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DRESDEN/ Semperoper: EIN LIEDERABEND MIT MICHAEL VOLLE

09.03.2019 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper: EIN LIEDERABEND MIT MICHAEL VOLLE – 7.3.2019

Längere Zeit gab es an der Semperoper keinen Liederabend mehr. Den vorläufig letzten gab René Pape am 17.3.2017. Jetzt können bzw. konnten sich die Dresdner gleich auf zwei „Liederabende“ in kurzen Abständen freuen, den von Michael Volle und eine Matinee mit Anja Harteros (17.3.).

Michael Volle, seit über 20 Jahren auf allen Opernbühnen der Welt präsent und Gast bei den Bayreuther und Salzburger Festspielen, gab 2011 schon einmal einen Liederabend in Dresden und kehrte nun an die Semperoper mit vorrangig unbekannten und selten aufgeführten Liedern und Gesängen zurück.

Begleitet wurde er am Flügel von Helmut Deutsch, einem seit vielen Jahrzehnten sehr versierten Lied- und Kammermusikbegleiter der Extraklasse, der seit über 50 Jahren weltweit so manchen Liederabend veredelt hat und noch immer sehr aktiv ist, in ungebrochener Vitalität und Einfühlsamkeit und mit exzellentem Anschlag und entsprechendem Klang des Flügels. Seine internationale Karriere als Liedbegleiter begann er mit Irmgard Seefried. Später wurde Hermann Prey 12 Jahre lang sein fester Partner, und jetzt sind Jonas Kaufmann, Diana Damrau, Mauro Peter und Michael Volle seine Favoriten.

Da kann es schon einmal vorkommen, dass er mit dem ersten Lied einer Reihe von Schubert-Liedern beginnen wollte, aber sehr schnell, sehr geschickt zu dem von Volle vorangestellten Gesang „Die ihr des unermeßlichen Weltalls Schöpfer ehrt“ (KV 619) von Wolfgang Amadeus Mozart überleitete, was zu einem längeren, nicht uninteressanten „Vorspiel“ wurde.

Mozarts selten aufgeführter Gesang passte mit seinem Text (F. H. Ziegenhagen) sehr gut als in der gegenwärtigen internationalen Situation angebrachte „Präambel“ ins Programm, bedeutete aber als „Einstieg“ eine Kraftprobe für den Sänger und nicht zuletzt auch für das Publikum, da dieser Gesang für die meisten Besucher unbekannt war.

Mit großer Opernstimme, die Volle für den Liedgesang „heruntertransformierte“, folgten bekanntere und unbekanntere Lieder von Franz Schubert: „Dem Unendlichen“ (Klopstock), „Der Pilgrim“ (Schiller), “Himmelsfunken“ (Silbert), „Prometheus“ (Goethe), “Im Abendrot“ (Lappe), eine Gruppe aus dem „Tartarus“ (Schiller)  und „Der Almhirt“ (Pyrker), die er mit sehr guter Artikulation und Textverständlichkeit, entsprechender Phrasierung und sehr starken Kontrasten, die eigentlich einen Liederabend fast sprengen, gestaltete, mehr rational als emotionsorientiert, aber von Deutschs klangvollem Anschlag und Mitgestaltungsvermögen in einem reichen Klangspektrum in Richtung Liedgestaltung kompensiert.

Die kraftvollen Gesänge lagen Volle besonders. Sie kamen seiner Interpretationsart sehr entgegen. Da schimmerte immer wieder der Opernsänger mit weniger geschmeidiger als kraftvoller Stimme durch. Da konnte er seine reichen Opern-Erfahrungen einfließen lassen. Er beherrschte aber auch, wenn auch seltener eingesetzt, ein schönes piano, wie im sehr kontrastreich gesungen „Prometheus“ und besonders bei dem sensiblen „Im Abendrot“, das er sehr feinfühlig, lyrisch und mit gut klingender Stimme gestaltete. Da trat plötzlich eine völlig andere Seite ans Licht und ließ einen ganz anderen Michael Volle entdecken und das Lied zum heimlichen Höhepunkt des ersten Teils werden.

Eines der zentralen Anliegen des mit sehr viel Einfühlungsvermögen, klingendem Anschlag, dezent und doch entscheidend mitgestaltenden Helmut Deutsch ist die Wiederbelebung zu Unrecht vergessener Komponisten der Vergangenheit, wie Hermann Reutter (1904-1985), der wohl kaum jemandem unter den Zuhörern bekannt gewesen sein dürfte und von Volle mit drei Hölderlin-Gesängen (op. 56): „An die Parzen“, „Hälfte des Lebens“ und „Abendphantasie“ zu Gehör und in Erinnerung gebracht bzw. zu einer Entdeckung wurde.

Den Höhepunkt bildeten danach „Vier ernste Gesänge“ von Johannes Brahms nach Bibeltexten, die Volle mit besondere Hingabe und Identifizierung sang. Hier hatte seine Stimme den entsprechenden Klang, war er mit der Klavierbegleitung in völliger Übereinstimmung. Beide gestalteten im wahrsten Sinne gemeinsam die sehr ernsten und nachdenklichen Gesänge, einschließlich des sehr eindringlich gesungenen „O Tod, wie bitter bist du“.

Dieses vor allem in Richtung Philosophie und Welterkenntnis angelegte Programm mag nicht sofort den Erwartungen manches Konzertbesuchers entsprochen haben, bedeutete aber fernab aller ausgetretenen Pfade ein erfreuliches Kennenlernen des weitgefächerten Schaffens bekannter und eines neu zu entdeckenden Komponisten auf hohem Niveau. Da störte auch der obligate Notenständer nicht, der bei diesen Kompositionen nur allzu verständlich ist.

In Dresden gibt es noch immer keinen geeigneten Kammermusiksaal. Die etwas über 200 Besucher, die einen kleineren Saal problemlos gefüllt hätten, verloren sich etwas im großen Rund der Semperoper, folgten aber dem Vortrag der Lieder und Gesänge mit Interesse und Begeisterung, so dass sich Volle nach dem herzlichen Applaus am Ende für zwei Zugaben vom Meister des Liedgesanges, Franz Schubert, entschloss und mit  „Der Wanderer“ und „Wanderers Nachtlied“ das Publikum erfreute, das dann zufrieden und glücklich nach Hause „wandern“ konnte.

Ingrid Gerk

 

 

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