Dresden / Semperoper: ELINA GARANCA IM 7. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN IN GUSTAV MAHLERS „DRITTER“– 27. 2. 2018
Auf der Bühne der Semperoper war die große Variante des nach Plänen des Architekten der Semperoper, Gottfried Semper, gestalteten „Konzertzimmers“ mit doppelter Tiefe und vier Kronleuchtern (statt der sonst zwei) aufgebaut, um den riesigen Orchesterapparat für die „Symphonie Nr. 3 d-Moll“ von Gustav Mahler aufzunehmen. Ein Großaufgebot der besten Musiker und Instrumentalsolisten der Sächsischen Staatskapelle Dresden, der Damen des Sächsischen Staatsopernchores Dresden und des Kinderchores der Sächsischen Staatsoper Dresden wartete in Spannung und Bereitschaft auf einen ereignisreichen Abend, die letzte der drei Aufführungen dieser Symphonie mit Live-Übertragung im Hörfunk.
Christian Thielemann steuerte diesen Riesenapparat mit gewohnter Souveränität durch den Konzertabend, stets das große Ganze im Blick, aber auch viel Sinn für die Fülle schöner Details in diesem Monumentalwerk in einer in sich geschlossenen, beinahe makellosen Aufführung.
Die Mitglieder der Sächsischen Staatskapelle unterstützten ihn dabei nach Kräften. Jeder mit der bestmöglichen Wiedergabe auf seinem Instrument, angefangen von den wunderbaren Streichern, den 1. und 2. Violinen, Bratschen und Violoncelli bis hin zu den Kontrabässen, mit herausragenden Soli, mehreren größeren, perfekten und sehr klangschönen Violinsoli des 1. Konzertmeisters (Matthias Wollong) und kleineren, aber ebenso klangvollen des Stellvertretenden 1. Konzertmeisters (Thomas Meining), von Bratsche (Michael Neuhaus) und Kontrabass (Andreas Wylozol), der beiden Harfen sowie der wunderbaren Bläser mit solistischer Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Hörnern, Tuba und herausragendem Solo der Posaune (Uwe Voigt). Bei Thielemanns Gestaltung konnte alles voll zur Geltung kommen, ohne im allgemeinem „Getümmel“ unterzugehen oder durch Lautstärke überdeckt zu werden.
Bereits im 3. Satz gab es einen besonderen Höhepunkt, als der Solotrompeter der Kapelle, Matthias Schmutzler mit dem Posthorn „in der Ferne“ so grandios, so blitzsauber, ausdrucksvoll, halb klagend, halb optimistisch mit fast ein wenig spöttischem Unterton, zuweilen dezent unterstützt von anderen Instrumenten, in einem langen Solo bekannte, volkstümliche Klänge hören ließ, die zur Entstehungszeit der Symphonie in einem anderen Volkslied als dem jetzt bekannten, vorkamen. Es war eine seiner vielen bisherigen Glanzleistungen, eine der ganz besonderen Art.
Für den Höhepunkt der Aufführung und gesanglichen Glanz sorgte Elīna Garanča mit ihrem Solopart. Voll konzentriert, brillierte sie mit dem einmalig schönen Klang ihrer geschmeidigen Mezzosopran-Stimme, bei der so viel mitschwingt, verbunden mit einem besonders ansprechenden Timbre, faszinierender Technik, Charisma und Musikalität und ihrem Verständnis für die Musik Mahlers, wie alles, was sie interpretiert. Sie vermochte die Gesangspartie mit schöner Klarheit in genau der Funktion wiederzugeben, die das Werk verlangt. Man lauschte auf jeden Ton und war gebannt von der bei Mahler immer leicht tragischen Stimmung, die sie mit ihrer Stimme und Gestaltung krönte und wofür sie zu Recht vom Publikum gefeiert wurde, das aber auch alle anderen Glanzleistungen mit viel Applaus bedachte.
Es war insgesamt eine sehr gute, wohldurchdachte und wohl gelungene Aufführung, bei der jeder sein Bestes gab, eine kollektive Meisterleistung von Christian Thielemann, Elīna Garanča, der Sächsischen Staatskapelle, den Damen des Staatsopernchores in der Einstudierung von Jörn Hinnerk Andresen und dem kurzen, von Claudia Sebastian-Bertsch sehr gut vorbereiteten, in den Gesamt-Zusammenhang eingefügten Auftritt des Kinderchores mit seinem kindlich-naiven „bimm-bamm“, das im Zusammenklang mit den Glocken das Sentimentale im 5. Satz ausblendete.
Die Musiker am Schlagzeug waren viel beschäftigt, aber entsprechend ihren besonderen Fähigkeiten eingesetzt. Bernhard Schmidt leitete mit seinen sehr dezenten, in den Orchesterklang sehr gut eingebundenen und in ihrer Feinheit wohl vernehmbaren Paukenschlägen nicht nur den ersten Teil niveauvoll ein, sondern setzte auch später die feinen musikalischen Akzente. Er versteht die seltene Kunst, mit musikalischem Empfinden und technischem Können selbst an der Pauke einen „Musik“-Genuss hervorzuzaubern, den man bei diesem Instrument kaum vermutet. Andere Paukisten setzten dann die kontrastreichen, starken, für Mahler typischen Akzente.
Thielemann hielt nicht nur den gewaltigen Orchesterapparat, stets gegenwärtig und bis ins feinste Detail konzentriert, zusammen, er verhinderte ein Ausufern im Chaos und ordnete die Mannigfaltigkeit zu einem geistig durchdrungenen Ganzen, arbeitete die Höhepunkte heraus, ließ alle Stimmen und Passagen und Instrumentalsoli in schönster Weise zur Geltung kommen und schuf Klarheit in dieser überschwänglichen Fülle und Vielfalt an Instrumenten, Themen und Gedanken, grandiosen Gefühlsausbrüchen und lyrischen Passagen, die bei Mahler immer wieder ins Fragliche, fast Ironische abdriften und mit einer gewissen Tragik in hinterfragender Weise behaftet sind. Es war eine Interpretation ohne Sentimentalität, ohne Larmoyanz oder ungebändigtes „Getöse“. Es war eine Gestaltung auf höchstem Niveau, durchsichtig, mit souveränem Überblick und in hervorragender Ausführung.
Ingrid Gerk