Dresden / Semperoper: NEUES, BEKANNTES UND INTERESSANTES IM „6. KAMMERABEND“ DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – 30.4.2025
Die Kammerabende der Sächsischen Staatskapelle erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit, bringen sie doch neben bekannten und beliebten Werken der Kammermusik oft wahre Entdeckungen, so auch im 6. Kammerabend mit dem Ensemble Bento: Sabine Kittel, Soloflötistin, und Anke Heyn, Cellistin der Staatskapelle sowie Paul Rivinius am Klavier. Auf dem Programm, das ganz im Zeichen der Flöte stand, standen gleichberechtigt zwei Komponistinnen und zwei Komponisten und in ihrem Charakter sehr unterschiedliche Werke.
Vox Balaenae“ von George Crumb im dunklenn Raum, aber nicht „im Dunkeln“ . Copyright: Jörg Simanowski
Wer kennt schon die französische Komponistin Mel Bonis (1858-1937), eigentlich Mélanie Hélène Bonis, die mit ihrem abgekürzten Vornamen lange verbergen konnte, dass sie eine Frau ist und deshalb als „Komponist“ anerkannt wurde. Cesar Franck und Camille Saint-Saëns wurden auf sie aufmerksam, aber sie konnte ihr musikalisches Talent trotz mancher Wettbewerbsgewinne aufgrund ihrer familiären Verhältnisse nicht entsprechend ausleben, und so blieben ihre Kompositionen auf 300 Werke der kleineren Form beschränkt, vor allem Lieder, Klavierstücke, Stücke für mehrere Instrumente, Trio, Klavierquartett und Septett, die jedoch begeistert aufgenommen, wiederholt aufgeführt und zum Teil auch veröffentlicht wurden. Später wurde allgemein bewundert, dass eine Frau so perfekt und „mit allen geschickten Tricks“ (Saint-Saëns) schreiben konnte.
In ihrer „Sonate für Flöte und Klavier“ begegnen sich beide Instrumente auf Augenhöhe und überraschten mit nicht alltäglichen Klängen und Klangwirkungen, die in ihren elegischen, mitunter verträumt anmutendem Charakter beinahe an Debussy erinnerten. Die Sonate stellt einen wesentlichen Beitrag zur lange Zeit vernachlässigten Literatur für Flöte solo dar, in dem das feinsinnige, klangschöne Flötenspiel von Sabine Kittel voll zur Geltung kommen konnte. Auch in einer anderen Komposition, „Soir – Matin“ (op. 76) für Klaviertrio, die von zwei gegensätzlichen Stimmungen, einer ruhigen, gesanglichen Melodie der Flöte, tiefen warmen Klangfarben, Chromatik und einer wiegenden Bewegung, aber auch hektischen Figuren am Klavier bestimmt ist, kam die exzellente Flöte voll zur Geltung.
Das „Trio für Flöte, Violoncello und Klavier“ (op. 78) von Johann Nepomuk Hummel (1778-1837), eines österreichischen Komponisten und herausragenden Klavier-Virtuosen im Übergang von der Klassik zur Romantik begann natürlich mit einer kurzen präludierenden virtuosen Klavierpassage, ein Stück voller kompositorischer Raffinessen, feinen gesanglichen, lyrischen Passagen, schönen Details und im ständigen Fluss begriffen, abwechslungsreich und voller Frische, in das sich das Trio immer mehr hineinsteigerte. Sabine Kittel, die bei den Staatskapellenkonzerten die feinsten Flötensoli spielt, veredelte auch hier das schon niveauvolle Stück.
Eine besondere Überraschung bedeutete an diesem Abend „Vox Balaenae for three masked players“ („Die Stimme des Walfisches“) des US-amerikanischen Komponisten und „Klangforschers“ George Crumb (1929-2022), ein Vertreter der zeitgenössischen klassischen Avantgarde und meistgespielter Komponist der heutigen Musikwelt, der mit seiner Musik experimentiert und neue Arten der Klangerzeugung und der Interpretation erforscht. Er verbindet oft unterschiedliche Stile, von der westlichen Kunstmusiktradition über Hymnen und Folk bis hin zu nicht-westlicher Musik.
Für seine „Vox Balaenae“ wurde der Schmuckvorhang, vor dem die Kammermusik stets stattfindet, hochgezogen. Es erschien eine graue „Wand“, auf die abstrahierte Wolken mit einsamem Stern (oder durchschimmerndem Mond) und Wellen des Meeres projiziert wurden. Im Raum war es dunkel. Die drei Musiker erschienen mit dunklen Brillen, die das Gefühl einer menschlichen Projektion verwischen sollten, um mit den Klängen, die einem Buckelwal nachempfunden sind, der Entstehung des Lebens im Meer auf einer Zeitreise vom Archaikum bis zur Neuzeit musikalisch zu folgen. Ein schönes Flötensolo und ein energischer Klavierpart, dazu das später untermalend einsetzende Cello zauberten vorwiegend fremdartige, verträumte, einsame Töne, in die auch Elektronik integriert wurde, was vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen wurde.
Wieder zurück auf dem Boden der Kammermusik erklang das „Klaviertrio d-Moll“ (op. 11) von Fanny Hensels (1805-1847), das letzte Werk der jung verstorbenen Schwester Felix Mendelssohn-Bartholdys, deren kompositorische Begabung lange unbeachtet blieb. Erst 1846 gab ihr berühmter Bruder seinen Segen für die Veröffentlichung ihrer Kompositionen, deren systematische Sichtung für die musikalische Praxis erst an der Schwelle zum 21. Jahrhundert erfolgte. In der guten Interpretation der drei Musiker überzeugte das nur bei einer Sonntagsmusik im Hause Mendelssohn aufgeführte Tio nicht nur die damals geladenen Gäste, sondern auch das Publikum des Kammerabends.
Ingrid Gerk