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DRESDEN/ Semperoper: LUCIA DI LAMMERMOOR

03.01.2020 | Oper

Dresden / Semperoper:  „LUCIA DI LAMMERMOOR“ – 2.1.2020

Es war die 16. Vorstellung von Gaetano Donizettis Oper „Lucia di Lammermoor“ nach der Premiere (18.11.2017). Die Besetzung hat gewechselt, aber die Inszenierung von Dietrich W. Hilsdorf mit dem Bühnenbild von Johannes Leiacker und den Kostümen von Gesine Völlm ist geblieben, in der die ganze adlige Gesellschaft zunächst auch einschließlich Lucia, ganz in schwarz getaucht ist und nur von einem Kranz aus weißen Neonröhren erhellt wird, dazu zahlreiche Stühle auf der tristen Bühne und ein Bett, in das sich Lucia bei jedem Frust und Ärger verkriefcht – sozusagen ihr „Zufluchtsort“.

Die „Adelsgesellschaft“ benimmt sich entsprechend Regie sehr „kleinkariert“ (und mitunter auch ziemlich „daneben“) wie hinterwäldlerische Dörfler am Ende des 19. Jahrhunderts (was sich in ländlichen Gegenden oft noch länger erhalten hat), wie eine „dumme Masse Mensch“, die nicht über den eigenen Tellerrand hinaussehen kann oder will und keinerlei Verständnis für Lucias Liebe und Gewissenskonflikte hat. Farbe bringen später nur Lucias weißes Hochzeitskleid und diverse Blutflecken ins Bild. Farbe ins Geschehen bringt hingegen die Musik, vor allem der Gesang, der bei sehr guter Qualität mit so mancher Inszenierung „versöhnen“ kann.

Wie so oft ließ Stefano Ranzani die Sächsische Staatskapelle Dresden unverhältnismäßig laut spielen. Solisten und Chor kamen zwar mit scheinbarer Mühelosigkeit „über das Orchester“, aber etwas weniger an Lautstärke hätte noch mehr Freiraum für die gesangliche Entfaltung bedeuten können. Es spricht für den Sächsischen Staatsopernchor, dass die rasanten Tempi, die der Dirigent lautstark vorgab, gehalten werden konnten und der Gesang dennoch nichts von seiner Qualität verlor.

Eine Meisterleistung bot der sehr viel beschäftigte Georg Zeppenfeld. Gleich mit den ersten Tönen merkte man auf. Mit seiner absolut sicheren und in allen Lagen klangschönen Stimme und guten Gestaltung verlieh er der Partie des Raimondo, des (relativ) „sanften“ Bruders Lucias sängerisch  und – wie es im Rahmen der Regie möglich war – auch szenisch Profil und hatte damit großen Anteil am positiven Gesamteindruck der Aufführung.

Im Gegensatz dazu verkörperte Aleksei Isaev zuverlässig und mit einer leichten Tendenz zum Forcieren Lucias anderen Bruder, Lord Enrico Ashton, der auf unversöhnlicher Härte beharrt.

Als Gegenspieler vom verfeindeten Lager der Ravenswood setzte Pavol Breslik seine gut geführte Stimme und gefühlvolle Gestaltung für eine gute Rollenidentifikation des Sir Edgardo ein und steigerte diesen Eindruck besonders durch die mit großer Empathie, gesangstechnischer Sicherheit und Einfühlungsvermögen gesungene große Arie.

Viel Kondition verlangt die über weite Strecken mit ihrem Gesang immer präsente Gestalt der Lucia, die mit Sensibilität und Dramatik und reichlich Koloraturen brillieren muss. Tuuli Takala setzte ihre weiche/klangvolle Stimme ein, unterschlug keinen Ton und meisterte die Rolle mit sehr feinem Piano/Pianissimo, guter Phrasierung und auch entsprechender Dramatik. Sie sang vor allem mit Leidenschaft. In jedem Duett und jeder Szene übernahm sie die Führung mit unaufdringlicher Dominanz und gutem Klang. Im Duett mit Edgardo gelang beiden eine völlige klangliche Übereinstimmung, die ihre Liebe glaubhaft erscheinen ließ.

Wenn auch Heike Grötziger als Lucias gestorbene Mutter ihrem Sarg sehr irdisch entstieg, um in einer kurzen Szene als Vision ihrer Tochter singend gute Ratschläge zu erteilen und bei ihrer stimmlichen Härte kaum die Illusion einer „Geistererscheinung“ in Lucias Vorstellungswelt zu assoziieren war, war es doch endlich wieder einmal große Oper in der Semperoper.

Ingrid Gerk

 

 

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