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DRESDEN/ Semperoper:  „FACETTEN DER ROMANTIK“ IM 1.  KAMMERABEND“ DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN

20.09.2023 | Konzert/Liederabende

Dresden/Semperoper:  „FACETTEN DER ROMANTIK“ IM 1.  KAMMERABEND“ DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – 19.9.2023

Die Kammerabende der Sächsischen Staatskapelle Dresden, bei denen die Mitglieder im Rahmen der orchestereigenen Kammermusik freiwillig und (so gut wie) unentgeltlich auftreten, erfreuen sich gegenwärtig sehr großer Beliebtheit und sind meist ausverkauft, was vorher selten vorkam. Das Publikum hat erkannt, welch Potential in diesen Kammermusikabenden steckt. Da wird Kammermusik vom Feinsten geboten, nicht nur hinsichtlich der Ausführung, sondern auch der Programmgestaltung. Das Publikum genießt bekannte und beliebte „kleinere“ Kompositionen großer Meister, aber auch weniger oder gar nicht bekannte von ihnen und lernt neue Komponisten und ihre Werke kennen.

Im ersten Kammerabend der neuen Konzertsaison standen „Facetten der Romantik“ auf dem Programm, die schon andeuten, welche Vielfalt in den Kompositionen dieser Zeit liegt. Die Kunst- und Musikgeschichte versteht unter „Romantik“ eine bestimmte Zeit des 18. Jahrhunderts (1795 bis ca. 1845). Romantische Bezüge gab und gibt es aber, mehr oder weniger ausgeprägt, auch in allen anderen Epochen, wobei die Übergänge fließend sind.

Typisch im Sinne der Romantik, von tief gefühlvollem Ausdruck geprägt, sind Clara Schumanns „Drei Romanzen für Violine und Klavier“ (op. 22), die sie für den damals berühmten Geiger Joseph Joachim und sich selbst am Klavier schrieb. Ami Yumoto, Zweite Konzertmeisterin der Esten Geigen, spielte nur eine davon, sehr zart und verhalten, so dass der stil- und verständnisvoll begleitende Pianist Toshihiro Kaneshige (als Gast) beinahe vordergründig wirkte, obwohl er das genau richtige Maß dafür hatte.

 Johannes Brahms, dessen erste Begegnung mit der Familie Schumann als Zwanzigjähriger in unmittelbarer Beziehung zur Entstehung dieser Romanzen steht, verkörperte die nächste Generation, von Robert Schumann als progressive Kraft angesehen und als „das Komponistengenie der Zukunft“ gepriesen. Er entschied sich aber wie „Ein Herkules am Scheidewege“ für die Tugend, wie der damalige Musikkritikerpapst Eduard Hanslick schrieb, das heißt für einen klassisch romantischen Kompositionsstil, der auch in dem, von den Kapellmitgliedern Robert Lis, Violine, Florian Richter, Viola, und Balázs Demény, Klavier, temperamentvoll, mit Enthusiasmus, Leidenschaft und Musizierfreude gespielten „Klaviertrio Nr. 1 H‑Dur“ (op. 8) zum Ausdruck kam.

Die drei Musiker, eines musikalischen Sinnes im Dienst an dem Werk, ergänzten sich in wunderbarer Weise gegenseitig in perfektem harmonischem Zusammenspiel. Jeder brachte sich mit dem richtigen Gespür ein und ordnete sich einer ausgewogenen Gesamtgestaltung unter. Mal übernahm das eine, mal das andere Instrument vorübergehend die Führung. Mit der immer wiederkehrenden Melodie, die das Stück durchzieht, wurden Glanzlichter gesetzt. Mit gefühlvoller Violine, singendem Cello und einfühlsamem Klavierpart wurden die drei Kapellmitglieder dem persönlichen Musizierstil von Brahms nicht nur gerecht, sondern brachten ihn in schönster Weise zur Geltung.

Richard Strauss, Komponist der Spätromantik, aber auch schon Wegbereiter der Moderne, knüpfte bei seinen ersten Kompositionen noch sehr an die spätromantische Tradition an, ging dann aber eigene Wege und markierte später mit dem „Rosenkavalier“ eine Art Rückbesinnung hin zu Mozart. Eines seiner frühesten Jugendwerke, sein „Streichquartett A‑Dur“ (op. 2) ist entstehungsgeschichtlich bedingt, noch stark an der Romantik orientiert, eingängig, melodisch, einschmeichelnd, im Aufbau klassisch-romantisch und in klassischer Streichquartett-Besetzung, lässt aber bereits die spätere Meisterschaft erkennen.

Das Fritz-Busch-Quartett aus Mitgliedern der Sächsischen Staatskapelle musizierte sehr ausdrucksvoll, mit allen Feinheiten, wie einem innigen Cellosolo, dezent untermalt von zweiter Violine und Viola, und sanftem Klang, so wie man Richard Strauss kaum kennt – ein  interessanter Eindruck, der das Bild von seiner Persönlichkeit und seiner musikalischen Entwicklung abrundet. Für Christian Thielemann ist er eben „Richard, der Besondere“.

Sehr eigene, richtungweisende Wege ging auch Richard Wagner, der chronologisch in die Zeit der Romantik gehört, mit seinem Kompositionsstil.  Sein romantischstes Stück, weil auch sein persönlichstes ist das „Siegfried-Idyll“, das er für seine Frau Cosima schrieb. 13 Musiker der Staatskapelle mit Matthias Wollong, dem Ersten Konzertmeister, am ersten Pult, brachten es in der ursprünglichen Fassung für Kammerensemble zu Gehör, so wie es Wagner 1870 als symphonischen Geburtstagsgruss zu Cosimas 33. Geburtstag im Treppenhaus seines Landhauses in Tribschen bei Luzern wegen der Enge des Raumes von einem Streichquintett und Mitgliedern des Zürcher Tonhalleorchesters aus der Taufe heben ließ.

Sanfte Klänge in idyllisch-verklärenden Klangfarben füllten unter Wollongs erfahrener Führung den Raum. Es war ein Hörgenuss, wie sich alle 13 Musiker mit Flöte, Oboe, 2 Klarinetten, Fagott, 2 Hörnern, Trompete und Streichquintett hingebungsvoll engagierten, um das Werk in Harmonie, feierlich und klangschwelgerisch erklingen und mit sehr fein nuanciertem Decrescendo ausklingen zu lassen. Das Publikum hielt den Atem an, ließ das Gehörte lange nachklingen, und vermochte erst nach längerer Pause begeistert zu applaudieren.

Dieser Kammerabend ließ die verschiedenen Facetten der Romantik anklingen und rundete das Bild über diese Epoche in einprägsamer, nachhaltiger Weise ab.

Ingrid Gerk

 

 

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