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DRESDEN/ Semperoper: SOL GABETTA UND DANIELE GATTI IM 2. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN

18.09.2019 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper:  SOL GABETTA UND DANIELE GATTI IM 2. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN 17.9.2019

 Sol Gabetta und Daniele Gatti, zwei Künstlerpersönlichkeiten, denen Werktreue und Intuitionen des Komponisten mehr bedeuten als die jetzt um sich greifenden äußerlichen Effekte, gestalteten das 2. Symphoniekonzertes der Sächsischen Staatskapelle Dresden mit viel Engagment und großem Können. Auf dem Programm standen die in Dresden sehr bekannte und geschätzte „Symphonie Nr. 5 cis‑Moll“ von Gustav Mahler und das hier kaum bekannte, weil in den Konzertsälen bisher nicht zu hörende „Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 a‑Moll“ (op. 33) von Camille Saint-Saëns aus dem Jahr 1872, einem der Paradestücke für Cellisten, von dem Hans von Bülows meinte, es sei voller „Technik und Eleganz, bon sens und Originalität, Logik und Anmut“

In diesem Sinne interpretierte Sol Gabetta mit der ihr eigenen Hingabe und Intensität und fröhlich singendem, klingendem Ton das virtuose, „dreiteilig einsätzige“ Konzert als erstes von drei bedeutenden Cellokonzerten (Camille Saint-Saëns, Robert Schumann und Dmitri Schostakowitsch), die sie als derzeitige Capell-Virtuosin in der Saison 2019/20 nebst einem Duo-Rezital mit Bertrand Chamiayou auf ihrem Instrument von Matteo Goffriller von 1730 spielen wird. Für sie ist „der große Tonumfang und die damit verbundenen Möglichkeiten des Ausdrucks das größte Potential des Violoncellos“.

Bei ihr wirkt nichts aufgesetzt, konstruiert oder auf äußerliche Effekte bedacht (bis auf ihren scheinbaren – jetzt üblichen – „Flirt“ mit dem Konzertmeister und seinem Stellvertreter). Alles erscheint bei ihr wie selbstverständlich und teilt sich dem Zuhörenden unmittelbar mit. Sie empfindet die Musik und gibt sie sehr natürlich und ungekünstelt wieder, auch spontan, aber ohne das Werk zu verändern oder gar zu „verfälschen“. Für Christian Thielemann gehört sie „zu den wenigen Künstler*innen, mit denen man beim Musizieren spontan neue Facetten finden kann und die ein subtiles musikalisches Sensorium mitbringen“.

Ihre feinsinnigen Solo-Passagen, den mitunter auch volksliedhaften Melodienreigen im ersten Teil (Allegro non troppo) und besonders im zweiten (Allegretto con moto), setzte Gatti mit der Kapelle kongenial fort, ließ das Ende des zweiten Teiles schwebend verklingen und das Orchester im dritten und letzten Teil (Un peu moins vite) auch folgerichtig temperamentvoll auftrumpfen. Beide Seiten musizierten auf gleiche Weise und veredelten gleichsam dieses virtuose, in der musikalischen Erfindung mitunter auch etwas naiv anmutende, Werk.

Mit kurzen, freundlichen Worten kündigte Gatti eine vom Publikum erhoffte Zugabe an, nicht nur von der Solistin, sondern für Violoncello und Orchester von Gabriel Fauré, für den Saint-Saëns der „vollkommenste Musiker, den wir je hatten, vergleichbar mit den großen Meistern vergangener Tage“ war. „Sein unbegrenztes Wissen, seine wunderbare Technik, seine klare, erlesene Sensibilität, seine Integrität“ wurden durch das Können von Sol Gabetta, jetzt mit sonorem Celloton, und der sehr einfühlsamen Begleitung der Kapelle unter Gatti in kongenialer Gemeinsamkeit präsent.

Als starker Kontrast zu diesen beiden unterhaltsamen Kompositionen wurde die „1. Abteilung“  von Mahlers „Fünfter“ mit der Bezeichnung „Trauermarsch …“ wie ein Kondukt solo von den ersten einsamen, sehr sauberen Trompetentönen eingeleitet, wie sie auch ferner wieder zu hören waren. Möglicherweise haben sie ihren Ursprung in Mahlers Kindheitserinnerungen an die habsburgische Militärmusik in seiner böhmischen Heimat. Gatti leitete das Orchester mit fließenden Bewegungen und unmissverständlich klarer Mimik, die von den Musikern sofort umgesetzt wurde, denn Dirigent und Kapelle verstanden sich hier erst recht auf „gleicher Wellenlänge“. Die Kapelle setzte seine Intentionen auf sehr hohem Niveau um. Feine Instrumentalsoli schmückten das Werk in seiner akribisch gestalteten Wiedergabe, bei der Gatti mit besonderer Sorgfalt die melodiösen Passagen, im feinsten Pianissimo mit zuweilen „himmlischen“ Klangwirkungen, aber auch mit der Mahler eigenen, unterschwelligen Melancholie und Wehmut wie ein fernes Weltgetümmel, das den geistig und gefühlsmäßig in weltferner Abgeklärtheit lebenden Menschen kaum berührt, herausarbeitete und manch zarte Passage leise im Raum verschweben ließ, dem immer wieder hereinbrechenden Weltschmerz aber in kraftvollem Fortissimo Ausdruck verlieh.

Hier gab es keine übertriebenen Kontraste um äußerer Effekte willen, alles war stets „im Fluss“ und entwickelte sich folgerichtig. Es wurde mit Hingabe, Gefühl und Verständnis für das Werk musiziert, alles wohl proportioniert und entsprechend dem geistigen Gehalt ausgelotet, voller innerer Spannung und trotz aller innerer Zerrissenheit in einer gewissen Harmonie. Gatti setzte die Vorgaben des Komponisten genau um und erfüllte sie mit Leben. Die Kapelle folgte ihm mit gleichem Verständnis und setzte es instrumental mit ihrem besonderen Klang um bis zum triumphalen Schluss. Es war eine grandiose Wiedergabe auf höchstem Niveau, die Dirigent und Kapelle alle Ehre machte.

… und noch eine, für die Dresdner sehr traurige, für die Wiener vermutlich sehr erfreuliche Angelegenheit gab es an diesem Abend. Der langjährige Orchesterdirektor der Sächsischen Staatskapelle, Jan Nast, wurde verabschiedet, um seine neue Tätigkeit bei den Wiener Symphonikern aufzunehmen, nachdem er sich in 22 Jahren täglich „24 Stunden“ die Geschicke des Orchesters hat angelegen sein lassen, „unermüdlich für das Orchester gedacht“ und „gehandelt“ und persönliche Belange oft hintangestellt hat, um es international weiterzuentwickeln.

Ingrid Gerk

 

 

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