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DRESDEN/ Semperoper: DIE WALKÜRE unter Thielemann

24.02.2016 | Oper

Dresden /Semperoper: „DIE WALKÜRE“ UNTER CHRISTIAN THIELEMANN 23.2.2016

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Markus Marquardt (Wotan), Nina Stemme (Brünnhilde. Copyright: Semperoper/ Creutziger

Nach fast 15 Jahren (Pr. 11.11.2001) erlebt die WillyDecker-Inszenierung der „Walküre“ von Richard Wagner in Kooperation mit dem Teatro Real Madrid jetzt für 3 Vorstellungen eine „Renaissance“. Abgesehen von der (vielleicht bewusst) sehr naiven Personenregie und massenhaft vielen Stühlen, pardon gewellten Semperopern-Sessel-Reihen, die vielleicht an einen „Ur-Ozean“ erinnern könnten, und den großen Pfeilen, wie sie zur Premierenzeit gerade üblich waren, werden durch gekonnte Beleuchtungseffekte, besonders schöne Wolken und Blitze in Momenten, in denen Wotan als überirdische Macht ins Geschehen eingreift, undmit etwas Rauch und „Dampf“ immer wieder schöne Bilder gezaubert (Bühnenbild: Wolfgang Gussmann).

Nach so langer Zeit findet nun erst die 14. bis 16. Vorstellung statt – mit prominenter Besetzung und musikalischen Superlativen, denn Chefdirigent Christian Thielemann steht am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden.

Schon mit den ersten Takten wurde eine ungeheure Spannung aufgebaut, die während des gesamten Abends nicht nachließ, sondern im Gegenteil immer weiter gesteigert wurde und an Präzision, Werkverständnis und Klangschönheit nicht mehr zu überbieten sein dürfte. Thielemann betonte vor allem die musikalische Seite der Oper. Unter seiner Leitung spielte die Sächsische Staatskapelle prächtig, wurden mit ideal angepasster Lautstärke große musikalische Bögen gespannt und Feinheitender Partitur herausgearbeitet und zum Klingen gebracht, die sonst oftmals in lautstarkem „Getöse“ untergehen. Damit wurde auch der Boden für die Sängerinnen und Sängerbereitet, auf dem sie sich entfalten konnten und von dem sie inspiriert wurden. Sie hatten viel „Raum“ zum Singen (ohne zu „Schreien“). Ihrerseits stimuliert, trugen siemit gut klingenden Stimmen und entsprechender Gestaltung zu einem besonderen Opernabend bei.

Es war Wagner vom Feinsten. Wann hört man seine Musik schon so musikalisch mit allen Details, einschließlich der sehr schönen, zuweilen aus dem Orchesterklang solistisch hervortretenden Instrumente und genau „mitgehender“, den Gesamtklang immer im genau richtigen Maß unterstreichender und die richtigen Akzente setzender Pauke, die diese Feinheiten noch unterstrich. Wagner war schließlich auch Romantiker. Es gab aber auch kraftvolle, starke Szenen, immer folgerichtig zu dramatischen Höhepunkten aufgebaut.

Zu Recht wurde Thielemann schon vor Beginn des 2. Aktes gefeiert. Von den ersten Takten an bis zu einem traumhaften Schluss „zelebrierte“ er mit der Kapelle die MusikWagners. Die Musiker setzten ihrerseits Thielemanns Idealvorstellungen in schönster Weise um. Sie spielen immer sehr gut, lassen sich aber auch inspirieren und von einem guten Dirigenten mitreißen, was noch einmal in der von Sängern und Orchester hinreißend und innig gestalteten Schluss-Szene des 2. Aktes und erst recht im wunderbar sensibel gestalteten „Feuerzauber“ als dem bekrönenden Abschluss der Oper sehr deutlich wurde.

Die Protagonisten trugen ihrerseits auf der Bühne zu einer überaus gelungenen Aufführung bei. Überrascht war man zunächst auch von der bei Wagner-Sängern ziemlich selten gewordenen deutlichen Aussprache von Petra Lang als Sieglinde und Christopher Ventris als Siegmund, der die Partie für den erkrankten Johan Botha übernommen hat. Beide steigerten sich im Laufe der Vorstellung zu großen und schönen Leistungen und manch unvergesslicher Szene.

Petra Lang baute ihre Partie gesanglich stetig aufbis zu sehr eindrucksvollen „Momenten“ und Situationen, die sie in höchster Zuspitzung mit kraftvoller Stimme sang und gestaltete. Als Siegmund bewies Vendris viel Kondition. Er sang vor allem mit schöner, klangvoller Stimme und betonte eine fast lyrische Seite, als die „Winterstürme dem Wonnemond“ wichen.Dass die Begegnung der beiden „Menschenkinder“ darstellerisch vorwiegend naiv ausfiel, einschließlich des eher kindlichen Liebesaktes, aus dem wohl kaum ein Held hervorgehen könnte, war wohl zum großen Teil der Personenregie geschuldet, bei der fast alles auf sehr simple menschliche Reaktionen reduziert wurde.

Im Gegensatz zu dem sanften, in lichtes weiß gekleideten blonden „Geschwister“-Paar Siegmund und Sieglinde kontrastierte der von Georg Zeppenfeld in seinem kurzen, aber intensiven Auftritt glaubhaft dargestellte Hunding, dunkelhaarig und im eleganten braunen Anzug, der ihn äußerlich als einen cleveren Geschäftsmann und Hausherrn auswies, in dessen vornehmer „Hütte“ bzw. einer Art modernem „Wohnzimmer“ mit Tapete im Holzmaser-„Design“und kühler Atmosphäre das „Not(h)ung“, das Schwert wie ein „Klotz am Bein“ aus der Vergangenheit in der dicken Mittelsäule steckt – statt in der Weltesche.

Obwohl man Zeppenfeld gern mit den „edlen“ Rollen wie Sarastro („Zauberflöte“) oder König Philipp („Don Carlo“) in Verbindung bringt, ist er dabei, seinen Aktionsradius zu erweitern und sich auch den „Bösewichtern“ zuzuwenden. Nachdem er schon den Kaspar im „Freischütz“als ungewöhnlichen Charakter überzeugend auf die Bühne brachte, überraschte er nun auch darstellerisch als Hunding. Der Regie entsprechend, äußerlich ein „ziviler“, unbequemer, hinterhältiger „Gentleman“, vermochte er dessen bösen, im Verbogenen schlummernden Charakter, furchterregend und unheildrohend und zu allem fähig, trotz edlem Gesang, unterschwellig erlebbar zu machen.

Zu einembesonderen Höhepunkt wurde der Auftritt von Christa Mayer als Fricka, eine sehr schöne Erscheinung im supereleganten Mantel und Kostüm. Man fragt sich, warum seit einiger Zeit alle „Kostüme“ (Wolfgang Gussmann, Frauke Schernau) in Gegenwarts-Look oder „Business-Mode präsentiert werden, wo doch die Handlung in grauer Vorzeit spielt und dadurch viel von ihrem ursprünglichen Reiz verliert.

Bei Christa Mayer fiel das angesichts ihrer enormen gesanglichen Leistung aber nicht ins Gewicht. Mit unglaublich schöner Stimme, in der viel Ausdruck lag, undsorgfältig ausgesungenen Detailswar sie eine Fricka par excellence, von der man bisher nur träumen konnte. Sie sangmit ungeahnt schöner, klangvoller Stimme, subtil und mit großer Klarheit, wie man es bei Wagner sonst kaum hört. Man möchte hier an ein Phänomen oder Stimmwunder glauben. Ihr Spiel war dezent und stilvoll, aber mit ihren gemäßigten Gesten sagte sie mehr als mit viel Theatralik. Mit jeder ihrer Bewegungen traf sie den Kern ihrer Rolle.

Fricka und Wotan, der zunächst das Treiben der Menschen im „Welttheater“ vom auf die Bühne transferierten „Zuschauerraum“ aus mehr beobachtet als „leitet“, spielten als Götter symbolhaft und ausgiebigmit den Menschen und ihren Geschicken und dem, was sie geschaffen haben, in Gestalt von weißen Gips-Skulpturen (als Marmor?) und einer Art miniaturisierten Gebäuden oder Modellen wie aus der Römerzeit (die an die „Rienzi“-Inszenierung an der Oper Leipzig erinnern).

Als Wotan steigerte sich Markus Marquardt immer mehr in seine Rolle hinein bis zum berührenden „Feuerzauber“-Abschied von Brünnhilde inleuchtend schwebenderOrchesterpracht. Entsprechend Regie spielte er zunächst naiv, fast wie ein Kind, nicht wie ein Erwachsener oder gar Götter-„Vater“, eigentlich ein äußerlich schwacher Wotan, der selbst fast zerbricht, wenn er singt „Nur eines will ich noch – das Ende“, das aber im „Ring“ erst viel später stattfindet. Anfangs ein sehr „menschlicher“ Wotan, hatte er zunehmend immer eindrucksvollere Auftritte und steigerte sich auch gesanglich immer mehr in seine Rolle hinein.

Mehr als überzeugend sang und gestaltete Nina Stemme die Gestalt der Brünnhilde. Mit in allen Lagen sehr sicherem, jugendlich-hell klingendem Sopran fächerte sie eine Gefühls- und Empfindungspalette zwischen emotionalem Forte und sanftem, gefühlsbetontem Piano, zwischen höchster Dramatik, selbstbewusstem Widerspruch gegen Wotan und resignierender Duldsamkeit auf, was sich auch in ihrer Darstellung wiederspiegelte, nie übertrieben, aber immer eindrucksvoll, bis sie sich schließlich in Wotans Urteilsspruch fügt und demütig der großen aufgehenden Sonne oder von der Sonne beschiedenen Erde (?), die schließlich zum Felsen mutiert, begibt, dem Feuerzauber entgegensehend, der allmählich die Sessel-Reihen und schließlich die ganze Bühne einnimmt.

Als ihre Walküren-Schwestern, die mit eisernen Unterarmen auf großen Pfeilen wie auf Gondeln von oben herabschweben, überzeugten Christina Bock, Constance Heller, Christiane Kohl, Sonja Mühleck, Julia Rutigliano, Simone Schröder, Irmgard Vilsmaier und Nadine Weissmann vor allem im Ensemble, weniger in den kleinen solistischen Passsagen.

Es war eine „Walküren“-Aufführung vom Feinsten, bei der von instrumentaler Seite ein großer musikalischer Bogen wie eine große Klammer um die Oper als Ganzes gespannt wurde. Der musikalische Teil „versöhnte“ mit den Unzulänglichkeiten der Regie, alles in allemeine wunderbare, in sich stimmige Aufführung, getragen von der Sächsischen Staatskapelle unter der inspirierenden Leitung von Christian Thielemann, dessen Klang- und Gestaltungsvorstellungen im besten Sinne vom Orchester, aber auch von den Solisten umgesetzt wurden. Zweifellos gehört diese Aufführung zu den schon selten gewordenen „Sternstunden“ der Semperoper.

Ingrid Gerk

 

 

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