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DRESDEN/ Semperoper: RIGOLETTO

18.02.2017 | Oper

 Dresden / Semperoper: „RIGOLETTO“17.2.2017

Welcher Dresdner Opernfreund erinnert sich nicht noch an die glanzvolle „Rigoletto“-Premiere (21.6.2008) mit der ausdrucksstarken, „himmlische“ Koloraturen singenden Diana Damrau als Gilda, Juan Diego Flores als jugendlichen Duca di Mantova und Željko Lučić als ein Rigoletto, der „unter die Haut“ ging. Inzwischen hat die Besetzung öfters gewechselt, u. a. übernahm danach Gabriela Fontana mit ebenfalls bewundernswerten Koloraturen die Rolle der Gilda.

Die unmittelbare Nachfolge nach Lučić trat Markus Marquart an, der seitdem mit unverminderter Intensität in Gesang und Darstellung einen beeindruckenden und überzeugenden Rigoletto mit äußerer Häme und innerer Verletzlichkeit, wenn es um seine eigene, einzige Tochter, den Sinn seines Lebens, geht, verkörpert. Monterone (Michael Eder), der die Ehre seiner Tochter mit Vehemenz und menschlicher Erschütterung zu verteidigen und zu rächen sucht, bedenkt er mit bösem Spott, nicht ahnend, dass es ihn wenig später selbst treffen wird und er sich zum bedauernswerten, Mitgefühl erheischenden Menschen verwandeln wird. Da ließ Marquardt seine Stimme weich und klangvoll werden und viel Menschlichkeit mitschwingen, wodurch auch das innige, besonders ausdrucksstarke, klanglich ausgewogene Duett mit „seiner Tochter“ Gilda sehr viel Ausdruck und Herzenswärme erhielt.

Als Gilda überraschte die junge finnische Sopranistin Tuuli Takala, die bisher vor allem große Mozart-Rollen (Königin der Nacht, Fiodiligi, Zerlina) in ihrer finnischen Heimat sang und jetzt auch in Berlin (Komische Oper, Deutsche Oper – Königin der Nacht) singt. 2014/15 gab sie ihr Debüt an der Semperoper als Barbarina und ist seit 2014/15 Mitglied des Jungen Ensembles. Nach Papagena und Frasquita („Carmen“) und „Köngin der Nacht“ begeisterte sie hier als Olympia in „Les Contes d’Hoffmann“ und als Waldvogel in „Siegfried“, Rollen, mit denen sie nachdrücklich auf sich aufmerksam machte. Mit wunderbarer Höhe, klangvoller, sehr flexibler Stimme, leichten, lockeren Koloraturen und innigem Ausdruck beeindruckte sie in jeder Phase als sanfte, zarte Gilda.

Für Ivan Magri war Yosep Kang als Duca di Mantova eingesprungen. Er bot eine beachtliche Leistung mit einigen guten, lyrischen Ansätzen zur großen Kantilene, vor allem im Mezzoforte und Piano, aber immer wieder fehlte seiner etwas forcierten, besonders im Forte oft metallisch harten Stimme der Schmelz, der Klang und Glanz, den man nun einmal bei den bekannten Arien mit den großen Stimmen aus Vergangenheit und Gegenwart in Verbindung bringt.

Ganz anders hingegen der Sparafucile, den Georg Zeppenfeld mit seiner ausdrucksstarken Stimme weniger als blutrünstigen Fiesling, sondern als aalglatte mysteriöse Gestalt gab, die sich, ein lukratives Geschäft, gleich welcher Art, witternd anbiedert, ein jüngerer Mann in schwarzer Lederkleidung, skrupellos und kalt. Allein mit dem, bei seinem ersten Auftritt auf der letzten Silbe seines Namens nach einem langen Decrescendo  lange ausgehaltenen, langsam verebbenden letzten Ton auf der letzten Silbe seines Namens, hinterließ er einen geheimnisvollen Schauer, der eine erneute Begegnung vorausahnen ließ. So kann auch bei einer kleineren, nicht nur für die Handlung bedeutenden, Rolle ein sehr nachhaltiger Eindruck erweckt werden.

Als Giovanna beeindruckte Angela Liebold vor allem mit ihrer sehr geschickten Darstellung, mit der sie die Doppelbödigkeit ihrer Worte und ihres Tuns zum Ausdruck brachte. Zum einen beruhigt sie Rigoletto scheinbar mit beschwichtigenden Worten, wenn sie ihm verspricht, behütend auf seine Tochter aufzupassen und zum anderen bedeutete sie mit der Hand dem Herzog als vermeintlichem Studenten zwischendurch immer wieder mit geschickten Gesten abzuwarten, bis ein günstiger Moment kommt, nicht unbedingt intrigant oder böse, sondern eher, um der jungen Liebe eine Chance zu geben.

Ganz anders verhielt es sich mit der Rolle der Maddalena, bei den ersten Aufführungen stimmlich ideal und in der äußeren Erscheinung sehr ansprechend mit Christa Mayer besetzt, blieb Tichina Vaughn jetzt so einiges schuldig. Äußerlich als opulentes, üppiges Weib herausgeputzt, wirkte ihr Gesang kaum verführerisch, blieb sie, gesanglich blass und darstellerisch im Hintergrund, obwohl doch gerade diese Partie von Verdi großartig prickelnd angelegt ist und die entscheidende, auch emotionale Wende herbeiführen sollte. Kein Wunder, dass sich der Herzog (entsprechend Regie) vorübergehend der sanfteren, äußerlich sehr ansprechenden und sängerisch faszinierenden Gilda zuwendet, was vermutlich ursprünglich einer Vision, einem Traumbild Gildas und/oder der Erinnerung des Herzogs entsprechen sollte.

So fehlte dem genialen Quartett Un dì, se ben rammentomi … Bella figlia dell’amore“ im 3. Akt, dem musikalischen Höhepunkt der Oper, in dem die zuvor aufgebauten Gegensätze aufeinanderprallen und zur Katastrophe führen, einiges von seiner großartigen Wirkung, da die Akzente, die von Maddalenas ungläubig spöttischem Gesang kommen, bis sie immer geneigter erscheint, blass blieben.

Als zu nebensächliche „Nebenrolle“ verstand offenbar Matthias Beutlich die Rolle des Gerichtsdiners, der, wie beiläufig gesungen, jeder Nachdruck für die, den Fortgang der Handlung nicht unbedeutenden Worte fehlte.

Ganz anders engagierten sich da Matthias Henneberg als Marullo, Aaron Pegram als Borsa, Birgit Fandrey als Contessa Ceprano, Bernhard Hansky als Conte Cebrano und Jelena Kordic als Paggio (beide Junges Ensemble).

Die musikalische Leitung des Abends lag in den Händen von Lorenzo Viotti, der den Beginn des 1. Aktes, das Ende des 2. Akt sowie den Schluss der Oper mit gewaltiger Lautstärke und Wucht hervorheben ließ, was im starken Kontrast zu der sonst sehr feinfühlig, die Sänger in idealer Weise unterstützenden Sächsischen Staatskapelle Dresden stand, von der auch eine kleine „Abordnung“ sehr schön auf dem Ball des Herzogs von Mantua aus dem Proszenium zum Tanzen aufspielte.

Der sehr zuverlässig mit feinen Nuancen singende Sächsische Staatsopernchor (Cornelius Volke) beeindruckte insbesondere in der Mordszene mit summenden Chorstimmen wie Heulen des Windes im Gewitter oder, die gräuliche Tat retardierend ankündigende, schauerliche und geheimnisvoll auf- und abschwellende Geisterstimmen hinter der Bühne, während Sparafucile und Maddalena über das Mordopfer verhandeln.

Die moderne und durchaus stimmige Inszenierung von Nikolaus Lehnhoff mit den Bühnenbildern von Raimund Bauer und den Kostümen von Bettina Walter sowie der Choreografie von Denise Sayers und Licht Paul Pyant hat nichts von ihrer Wirkung verloren und bildet ein gutes Pendant zu Handlung und Musik.

 Ingrid Gerk

 

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