Dresden / Semperoper: PREISVERLEIHUNG AN GEORG ZEPPENFELD UND TUULI TAKALA IM RAHMEN EINES GALA-ABENDS (26. PREISTRÄGERKONZERT) – 21.10.2018
Jedes Jahr vergibt die STIFTUNG SEMPEROPER – FÖRDERSTIFTUNG im Rahmen eines besonderen Konzertes, das in diesem Jahr nicht wie bisher als Matinee am Sonntagvormittag, sondern erstmals als Gala am Abend stattfand, ihren Preis an hervorragende Künstlerpersönlichkeiten und Ensembles, die sich um den Ruf der Semperoper durch besondere Leistungen verdient gemacht und zum internationalen Ansehen des Hauses beigetragen haben. Unter ihnen waren bisher u. a. Stephen Gould, Peter Schneider, Evelyn Herlitzius und Christian Thielemann.
Im Beisein der Sächsischen Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Eva-Maria Stange, erhielt jetzt Georg Zeppenfeld diesen Preis. Die Laudatio hielt keine Geringere als Camilla Nylund mit ihrer auch sehr schönen Sprechstimme neben ihrer wunderbaren Gesangsstimme und ausgezeichneter Artikulation. Nach ihrer Mitwirkung bei der „Messe Nr. 3“ von Anton Bruckner unter Marek Janowsky im Kulturpalast war sie sehr schnell herbeigeeilt.
Zeppenfeld und sie kamen 2001 als junge Sänger nach Dresden an die Semperoper und starteten von hier ihre internationale Karriere. Sie haben beide Dresden schätzen gelernt und hier ihren Lebensmittelpunkt mit ihren Familien gefunden, er auf der einen Seite der Elbe, sie auf der anderen. Immer wieder kehren sie hierher zurück. Wie kein anderer ist Zeppenfeld der Semperoper treu geblieben und übernimmt immer wieder neben den großen auch kleinere Rollen an diesem Haus. Er bedankte sich für den Preis in seiner natürlichen, ehrlichen Art und betonte, wie sehr ihn schon die Verleihung des Christel-Goltz-Preises (2003) an diesem Haus beflügelt hat und nicht zuletzt auch der Ehrentitel „Kammersänger“, der ihm 2015 verliehen wurde.
Musikalisch bedankte er sich als Hans Sachs mit dem in bester Artikulation und Textverständlichkeit und erst recht extrem klarer Tongebung gesungenen „Fliedermonolog“ aus Richard Wagners „Meistersingern“ im Vorausblick auf die Bayreuther Festspiele 2019. Zuvor hatte er im Programm des Abends dem Gesangspart eines Kuriosums, der sehr selten zu hörenden Konzertarie „Per questa bella mano“ von W. A. Mozart (KV 612) für „zwei Bässe“ – einen singenden und einen Kontrabass – sowie Orchester seine Stimme geliehen und sie mit seiner sicheren Technik und guten Gestaltung souverän zum besonderen Erlebnis werden lassen. Er meisterte wie immer alle Schwierigkeiten in scheinbar mühelosem, natürlichem Fluss. Das instrumentale Pendant zur Singstimme bildete der junge Solo-Kontrabassist der Sächsischen Staatskapelle, Victor Osokin, mit warmem, weichem Ton.
Außerdem wurde an diesem Abend erstmals der CURT-TAUCHER-FÖRDERPREIS verliehen, ein Preis, den die Erben des seinerzeit international sehr berühmten und viel gerühmten Heldentenors und Wagner-Sängers Curt Taucher gestiftet haben. Taucher war ein Sänger, von dem unter Opernfreunden das geflügelte Wort kursierte: „Was ist der Unterschied zwischen einem Taucher und einem Tauber?“. Die Antwort: Der Taucher hat ein h und ein c, der Tauber nur ein b“. Taucher wirkte von 1920 bis zu seinem Abschied 1935 an der Sächsischen Staatsoper und trug wesentlich zu deren Glanzzeit bei. Mit einer Laudatio des Vorsitzenden des Stiftungsrates der Stiftung Semperoper–Förderstiftung, Joachim Hoof, erhielt diesen Preis aus den Händen einer Vertreterin der Familie Taucher die finnische Sopranistin Tuuli Takala, die 2015 – 2017 Mitglied des Jungen Ensembles der Semperoper war und nun zum festen Ensemble gehört, wo sie mit ihrem mühelos klingenden Koloratursopran und ihrer angenehmen Erscheinung in zahlreichen großen Opernpartien faszinierte und selbst als „Waldvogel“ im „Siegfried“ aufhorchen ließ. Zeppenfeld bezeichnete sie einmal als „Gesamtkunstwerk“, bei dem hohe Koloraturkunst, Natürlichkeit und Glaubwürdigkeit, die sie ihren Rollen verleiht, vereint sind. Sie bedankte sich für den Preis mit netten Worten und der Arie „Exsultate, jubilate“ aus Mozarts gleichnamiger Motette (KV 156) mit natürlich fließenden, klangschönen Koloraturen und eben dieser Natürlichkeit und Leichtigkeit und trat etwas später noch einmal zusammen mit der tschechischen Mezzosopranistin Stepanka Pucalkova, die seit dieser Spielzeit neu im Ensemble ist, mit dem Duett „Mira, o Norma“ aus Vincenzo Bellinis Oper „Norma“ auf, bei dem beide ihre Kunst der Gegensätzlichkeit zwischen Ablehnung und Abneigung und anschließender Versöhnung in Harmonie zeigen konnten.
Die Moderation des Abends hatte Allround-Genie Rolando Villazón übernommen, neben seinen zahlreichen Aktivitäten vom Opernsänger über den Regisseur bis zum Schriftsteller fügt er nun noch den des Conférenciers und sogar des „Blumenmädchens“ hinzu. Leicht und locker mit einigen witzigen Einlagen führte er fröhlich plaudernd durch‘s Programm, reagierte belustigt auf ein Handy-Klingeln im Publikum, nahm es mit der deutschen Sprache nicht immer so sehr genau, erwähnte u. a. die „Ägyptische Helene“ von Richard Strauss und betonte immer wieder, dass er glücklich ist, an diesem Abend da zu sein.
Vielleicht sagt er das bei jedem Auftritt an jedem Ort, aber hier schien er wirklich heiter und ausgelassen zu sein, denn bei seinen Gesangsnummern, der Arie des Pulcherio „Dove mai trovar quel ciglio“ aus dem Opernfragment „Lo sposo deluso“ („Der enttäuschte Bräutigam“) (KV 430 (424a)), von dem er behauptete, es seien darin nur einige Takte von Mozart (Bearbeitung und Ergänzung: Franz Beyer), die er tadellos, sehr vital und mit viel Mimik zur Geltung brachte, und auch „Ya mis horas felices“ aus der Zarzuela „La del soto del parral“ von Reveriano Soutullo (1880-1932), war er ganz in seinem Element und ließ ganz und gar nichts zu wünschen übrig. Er gab noch einmal alles, mit viel Leidenschaft und Schmelz die gesanglichen Linien verfolgend, und erinnerte an seine Glanzzeiten. Seine gute Technik machte es möglich.
Er trat auch als charmanter „Rosenkavalier“ auf, um die Blumen an Tuuli Takala zu überreichen und ließ es sich erst recht nicht nehmen, noch einmal „Blumenmädchen“ bei Georg Zeppenfeld zu spielen, um ihm die Blumen in persönlicher Verehrung zu überreichen.
Nicht zuletzt durch ihn lag ein ausgelassenes und durch die sängerischen Leistungen sehr festliches Flair über diesem Abend. Es gab viel Mozart im Programm und auch G. F. Händel, den Mozart sehr verehrte. Stepanka Pucalkova sang die Arie des Rinaldo „Or la tromba“ aus Händels gleichnamiger Oper mit flexibler Stimme, guter Technik und vor allem hoher Virtuosität. Von Mozart sang Sebastian Wartig, Bariton, Mitglied des Ensembles der Semperoper und Preisträger des Vorjahres, mit dezent einführender Mimik stimmgewaltig die Arie des Grafen Almaviva „Hai già vinta la causa“ aus „Le nozze di Figaro“ und behauptete sich gegenüber dem lautstarken Orchester, ein sehr energischer Graf, eine Autorität.
Die rumänische Sopranistin Julia Maria Dan, ebenfalls seit dieser Spielzeit an der Semperoper, sang souverän, sehr energisch und mit echter Belcanto-Technik die Arie der Fiordiligi „Temenari … Come scoglio“ aus „Cosi fan tutte“ wie einst die großen Primadonnen. Der Abend entfaltete sich zu einer wirklichen Gala, nicht nur dem Namen nach. Die Stimmung schaukelte sich auf.
Zum Schluss erklang heiter, locker, leicht und ausgelassen das beliebte „Pa pa pa“-Duett aus der „Zauberflöte“ mit Tuuli Takala und Sebastian Wartig. Nicht ganz zum Schluss, denn Villazón hatte das letzte Wort bzw. den letzten Ton mit einem seiner „Ohrwürmer“ als glanzvolle Zugabe, da er, wie er sagte, nicht nur da war, um seine (sehr eleganten) roten Schuhe zu präsentieren, sondern um zu singen. Er sang mit Verve und lief zu persönlicher Höchstform auf. Es war alles da, Höhen, Tiefen, Stimme und zum Schluss der berühmte, lang ausgehaltene Ton (was jetzt kaum noch jemand wagt) und damit Erinnerungen an seine Glanzzeiten.
Obwohl sich die Sächsische Staatskapelle Dresden zurzeit auf Reisen nach Fernost (Peking, Guangzhou, Macau und Tokyo) befindet, bestritten die „Daheimgeblieben“ Musiker die Gala in ihrer gewohnten Qualität. Energiegeladen und mit einigem Charme betrat die estnische Dirigentin Kristiina Poska das Podium und setzte vor allem auf Lautstärke, selbst bei der Begleitung einiger, hervorragend von den beiden Preisträgern und weiteren Sängern der Semperoper gesungenen, Arien, die aber dank ihrer sehr guten Gesangstechnik und Stimme dennoch mühelos über das Orchester kamen.
Zu Beginn des Programmes überraschte die Ouvertüre zur Oper „Il mondo della luna“ („Die Welt auf dem Monde“) von Joseph Haydn durch (hier unpassend) starke Kontraste zwischen sehr großer Lautstärke mit einiger Härte und Piano, ohne dass sich der spezifische gute Klang der Staatskapelle wirklich entfalten konnte. Obwohl der Operntitel vielleicht die Fantasie anregen könnte, geht es doch darin um sehr irdische Belange und könnte höchstens zu Visionen bezüglich der Karriere der Sänger Anlass geben. Da hätte man sich mehr Einfühlungsvermögen in die Musik Haydns gewünscht. Im Laufe des Abends wurde es dann besser, so dass die Musiker bei der Ouvertüre zur Oper “Semiramide“ von Gioachino Rossini dem natürlichen musikalischen Fluss dieser Musik folgen konnten.
Trotz allem war es ein Abend wirklich großer Oper, bei dem der neue Intendant Peter Theiler, seit zwei Monaten im Amt, und der Stellvertretende Vorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung Semperoper, Rüdiger Grube, die Festreden hielten, ein Abend, über dem ein besonderes Flair lag.
Ingrid Gerk