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Dresden/Semperoper: „DIE ZAUBERFLÖTE“, AUF DIE SICHT EINES KINDES TRANSFORMIERT– 13.9.2024
Seit ihrer Uraufführung im Jahr 1791 in Wien übt „Die Zauberflöte“, Wolfgang Amadeus Mozarts letzte Oper, eine magische Anziehungskraft auf die Besucher in allen Regionen aus. Sie ist und bleibt die beliebteste, meistgespielte und meistbesuchte Oper. Daran können selbst manche Inszenierungen nichts ändern. Mozarts schlichtweg geniale Musik, die den unvoreingenommenen Besucher genauso begeistert wie den anspruchsvollsten Musikkenner, machte diese Große Oper in zwei Aufzügen mit Emanuel Schikaneders Libretto zwischen Humanität, freimaurerischem Gedankengut und Tradition des Alt-Wiener Zaubertheaters zu der generationenübergreifenden Erfolgsoper, die bis heute noch immer eine magische Anziehungskraft ausübt und für ausverkaufte Häuser sorgt.
So hehr das Ziel, so anspruchsvoll ist der Weg dorthin mit vielen Prüfungen, der Hölle Rache, wilden Tieren und treuester Liebe, „umspielt“ von der humorvoll-menschlich-volkstümlichen Gestalt des unbekümmerten Vogelfängers Papageno, der spielerisch den einfachen Menschen mit seinen bescheidenen Ansprüchen verkörpert. Blinzelt da nicht auch ein kleines bisschen der einstige „Hanswurst“ hindurch? Aber hier ist die Gestalt weit mehr.
Josef E. Köpplinger orientiert bei seiner Inszenierung vor allem auf die märchenhafte Seite der Oper und lässt sie als Abenteuer aus der Sicht eines Kindes erleben. Die humanistische Seite findet im Hintergrund statt – mit bizarren Landschaftsbildern von Mond-, Wüsten- und Alpenlandschaften und einem „Passepartout“ aus Sternenhimmel (Bühnenbild und Video: Walter Vogelweider). Ist da das Kind nicht auch etwas überfordert? Das ist dann wohl für die erwachsenen Opernbesucher, die eine leere Bühne empfängt, in der Ecke Sport- und Spielgeräte, die das Kind verlässt, um in eine andere Welt einzutauchen. Dann kommen „Strippenzieher“, pardon schwarze Gestalten, die mit farbigen Seilen etwas andeuten, aber was? Vielleicht die Schlange, die dann noch realistisch erscheint, später Abgrenzungen oder? Sie erscheinen noch öfter. Seltsame Bauwerke geben Rätsel auf oder sind sie einfach nur modern?
Die Kostüme von Dagmar Morell sind zum Teil sehr gewöhnungsbedürftig, Tamino als großer kleiner Junge, der sich in eine zauberhafte Welt geträumt hat und nun staunend erlebt, in Jeans, Pamina als eine Art „Pippi Langstrumpf“ und die zwei Geharnischten, die großen Papp-Figuren, von schwarzen Gestalten bewegt, entsteigen. Nur die Königin der Nacht, Sarastro und der Sprecher dürfen seriös erscheinen und das tun sie dann auch mit Gesang und Darstellung.
Julia Sitkovetsky erfüllte alle Anforderungen an die nächtliche Königin und gestaltete sie entsprechend. Georg Zeppenfeld war die zentrale Gestalt. Er ist der ideale Sarastro – weltweit. Bei ihm ist nie Routine zu spüren. Er gestaltet seine Rollen jeden Abend neu und sei es zum soundsovielten mal, wie der Sarastro, den er seit der Premiere (1.11.2020) singt (jetzt alternativ besetzt). Er war auch an diesem Abend der edle, humanistische Segensbringer der Menschheit, wie er ursprünglich gedacht war. Seine stimmlichen Möglichkeiten prädestinieren ihn dafür, und er setzt sie bewusst ein. Seine nicht nur mühelose, sondern auch wohlklingende Tiefe sucht ihresgleichen. Man spürt, dass er sich für den Abend mit der Rolle identifiziert und weiß, was er singt. Ihm zur Seite erfüllte Markus Marquardt die Rolle als Sprecher glaubwürdig, mit wohlklingender Stimme, guter Sprechstimme und würdevoller Darstellung.
Bei den eigentlichen Sympathieträgern Pamina und Tamino lenkten die Kostüme allzu sehr von ihren Gesangsleistungen ab. Victoria Randems guter Gesang stand leider im krassen Widerspruch zu ihrer äußeren Erscheinung, die sie auch spielerisch unterstrich. Da fiel es schwer, sich die liebende Pamina vorzustellen, wie auch bei James Ley den Vernunft und Weisheit erstrebenden jungen Mann.
Ganz Papageno war Michael Nagl, wenn sein Kostüm auch keine Federn schmückten. Er kam dafür mit einem überdimensionalen, im Publikum Heiterkeit auslösenden, Vogel angeflogen und war der einfache, sich des Lebens freuende Mensch, dem Essen,und Trinken und auch ein glückliches Familienleben mit vielen Kindern, die hier noch als große Eier auf Beinen als Vision über die Bühne stelzten, genug sind. Da passte einfach alles, sehr guter Gesang, Textverständlichkeit, gute Sprechstimme, glaubhaftes Spiel und sogar eine rundliche Figur. Seine ersehnte Ehehälfte war Sofia Savenko als possierliche Papagena.
Die perfekt singende Roxana Incontrera, an deren glasklare Koloraturen als Königin der Nacht man sich an dieser Stelle noch gern erinnert, Dominika Škrabalová vom Jungen Ensemble und Michal Doron harmonierten als die drei Damen der nächtlichen Königin. Als Monostatos mit hellem Teint fungierte Timothy Oliver, als die beiden Priester Anton Beliaev (Junges Ensemble) und Aaron Pegram und als Geharnischte Jürgen Müller und Matthias Henneberg.
Drei Knaben vom Dresdner Kreuzchor (Joel Necker, Willy Umbreit, Bruno Büch) verkörperten mit erstaunlich genauem, gut aufeinander abgestimmtem Gesang und schönen Stimmen die drei Knaben auf der Bühne. Der Sächsische Staatsopernchor (Einstudierung: Jonathan Becker) erfüllte seine Aufgaben ausgezeichnet, und die Sächsische Staatskapelle bildete unter der Leitung von Ginlio Cilon ein sehr gutes Fundament für die Aufführung.
Bei dieser Inszenierung wurde die Zauberwelt in der Tradition des Alt-Wiener Zaubertheaters, das wahrscheinlich auch damals die Besucher anlocken sollte, sehr in den Vordergrund gerückt (auch bildlich), wobei Tiefsinn und aufklärerisches Gedankengut Gefahr liefen, zugedeckt zu werden. Ob man damit wirklich neues Publikum in die Oper lockt? Bis jetzt lebt die Oper noch weitgehend von ihrem guten Ruf von einst.
Ingrid Gerk