Dresden / Semperoper: „SILVESTERKONZERT“ DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – 30.12.2024
Ursprünglich wurde das „Silvesterkonzert“ der Sächsischen Staatskapelle Dresden am Silvesterabend vom Fernsehen (ZDF) übertragen. Inzwischen hat sich manches geändert, so dass man es vorgezogen hat, den Termin vorzuziehen (29./30.12.). Dieses Mal begab sich die Kapelle in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten mit Melodien vom Broadway bis nach Hollywood und indirekt auch ein bisschen Wien.
Das große Konzertzimmer war aufgebaut für ein besonders großes Orchester und festlich beleuchtet. Es erstrahlte in wechselnder Farbgebung von rot über gelb bis orange und auch ein bisschen grün.
Die amerikanische Dirigentin Karina Kanellakis mit griechisch-russischen Wurzeln stürzte sich ins Vergnügen und stürmte in rasantem Tempo mit dem Orchester durch die Ouvertüre zu „Candide“ von Leonard Bernstein forsch und energiegeladen. Die Kapelle steuerte ihrerseits schöne lyrische Passagen, ihre Spezialität, bei und begann leise und verhalten die „Konzertsuite Nr. 1 aus der „West Side Story“, die dann ebenso rasant durcheilt wurde.
Der junge amerikanische Tenor Jonah Hopkins besang mit schlanker, intonationssicherer Stimme, trotz lautem Orchester verständlich, seine Maria, die sich bald in Gestalt der jungen ägyptischen Sopranistin Fatma Said langsam und behutsam von der Seite zu ihm gesellte und mit ihrer schönen lyrischen Stimme dem gemeinsamen Duett strahlenden Klang verlieh. Es wurde so liebevoll und innig im Opernduktus gesungen und die Szene darstellerisch angedeutet – wobei das Orchester glücklicherweise zurückgenommen wurde – dass sich unwillkürlich eine Assoziation zu der berührenden Liebe in „La bohème“ einstellte.
Nach den beiden jungen aufstrebenden Künstlern betrat der gestandene Klassik-Pianist Kirill Gerstein die Bühne und widmete sich dem „Klavierkonzert F-Dur von George Gershwin mit der gleichen Intensität wie sonst bei Beethoven oder Rachmaninow, wobei er auch ein Gespür für die rhythmischen und jazzigen Besonderheiten mitbrachte und stets konform mit dem Orchester musizierte, das ihn zuweilen zuzudecken drohte.
Immer im Fluss und voller Energie lebte die Interpretation von Gegensätzen, kräftigen, harten Paukenschlägen, kraftvollen, aber auch lyrischen Solopassagen (was schon nach dem ersten Satz zu starkem vorzeitigem Applaus führte) und sehr guten Bläsern im zweiten Satz mit den besonderen Feinheiten der Kapelle und schönem Streicherklang an den passenden Stellen neben virtuosen Solopassagen und raumfüllendem Klang, eine Mischung aus den Gestaltungs-Prinzipien der Klassik und rhythmisch betontem Stil, weniger emotional und frei gestaltend als monumental und mit großem schauerlich triumphal tönendem Gong und zwei harten „Schlägen“ am Klavier endend.
Nach diesem fulminanten Auftritt fungierte Gerstein noch als passender Begleiter für „They can‘t take that away from me“ mit Jonah Hopkins, der in dieser Spielzeit an der Bayrischen Staatsoper als Don Ramiro („La Cenerentola“ von Rossini) auftritt und an der Semperoper Graf Almaviva („Il barbiere di Seviglia“) singt, und danach für „Summertime“ mit der zart besaiteten, charmanten Fatma Said, deren Leidenschaft für den Liedgesang sie neben der Oper unter anderem zu den österreichischen Schubertiaden führt. Abgeschlossen wurde der Gershwin-Teil mit der Ouvertüre zu „Girl Grazy“.
Von Erich Wolfgang Korngold, einst Wunderkind, in Wien ausgebildet, dann durch politische Verhältnisse „ins Paradies“ vertrieben, nach Hollywood, wo ihm ein Erfolg nach dem anderen gelang, erklangen Vorspiel und „Serenade“ aus dem 1908/1909 in der Wiener Hofoper aufgeführten „Schneemann“ – eher lyrisch-elegisch mit leise führender Solovioline.
Korngolds Freund, Max Steiner, Wiener wie er und schon 20 Jahre früher in die USA gekommen, der ihm als „politisch Verdächtigem“ zu Akzeptanz in den USA verholfen (und das Internierungslager erspart) hatte, war mit “Tara’s theme“ aus “Gon with the wind“ vertreten.
Wunderbar klang der Abend mit “Wunderbar“ aus „Kiss me Kate“ von Cole Porterr mit dem jungen „Paar“ singend und tanzend und ihre Rolle berührend gestaltend aus.
Ingrid Gerk