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DRESDEN/ Semperoper: HERBERT BLOMSTEDT UND CHRISTIAN GERHAHER MIT DEM GUSTAV MAHLER JUGENDORCHESTER IN DRESDEN

02.09.2019 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper:  HERBERT BLOMSTEDT UND CHRISTIAN GERHAHER MIT DEM GUSTAV MAHLER JUGENDORCHESTER IN DRESDEN – 1.9.2019

Traditionsgemäß wird die neue Konzertsaison in der Semperoper nicht nur mit einem Konzert der Sächsischen Staatskapelle, sondern auch mit einem Konzert des Gustav Mahler Jugendorchesters eingeleitet, dessen Name und Trägerschaft sich mitunter geändert haben, die hohe Qualität jedoch nicht. Die besten Dirigenten übernehmen die Tourneen, in dieser Saison der nunmehr 96jährige Herbert Blomstedt. Die (sehr) jungen Musiker und der Senior der Dirigentenelite – passt das zusammen? Und ob, im Herzen junggeblieben, immer vital und agil, widmete sich Blomstedt mit seinem sprichwörtlichen Engagement und Werkverständnis auch dieser Zusammenarbeit.

Ein Wunder an Energie und Vitalität und im Herzen junggeblieben, vermag er mit seiner netten, unkomplizierten Art auch die Jugend zu begeistern, die ihn sichtlich verehrte. Mit Anton Bruckners anspruchsvoller „Symphonie Nr. 6 A‑Dur“ (WAB 106) , die der Meister selbst als „keck“ bezeichnete, und Gustav Mahlers Liedersammlung nach Gedichten von Friedrich Rückert stand vor den jungen Musikern eine große Aufgabe, die sie unter seiner Leitung mit Bravour bewältigten.

Als Solist der fünf „Rückert-Lieder“, von deren Dichtkunst Mahler schwärmte: „Das ist Lyrik aus erster Hand“, ließ Christian Gerhaher die verhaltene Schönheit und intime Schlichtheit der Texte, aber auch die Musik, die Mahlers erschütternde innere Bewegtheit spüren lässt, voll zur Geltung kommen. Auf der Grundlage des mit äußerster Feinheit, zurückhaltend und mitgestaltend unter Blomstedts Leitung begleitenden Orchesters konnte er seine intensive Liedgestaltung entfalten. Sehr gut bei Stimme, kostete er in feingestalteter Intimität jedes Wort, jede Silbe in leisen und leisesten Tönen, leider nicht immer mit guter Textverständlichkeit, aus und gab in plötzlichen, unvermittelt hereinbrechenden, heftigen Gefühlsausbrüchen und guter Textverständlichkeit dem inneren schmerzlichen Aufschrei der Seele in Mahers kompositorischer Umsetzung Gestalt.

Es war eine Liedgestaltung in starken, mitunter sogar schroffen, unvermittelten Kontrasten zwischen sehr feinen weichen Tönen im feinsten Pianissimo und akut hereinbrechenden Gefühlen im stärksten Fortissimo, auch leicht manieriert, aber unmittelbar bewegend und Betroffenheit auslösend, die am Ende lange Stille vor dem begeisterten Applaus bewirkte, für den sich Solist und Orchester mit „Der Mensch liegt in größter Not …“ aus Mahlers 2. Sinfonie bedankten und noch einmal in völlig gleichgestimmtem Zusammenwirken zwischen Gerhahers intensiver Gestaltung und feinsinniger Orchesterbegleitung in allen Instrumentengruppen und mit sehr schöner solistischer Oboe jedem Detail gebührende Bedeutung zukommen ließen.

Von starken Kontrasten war auch Bruckners „6. Symphonie“ geprägt, bei der der 2. Satz mit sehr feiner sensibler Pianissimo-Passage endete, die im Unendlichen zu entschweben schien, und das Orchester im 3. Satz zu echt Brucknerscher Euphorie sich hinaufschwang. Mit welch jugendlichem Enthusiasmus, sauberen Bläsern, sehr musikalischer, einfühlsamer Pauke und schönen hohen und tiefen Streichern, aber auch mit welcher Akribie und künstlerischen Reife wurde hier von den jungen Instrumentalisten ein anspruchsvolles Werk zur Aufführung gebracht! Es war ein sehr lebendiger, frischer Bruckner, bei dem sich die jungen Musiker in das Werk hineinsteigerten und unter Blomstedts Leitung auch in die geistigen Tiefen vordrangen. Es überrascht immer wieder, zu welch großartigen Leistungen diese jungen Musiker fähig sind.

Dass nach jedem Satz vorzeitiger Applaus einsetzen wollte, was Blomstedt geschickt abzuwenden verstand, könnte auch als Begeisterung gewertet werden und tat, obwohl es doch mehr aus Unkenntnis resultierte, dem großartigen Gesamteindruck keinen Abbruch.

Ingrid Gerk

 

 

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