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DRESDEN/ Semperoper: „PALMSONNTAGSKONZERT“ (9. SYMPHONIEKONZERT) DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN

15.04.2019 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper: „PALMSONNTAGSKONZERT“ (9. SYMPHONIEKONZERT) DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – 14.4.2019

 Während sich die Sächsische Staatskapelle Dresden in Salzburg bei den „Osterfestspielen“ engagiert, gestaltete ein Teil des Orchesters in Dresden das traditionsreiche „Palmsonntagskonzert“ (9. Symphoniekonzert) mit geistlichen und weltlichen Werken von Henryk Górecki und Joseph Haydn. Die Palmsonntagskonzerte wurden von Francesco Morlacchi (17841841), Hofkapellmeister der Italienischen Oper in Dresden, mit einer Aufführung der 9. Sinfonie von L. v. Beethoven ins Leben gerufen. Später wurden Beethovens IX. oder auch Messen und Oratorien aufgeführt, wovon auch das Programm dieses Konzertes bestimmt wurde.

Zu Beginn wurden Bühne und Zuschauerraum der Semperoper plötzlich in Dunkel gehüllt, ein besonderer Effekt, um das erste Werk noch eindrucksvoller zu präsentieren? Nicht unbedingt nötig, denn der Dresdner Kammerchor in der Einstudierung von Tobias Mäthger stand durchaus nicht „im Dunklen“. Unter der Leitung des Ersten Gastdirigenten der Kapelle, Omer Meir Wellber stimmten leise, sehr leise Frauenstimmen das „Amen“ für gemischten Chor (op. 35) von Górecki a capella an, bis am Ende eines eindrucksvollen Crescendos, die Männerstimmen einsetzten und das Werk wie in einem Aufschrei der Seele gipfelte, der von den Frauenstimmen wieder besänftigt wurde.

Górecki ist für seine stählernen Klanghärten und querstrebenden Dissonanzen bekannt und stand an der Spitze der polnischen Avantgarde. Sein, 1975 entstandenes, rein vokales „Amen“ auf nur dieses einzige Wort ist jedoch geprägt von einer Schaffenswende und Rückbesinnung auf die Traditionen der polnischen Kirchenhymnen und tonale Strukturen, die eine Atmosphäre konzentrierter Meditation geschaffen und an die Inbrunst östlicher Kirchenmusik erinnerten.

Zurück zum Weltlichen, folgte Joseph Haydns populäres, im Dienste der Familie Eszterházy komponiertes, „Konzert für Violoncello und Orchester D‑Dur“ (Hob. VIIb:2), souverän von Steven Isserlis mit seinem äußerst feinen, schwebenden, warmen Ton und allen nur denkbaren Feinheiten gespielt. Begleitet wurde er von einer relativ kleinen Auswahl an Musikern wie zu Haydns Zeiten, doch welch schöne Klangfülle! Fernab aller „irdischen“ Schwere, spielte Isserlis mit einer Leichtigkeit, die nur ihm eigen ist. Er kennt keine technischen Schwierigkeiten. Mit dem ersten Ton „singt“ sein Cello immerzu.

Zwischen seinen virtuosen Soli und dem klangschönen Orchester-Tutti entspann sich eine Korrespondenz mit nahtlosen Übergängen und gleichem Werkverständnis. Den langsamen Satz gestaltete er sehr individuell, auch mit kleinen, effektvollen Verzögerungen und die Kadenzen als eigene Improvisationen, indem er Passagen aus dem Konzert individuell in freier „Bearbeitung“ weiter fantasierte. Er gab sich ganz der Musik hin und bedankte sich am Ende mit (nur) einer, sehr zart besaiteten, leise im Raum verhallenden, Zugabe für den begeisterten Applaus, mehr aber wollte er nicht „zugeben“. Er „kippte“ sein Cello kurzerhand symbolisch aus, als Hinweis, dass er und sein Instrument nun – „völlig ausgepowert“ – eine Erholungsphase nötig hätten.

Mit einer anderen, ebenfalls im Dienst der Familie Eszterházy entstandenen Komposition Haydns, der „Missa in angustiis d‑Moll“ für Soli, Chor und Orchester (Hob. XXII:11), der „Nelson-Messe“, die ihren Beinamen vermutlich Napoleons englischem Widersacher Admiral Nelson, der ihn in der Seeschlacht bei Abukir besiegte, verdankt, wandten sich die Ausführenden wieder dem Geistlichen zu. Die Messe entstand in schwerer Zeit, während der napoleonischen Kriege, und steht möglicherweise deshalb als einzige Messe Haydns in Moll.

 Unter Wellbers Leitung – vom Cembalo aus – wurde sie mit ungewohnter „Sprödigkeit“ und Schnelligkeit, die kaum Besinnlichkeit zuließ, aufgeführt. Die Pauke setzte wie zum „Jüngsten Gericht“ ein und wirkte auch weiterhin generell zu vordergründig. Im Gegensatz dazu brachte der Chor seine, unter Christoph Rademann geprägte, Klangkultur ein. Das Solistenensemble war international besetzt und auf Perfektion orientiert. Sopran und Bass haben in dieser Messe sehr umfangsreiche solistische Aufgaben zu bewältigen, während Alt und Tenor wesentlich weniger beschäftigt sind.

Die schwedische Sopranistin Camilla Tilling bewältigte die zahlreichen Koloraturpassagen kultiviert und mit Perfektion, wenn auch mit leichter Härte, offenbar auf sehr große Konzertsäle orientiert. Die schwedische Mezzosopranistin Katija Dragojevic steuerte ebenfalls kultiviert ihren Teil bei und ebenso der portugiesische Tenor Luis Gomes, dessen Stimme gut mit der kraftvollen und doch geschmeidigen Stimme von Milan Siljanov, einem, in der Schweiz geborenen, Bass und dem Orchester gut harmonierte. Siljanov bestach durch seine warme, wohlklingende Stimme mit zuverlässiger Tiefe, sehr langem Atem und fließend kraftvoller, sehr exakter, Wiedergabe, der auch Leidenschaft und Hingabe nicht fehlten.

Allgemein wurde sehr laut und kräftig aufgetragen. Dank Chor gab es aber auch die bei einer Messe üblichen emotional bewegenden Passagen, leise und geheimnisvoll, vor allem gegen Ende bis zu einem einfühlsamen „Agnus dei“, was vermuten lässt, dass die Messe am folgenden Tag noch ausgeglichener gelang.

 Ingrid Gerk

 

 

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