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DRESDEN/ Semperoper:   EIN MONTEVERDI-ABEND MIT ROLANDO VILLAZÓN

04.05.2023 | Konzert/Liederabende
Dresden/Semperoper:  EIN MONTEVERDI-ABEND MIT ROLANDO VILLAZÓN – 3.5.2023.

Rolando Villazón hat ein neues Wirkungsfeld für sich entdeckt. Neben seinen Tätigkeiten als Regisseur, Schriftsteller, Künstlerischer Leiter und Kulturbotschafter widmet er sich auch wieder dem Gesang, nicht den großen Opern-Arien von Klassik bis Verismo, sondern der Alten Musik und, wie seine Rolle des Orfeo in der gleichnamigen Oper von Claudio Monteverdi an der Semperoper (Pr.: 30.4.2023) und erst recht der „Abend für Monteverdi“ beweisen, mit großem Erfolg – ein Glücksfall für die Alte-Musik-Szene, die durch viel Theorie und deren praktische Umsetzung bei manchen Ausführenden schon in eine gewisse Erstarrung zu geraten droht. Er belebt sie wieder und gibt ihr Klangschönheit und lebendige Ausdruckskraft zurück.
 
Seine klangvolle, geschmeidige, sehr flexible Stimme und seine Gesangskultur stellte er jetzt ganz in den Dienst der von Monteverdi neu geschaffenen „Seconda practica“, bei der die Gesangsstimme entgegen den bis dahin üblichen Kompositionspraktiken durch melodisch-harmonische Führung die musikalische Aussage zu tragen beginnt und dem Text größeres Gewicht verleiht. Die zahlreichen und teilweise schwierigen Verzierungen wirken bei ihm mühelos und sehr natürlich im Fluss seines wohlklingenden Gesanges. Da gibt es keine Ecken und Kanten, alles geschieht folgerichtig. Jeder Ton hat seine Funktion im Gesamtgefüge von Musikalität, Klangschönheit und Ausdruck.
 
Wer sich allerdings an den großen Opernarien des 17.-19. Jahrhunderts orientiert, wird Monteverdis Musik in ihrer Eigenart vielleicht streng und eingeengt empfinden, aber Villazón vermag es, dem Schöngesang ganz im Sinne Monteverdis Leidenschaft, Temperament und angemessene Dramatik zu verleihen, ohne die Grenzen der Musik dieser Stilrichtung zu überschreiten. Er versteht es, alles mit Leben zu erfüllen und eine Brücke zwischen Stiltreue und gegenwärtigem Musikempfinden zu bauen, so dass jeder der sehr zahlreich erschienenen Besucher seiner Interpretation nur voll und ganz zustimmen konnte, die Kenner und Liebhaber der Alten Musik wie auch die Musikfreunde, die einfach nur schöne Stimmen und guten Gesang mögen oder auch völlig unvoreingenommene Besucher.
 Zusammen mit Villazón tauchten zwei Sängerinnen und ein Sänger der Semperoper in Monteverdis Opern- und Konzertwelt ein. Štěpánka Pučálková sang eine Arie solo aus „L’incoronazione di Poppea“ und mit Viilazon ein Duett aus „Il ritorno d’Ulisse in patri“, wobei sie sich mit ihrer leicht gutturalen Stimme in die Harmonie einzufügen verstand. Nikola Hillebrand beteiligte sich mit ihrer schönen, klaren Stimme an dem Duett „Pour di Miro“ aus dem 3. Akt von „L’incoronazione di Poppea“ und zusammen mit Joseph Dennis, der zuvor mit Villazón „Interrotte speranza“ aus dem „Concerto settimo libro de margali“ in schöner Harmonie gesungen hatte, „Il Combattimento di Tancredi e Clorinde“.

Mit der Begleitung der Gesangsnummern und rein instrumentalen Beiträgen aus der Zeit des Frühbarock gab die lautten compagney BERLIN unter der Leitung ihres Gründers Wolfgang Katschner, der zwar als unpässlich angekündigt wurde, aber keine Schwäche spüren ließ, ihr Debüt an der Semperoper. Das relativ groß besetzte, für historische Aufführungspraxis spezialisierte, Orchester mit alten, zum Teil ungewohnten und heute nicht mehr gebräuchlichen bzw. nur noch in diesem Zusammenhang eingesetzten, Instrumenten: 5 Violinen, 3 Violen, Gambe, Lirone, 2 Violonen (8‘ und 16‘), Blockflöte, 2 Cornetti, 3 Posaunen, Harfe, 3 Ghittarrone, 3 Barockgitarren, Perkussion, 2 Cembali und Orgel in ungewöhnlicher, oft wechselnder, akustisch günstiger, den Stücken angepasster, Aufstellung spielte Instrumentalstücke von Giovanni Gabrieli, Heinrich Schütz und Samuel Scheidt mit dem warmen weichen Klang der historischen Instrumente einer verflossenen Zeit und mit der gleichen Lieblichkeit und Klangschönheit wie die Gesangsnummern.

„Wo so große Schönheit weilt, ist das Paradies“, ein poetischer Satz aus Orfeos Arie „Possente spirto“ aus dem dritten Akt der Oper „L’Orfeo“ und Leitmotiv des Abends, traf hier par excellence zu, sowohl auf Villazóns Gesang als auch auf die Beiträge dieses Orchesters, dem Villizón spontan applaudierte. Er ist immer locker und souverän und zu kleinen Scherzen aufgelegt, so dass er sich im Rahmen des guten Geschmacks auch kleine witzige „Zutaten“ leisten kann, um die „Strenge“ eines Konzertes aufzulockern und sowohl Sympathien, als auch der Alten Musik viele neue Freunde zu gewinnen.
 
Schließlich bedankte er sich am Schuss für den begeisterten Applaus, indem er eine Blume aus seinem Strauß ins Publikum warf und mit den beiden Sängerinnen ein fröhliches, volkstümliches Madrigal anstimmte, das mit viel Schlagwerk beginnend, rhythmisch durchdrungen, temperamentvoll in ausgelassener Heiterkeit und mit ein paar von ihm angedeuteten Tanzschritten den „Kehraus“ und Abschied von 120 Minuten musikalischem „Paradies“ besiegelte. Ihm liegt Musik im Blut, und er gab sie weiter, damit der bezaubernde, historische Klang aus der Zeit, als die Oper als musikalische Gattung geboren wurde, bewahrt bleibt.
 

Ingrid Gerk

 

 

 

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