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DRESDEN/ Semperoper: „MAHLERS „VIERTE“ IM 7. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN

05.03.2025 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper: „MAHLERS „VIERTE“ IM 7. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN“ – 4.3.2025

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Copyright: Jörg Simanovski

Mit der Sinfonie Nr. 4 G-Dur setzte Daniele Gatti im 7. Symphoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden seinen Mahler-Zyklus fort, bei dem zunächst die vier „Wunderhorn“-Sinfonien im Mittelpunkt standen. Da die „Vierte“ die kürzeste ist, war Gelegenheit, sie mit sechs, von Mahler vertonten Liedern aus der originalen Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“ von Achim von Arnim und Clemens Brentano zu ergänzen, um die inneren Beziehungen dieser Sinfonien zu diesem Themenkreis zu verdeutlichen.

Obwohl sich Mahlers „Vierte“ mit ihrer, vergleichsweise scheinbar hellen, heiteren Stimmung, allerdings nicht ohne seine Doppelsinnigkeit, von den anderen Sinfonien Mahlers mit ihrem oft düsteren Charakter unterscheidet, hatte Christian Gerhaher vorwiegend Lieder traurigen Inhalts, vom harten Soldatenleben im fatalen Ausgeliefertsein und tödlichem Ende, gewählt, in denen Mahler die pessimistische Gefühlswelt des einfachen Mannes aus dem Volke wie in eigenem Nachempfinden sarkastisch überhöht. Entsprechend ihrem Charakter gab sie Gerhaher auch mit gemessener Ernsthaftigkeit wieder. Er begann kraftvoll mit „Der Schildwache Nachtlied“, konnte aber auch zurücknehmen. Begleitet von der sehr einfühlsam mitgestaltenden Staatskapelle verfolgte er in „Das irdische Leben“ mit langem Atem den Tod eines hungernden Kindes und machte in Verbindung mit dem sensibel ergänzenden und nachklingenden Orchester, verstärkt durch den gezielten Einsatz des Beckens betroffen, so dass auch das Publikum erst nach einer gestalterischen Pause wieder aufnahmefähig war. 

Energisch erklangen dann das „Lied des Verfolgten im Turm“ und das, von bitterer Zweideutigkeit bestimmte, „Wo die schönen Trompeten blasen“ im kongenialen Zusammenwirken mit glanzvoller Oboe, Trompete und Horn. Das von Gerhaher fein zelebrierte „Revelge“, ein grausiger Todesmarsch aus den Zeiten, als die Truppen wie auf Parade in die Schlacht marschierten, klagte mit sehr ausdrucksvollen Orchesterpassagen, schönen zweiten Violinen, Schlagwerk, sehr feinen, wie aus der Ferne ertönenden Bläsern und eindrucksvollem Nachklang des Orchesters an. Todesnähe und leichte Ironie schwangen auch in „Der Tamboursg’sel“ mit, der in verzweifelter Situation sein Leben elegisch und sarkastisch mit „Gute Nacht“ beschloss, dem Gerhaher noch fast nahtlos „Urlicht“ folgen ließ. 

Die brillante Begleitung der Lieder unter Gattis Leitung, nicht vordergründig, aber besonders klang- und ausdrucksvoll die Liedtexte unterstreichend, mitgestaltend, ergänzend und verdeutlichend, steigerte die Erwartung auf die vierte Sinfonie, die dann nicht nur hielt, was sie versprach, sondern noch übertraf. Bei der Uraufführung unter Mahlers Leitung war ihr kein Glück beschieden, jetzt gehört sie zu den beliebtesten und meistgespielten Sinfonien des Meisters. Was damals wegen des weniger groß angelegten, weniger pompösen Duktus und der Abkehr vom romantischen Pathos für Verwirrung sorgte und als „gefällige Naivität“ abgetan wurde, bewegt heute Gemüt und Verstand, vor allem wenn es so intensiv nachempfunden und bis in jede Nuance nachgestaltet wird. Gatti hat Mahlers Sinfonien durchdacht und erfasst und bringt sie auch so zu Gehör, wobei ihm die Staatskapelle mit gleicher Intuition folgt. Da bleibt kein Takt, keine Nuance unverstanden oder beiläufig. Er schuf ein Mahler-Bild, das überzeug

Die drei instrumentalen Sätze erschienen auch mit ihren großen inneren Widersprüchen und kontrastierenden Aussagen in ihrem inneren Zusammenhang wie „aus einem Guss“, mit interner Spannung, in Klangfülle, Klarheit, Vitalität und Nuancenreichtum, feinen Abstufungen und einem ausgeprägten Sinn für Zwischentöne in „Variationen der Melancholie“ farbintensiv, expressiv und ironisch.

Strahlend begann der 1. Satz mit seiner schönen Melodik, entfaltete klangschwelgerisch den Reichtum an Themen, mit klangvollem Einsatz des Horns, Streichern und konstrastierender, kraftvoller Flöte und Trompete und endete mit wuchtigen Paukenschlägen und Becken. Das spukhafte „Scherzo“ (2. Satz) opponierte in kontrastreichem Widerspruch gegen dieses Naiv-Heitere mit einer verzerrten, unheimlichen Melodie der um einen Ton höher gestimmten Solovioline (der man hier mehr prägnanteren Ausdruck gewünscht hätte), tänzerischen Klängen der Trompete, schönem Oboensolo im berühmten „Adagio“ und hellem Harfenakkord und hinterließ mit verhaltenen Tönen der Holzbläser eine ungewisse Stimmung, die im ruhevollen 3. Satz mit weihevoller, ergreifender Stimmung neben bedrohlichen Abgründen der Musik in inneren Spannungen mit teilweise totalem Zusammenbruch kompensiert wurde, aber in einem explosionsartigen Durchbruch schon einen visionäreren Blick auf den Himmel freigab, der im vierten und letzten Satz seine scheinbare Erfüllung feindet.

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Copyright: Jörg Simanovski

Das Orchester wurde feiner und leiser, und leise und dezent erschein auch die katalanische Sopranistin Sara Blanch und integrierte sich mit der Sopranpartie in das Orchester mit sehr viel Einfühlungsvermögen und schöner, klarer Stimme. Fast wie eine Vision erhob sich die Singstimme mit dem naiven „Wunderhorn“-Lied „Das himmlische Leben“ (im Gegensatz zum „irdischen Leben“ in einem Lied des ersten Teils) mit dem Ausdruck kindlich naiver Glückseligkeit, wie sie bei Mahler sonst nur sehr selten vorkommt, ein Traum, eine Hoffnung, die wie man weiß, wenn auch hier nicht kompositorisch umgesetzt, in Mahlers Empfindung und Erfahrung immer wieder gebrochen wird. Hier gelang eine völlige Übereinstimmung der menschlichen Stimme mit dem Orchesterklang, aus dem sie wie die Fortsetzung desselben förmlich „herauswuchs“, so wie es Mahler vorgeschwebt haben mag. 

Ingrid Gerk

 

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