er Maßstäbe gesetzt hat, die es zu bewahren gilt.
Seit Buchbinder und die Kapelle zum ersten Mal bei den Salzburger Festspielen 1987 gemeinsam auftraten, verbindet sie eine enge Freundschaft. Er war in der Kapell-Saison 2010/2011 der erste „Capell-Virtuose“. Während seiner Residenz spielte er alle Beethoven-Sonaten in unvergesslichen Live-Konzerten auf CD ein, wofür er mit dem ECHO Klassik 2012 ausgezeichnet wurde. Seit 2008 folgten zahlreiche gemeinsame Auftritten und Tourneen durch Europa und die USA. Zweimal interpretierte er in der Semperoper Beethovens Klavierkonzerte Nr. 1 und Nr. 5 als Pianist und „Dirigent“. Es waren musikalische Sternstunden, die jetzt in diesem Konzert noch einmal eine „Renaissance“ erfuhren und Erinnerungen weckten.
Mehrfach hat er sämtliche fünf Klavierkonzerte Beethovens an einem einzigen Tag aufgeführt, jetzt genügten zwei dieser Konzerte für einen sehr intensiven musikalischen und geistvollen Abend, an dem er in gewohnter Qualität und Intensität das „Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur“ (op. 15) und das „Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur“ (op. 73), das „erste“ (der Entstehungszeit nach nicht wirklich das erste) und das letzte, spielte, Anfang und Ende einer Entwicklungsspanne voller Brüche und ständigem Vorwärtsstreben bis zum Ausloten der Anfänge einer musikalischen Moderne, eine große „Klammer“ um eine entscheidende musikhistorische Entwicklung.
Es waren (nur!) 1,5 Std. (incl. Pause), die das Konzert mit den beiden Klavierkonzerten dauerte und in denen er mit der Kapelle die beiden Klavierkonzerte interpretierte und mit sehr sparsamen Gesten, am Konzertflügel „dirigierend“, leitete, wobei er sich voll und ganz auf die Sächsische Staatskapelle verlassen konnte, um in den Solopassagen sein brillantes Klavierspiel voll zu entfalten. Er und die Musiker verstanden sich gefühls- und verstandesmäßig „blind“, ohne große Gesten und Blickkontakt.
Sie empfanden die Musik gemeinsam, auf gleicher „Wellenlänge“ in einer Art Seelenverwandtschaft, schienen gemeinsam zu „atmen“, verbanden sich wie „ein Herz und eine Seele“ in „gemeinsamer Sache“ und musikalischen Fragen und interpretierten mit gleichem Können, gleicher Intensität und gleicher geistigen Tiefe, ein Miteinander im Geiste des Komponisten. Auffassung und Ausführung stimmten auf beiden Seiten völlig übereinstimmten, und das auf sehr hohem Niveau. Sie erweckten gemeinsam die Geistes- und Gefühlswelt Beethovens zum Leben.
Buchbinder und Beethovens Klavierwerke sind längst Synonyme geworden. Sie sind sein Lebenselixier. Er lebt in dieser Gedankenwelt. Mit seinem ausgewogenen Beethovenspiel nähert er sich immer wieder den Intentionen eines genialen Komponisten, der mit den Mitteln der Musik seinen einzigartigen schöpferischen und geistigen Höhenflügen Ausdruck verlieh. Allein Buchbinders hohe Kunst seines klangvollen, differenzierenden Anschlages, die von der jüngeren Generation schon kaum mehr wahrgenommen wird, und sein tiefes, äußerlich völlig unspektakuläres und für ihn scheinbar selbstverständliches Sich-Versenken in Beethovens geistige Höhenflüge sorgten für einen musikalischen Genuss, der seinesgleichen sucht.
Auch wenn Beethovens „Klavierkonzert Nr. 1“, chronologisch nach der Entstehungszeit geordnet, nicht sein erstes ist – es gibt aus Beethovens Bonner Zeit bereits zwei frühere Klavierkonzerte (ohne Opus-Zahl) – und sein Klavierkonzert Nr. 2 vor der populäreren Nr. 1 komponiert wurde, machte Buchbinder in genialer Weise die Nähe zur Wiener Klassik, insbesondere zu W. A. Mozart, deutlich, andererseits aber auch Beethovens eigenen, sich bereits etablierenden Stil, bei dem er u. a. erstmals Pauken, Klarinetten und Trompeten einsetzte.
Der 1. Satz begann mit zartem Piano, entbehrte aber auch nicht der Virtuosität, die bei Buchbinder nie vordergründig geschieht, sondern stets dem gesamten Werk dient. Feine Holzbläser, schöne Streicherklänge in breiter Ausdruckspalette und Buchbinders sensibles Spiel von feinsinnig bis kraftvoll standen ganz im Dienst einer Wiedergabe, bei der sich Beethovens Intentionen erschlossen. Dem zweiten, sehr feinsinnigen, sensibel gespielten Satz mit seiner weihevollen Stimmung und liedhaften, lyrischen Art im Dialog zwischen Solist und Orchester folgte der dritte, ein Rondo, das in seiner humorigen Art an Haydns Schluss-Sätze erinnert, und dessen tänzerischem, volksnahem Charakter, aber auch Beethovens typischen schärferen Akzenten mit vehementem Temperament Solist und Orchester Rechnung trugen.
Das 5. Klavierkonzert, das jetzt zu den beliebtesten und meistaufgeführten Klavierkonzerten weltweit gehört und als Gipfel der Weiterentwicklung dieses Genres nachhaltig spätere Komponisten und die weitere Entwicklung dieser Gattung beeinflusst hat, besticht immer wieder mit seiner neuartigen Einleitung, der die virtuose, auskomponierte Kadenz und prächtige Klavierpassagen in einem Dialog zwischen Orchester und Klavier in verschiedenen Klangfarben, Motiven und Tonarten folgen, brillant und strahlend gespielt bis zum „donnernden“ Fortissimo, das trotz aller Ausdruckstärke in angemessener Temperamentsentfaltung bei Buchbinder nie hart wirkt.
Buchbinders Klavierspiel hat etwas unmittelbar Faszinierendes, Bezwingendes, eine geistige Ausstrahlung, die sofort gefangennimmt. Hinzu kommt eine geistige Ausstrahlung, die aus seinem ganz persönlichen Verhältnis zur Musik und einer intensiven Beschäftigung mit den aufgeführten Werken resultiert.
Ingrid Gerk