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DRESDEN/ Semperoper: LETZTES KONZERT DER SOMMERTOURNEE DES GUSTAV MAHLER JUGENDORCHESTERS

02.09.2021 | Konzert/Liederabende

 

Dresden / Semperoper: LETZTES KONZERT DER SOMMERTOURNEE DES GUSTAV MAHLER JUGENDORCHESTERS – ‑ 31.8.2021

Traditionell ist das, auf Initiative von Claudio Abbado 1986/87 in Wien gegründete Gustav Mahler Jugendorchester (GMJO), das heute als das weltweit führende Jugendorchester gilt und seit 2012 Partnerorchester der Sächsischen Staatskapelle ist, alljährlich zu Gast in Dresden. Auf Einladung der Staatskapelle beendete die Elite der Nachwuchsmusiker*innen aus ganz Europa in diesem Jahr ihre Sommertournee mit einem pandemiebedingt kurzfristig geänderten Programm in Dresden und eröffnete damit gleichzeitig die Konzertsaison an der Semperoper.

Unter der Leitung von Manfred Honeck, der in dieser Saison zum 8. Symphoniekonzert der Staatskapelle zurückkehren wird, breiteten sie zunächst mit der instrumentalen Fassung für Kammerorchester von Hans Werner Henze einen Klangteppich unter die „Wesendonck-Lieder“ von Richard Wagner. In seiner, 1976 verfassten, Version „Fünf Lieder für eine Frauenstimme auf Gedichte von Mathilde Wesendonck, instrumentiert für Altstimme und Kammerorchester“ findet Henze einen Mittelweg zwischen der originalen Klavierbegleitung und einer ausdrucksvollen, farbig ausgeleuchteten Dramatisierung, die der Sängerin reiche Entfaltungsmöglichkeiten bietet und vom Orchester in adäquater Weise wie die Fortführung der Gesangsstimme ausgeführt wurde.

In diesem Konzert sang – durchaus ungewöhnlich – der Bariton Matthias Goerne die von Wagner vertonten Gedichte Mathilde Wesendonks (WWV 91). Er begann mit leise gehauchtem Pianissimo und setzte seine Stimme mit dunkler, warmer Tiefe und etwas schärferer Höhe mit der Palette sängerischer Ausdrucksmöglichkeiten bis zu ekstatischen Ausbrüchen im Fortissimo ein, was deutlich die Nähe zu Wagners Opern assoziierte.

Das Orchester untermalte die Gesangsstimme sehr stimmungsvoll und einfühlsam, unter anderem mit sehr schönen, sauberen Holzbläsern, ließ dem Sänger Zeit und Raum zur Entfaltung und die Stimme aufblühen, nahm bewusst zurück und wurde dennoch der immanenten Dynamik dieser Lieder gerecht. Einzelne Instrumente wie Flöte(n), Viola, Harfe und andere traten mitunter in den Vordergrund, andere schwiegen zuweilen, z. B. auch die Violinen. Dennoch kam seitens des Gesanges mehr die kompositorische Spezifik Wagners als die emotionale Seite, die Empfindsamkeit dieser, in großer Zuneigung von Wagner vertonten sensiblen, feinnervigen Texte einer zartbesaiteten Frau zur Geltung.

Hauptwerk des Abends war (Corona-bedingt) anstelle von Schostakowitschs 10. Sinfonie) die „Sinfonie Nr. 5 c‑Moll“ von Ludwig van Beethoven. Hier legte Honeck sehr viel Wert auf ein gutes Zusammenwirken aller Instrumentengruppen, ein sehr zügiges Tempo und starke Kontraste, eine gegenwärtig bevorzugte Interpretationsweise, die den jugendlichen Musiker*innen sehr entgegen und beim Publikum ankam. Bei dieser Konzentration auf die grundlegenden Voraussetzungen einer guten Orchesterarbeit sowie auch äußerliche Effekte blieb kaum Zeit für das Erfassern und Bewältigen der Intentionen Beethovens und der Ausarbeitung von Feinheiten und Details, die von erfahrenen Musikern eher erwartet werden dürfen.

Ein Vergleich mit der Sächsischen Staatskapelle bot sich hier zwar an, wäre aber ungerecht. Wenn auch manche Passagen flüchtig und der Klang noch wenig ausgewogen erschienen, verlangte doch die Präzision des perfekten Zusammenwirkens in sehr raschem Tempo und der Einsatz einzelner Instrumente und Instrumentengruppen. wie das leise, „im Raum stehende“ Piano der Holzbläser, die völlig unisono spielenden Kontrabässe, laut jubelnde Flöten, Oboen, Fagott und viele andere Instrumentalisten mit ihrer physischen und technischen Leistung Hochachtung ab, erst recht, wenn man bedenkt, dass die 60 Orchestermitglieder aus 16 Ländern kamen und das Programm kurzfristig geändert werden musste.

Hier kam es vor allem erst einmal auf die Bewältigung der technischen Probleme und die Vorbereitung der jungen Musiker*innen auf ihre spätere Tätigkeit in einem renommierten Orchester an. Selbst wenn die Struktur der Sinfonie hart und scharf im Vordergrund stand und der glasklare Klang bei Beethoven ungewohnt ist, erreichte die in einer ungeheuren Steigerung bis zum triumphalen Schluss präsentierte Aufführung mit ihrer Frische, viel Temperament in „Sturm und Drang“ und außergewöhnlicher Präzision eine mitreißende Wirkung.

Ingrid Gerk

 

 

 

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