Dresden/Semperoper: HINDEMITH, CZERNY UND DVOŘÁK IM „3. KAMMERABEND“ DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – 5.12.2024
Foto: Semperoper
Die in einer langen Tradition seit 1865 auf freiwilliger Basis der Kapellmitglieder stattfindenden Kammerabende der Sächsischen Staatskapelle erfreuen sich nach wie vor beim Publikum, das die Semperoper wieder bis auf den letzten Platz füllte, großer Beliebtheit, bringen sie doch immer irgend etwas Ungewohntes, Neues, Überraschendes, ungewöhnliche Besetzungen mit erstaunlichen Klangwirkungen oder selten aufgeführte Kammermusikwerke. Bei diesem Kammerabend stand das Horn in nicht alltäglichen Besetzungen im Mittelpunkt.
Paul Hindemith komponierte seine dreisätzige „Sonate für vier Hörner“ in den 1950er Jahren als er bei einem Aufenthalt in Salzburg von einem Hornquartett mit einem Ständchen überrascht wurde und so begeistert war, dass er spontan ein eigenes Werk für diese Formation schreiben wollte. Nach Fertigstellung verkündete er stolz: „Es ist ein ausgewachsenes und ernstes Stück geworden“. Vier Hornisten der Staatskapelle widmeten sich nun mit ihrer feinen, besonders sauberen Tongebung und sehr sicheren Technik leicht und locker in schöner Harmonie dieser bodenständigen, in Hindemiths kraftvollem Stil geschriebenen, rhythmisch orientierten Sonate mit Serenaden artigem Charakter.
Einen ganz anderen Charakter hatte das ebenfalls dreisätzige „Trio für Violine, Horn und Klavier Es-Dur“ (op. 105) des österreichischen Komponisten, herausragenden Pianisten und Klavierpädagogen Carl Czerny, dessen Vater, ein Klavierlehrer, aus seiner böhmischen Heimat in die Musikstadt Wien kam. Viele Musikfreunde, vor allem wer sich mit Klavierspiel beschäftigt hat, kennen (fast nur) die mehr oder minder beliebte „Schule der Geläufigkeit“ (op. 299) und die „Kunst der Fingerfertigkeit“ (op. 740), die bis heute im Unterricht verwendet werden, aber Czerny hat weit mehr geschrieben, sechs Sinfonien und als Virtuose auf dem Klavier vor allem Klavierwerke, Klavierkonzerte mit Orchester, Sonaten, Etüden und auch Lieder. Dass er ein Blasinstrument einsetzte, war eher selten.
Sein dreisätziges Trio in der außergewöhnlichen Besetzung für Violine, Horn und Klavier schrieb er für sich und zwei, Violine und Horn spielende, Freunde zum geselligen Musizieren im kleinen Kreis und schenkte allen drei Instrumenten die gleiche Aufmerksamkeit, indem er Themen und Motive etwa gleich verteilte, und doch hebt sich der Klavierpart mit seiner Brillanz und Virtuosität deutlich ab. Jetzt hatte der junge, schon mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Pianist Balázs Demény als Gast den Klavierpart übernommen und verblüffte mit besagter frappierender Geläufigkeit, mit der seine Finger mit relativ hartem Anschlag in den hohen Lagen über alle Tasten glitten. Obwohl Horn und Klavier im Konzertsaal naturgemäß der Violine an Lautstärke und Durchschlagskraft überlegen sind, fanden die drei Musiker zu schöner Harmonie zusammen.
Das Publikum wurde nicht nur mit einem relativ unbekannten, sehr ansprechenden, im besten Sinne auf hohem Niveau unterhaltsamen Werk bekannt gemacht, sondern musste auch seine Meinung über den Komponisten Carl Czerny revidieren. Als Schüler Beethovens, der sein Talent erkannte, und Lehrer Liszts stellt er ein Bindeglied zwischen Klassik und Romantik dar, auch wenn diese beiden Großen der Musikgeschichte ihn an Bedeutung überragen.
Eine ganz andere Farbe brachte das „Streichquartett F-Dur“ (op. 96), das „Amerikanische“ von Antonín Dvořák in klassischer Streichquartett-Besetzung in das Programm, seine zweite, 1893 in Amerika entstandene Komposition. Es zeugt von seinen Eindrücken in der Natur in besonderer Intimität und zugleich auch außerordentliche Freudigkeit und Farbenpracht. Das Quartett ist durch den „amerikanischen“ Einschlag der Gedanken (Pentatonik, punktierte und synkopierte Rhythmik) und die sehr klare, plastische und verhältnismäßig einfache formale Anordnung mit seiner „9. Sinfonie“ (op. 95) “Aus er Neuen Welt“ vergleichbar, ein Pendant im kleineren Format.
Hier trug im ersten Satz die Bratsche das locker gefügte Hauptthema, das durch seine rhythmische Vielfalt in der motivischen Satzarbeit zur Geltung kommt, mit warmem, klangvollem Ton vor, begleitet von den beiden Violinen und Violoncello.
Im zweiten, von großer Sehnsucht, aber auch einem großen inneren Glücksgefühl geprägten, von den beiden Violinen und Violoncello bestimmten, Satz hätte man sich für die gesangliche Passage wie auch in den beiden folgenden Säten mehr Ausdruck von der ersten Violine gewünscht. Im vierten Satz beeindruckte das Zusammenspiel von zweiter Violine und Bratsche sowie Violoncello. Insgesamt bestimmten Harmonie und gutes Zusammenspiel den Eindruck.
Dieser Kammerabend brachte viel Neues und Interessantes. Leider können an dieser Stelle nicht alle Musiker namentlich genannt werden, obwohl sich jeder mit viel Engagement einsetzte.
Ingrid Gerk