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DRESDEN/ Semperoper: „DIE SCHÖPFUNG“ mit prominenten Solisten und einigen „Neuerungen“

17.10.2016 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper: „DIE SCHÖPFUNG“ MIT PROMINENTEN SOLISTEN UND EINIGEN „NEUERUNGEN“ 16.10.2016

Als Vorbote auf sein 200. Jubiläum im kommenden Jahr eröffnete der Sächsische Staatsopernchor die Reihe der „Semper Soireen/Semper Matineen“ mit Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“, das nach seiner Uraufführung 1798 in Wien (Stadtpalais Schwarzenberg) unter der Leitung des 66‑jährigen Joseph Haydn als geschlossene Veranstaltung und dem Sensationserfolg 1799 bei der ersten öffentliche Veranstaltung im Wiener Burgtheater seinen Siegeszug durch ganz Europa antrat und sich bis heute allgemeiner Beliebtheit erfreut.

Die Aufführung als Matinee war vielleicht nicht der günstigste Termin und eigentlich ein Wagnis. Trotz Vormittagsstunde(n) war es aber dennoch eine sehr beeindruckende Aufführung, die am Nachmittag oder Abend vielleicht noch mehr an intensiver Wirkung auf das etwas unruhige (auch jüngere) Publikum gewonnen hätte, denn alle Ausführenden ließen sich die Aufführung sehr angelegen sein. 

Spätestens seit Uwe Scholz „Die Schöpfung“ als Ballett auf die Bühne der Semperoper mit Peter Schreier am Dirigentenpult brachte, liebt der Chor die Musik, denn sie enthält wunderbare Chorsätze, die Kraft, aber auch sehr viele Feinheiten für einen guten Chorklang erfordern. Über beide Fähigkeiten verfügt der Chor in seiner großen Ausdrucksskala. Mit starken Kontrasten von Piano bis Pianissimo und Mezzoforte bis Fortissimo bestätigte er seine Qualitäten auch bei sehr angezogenem Tempo und großer Lautstärke.

Von seinem Chordirektor, Jörn Hinnerk Andresen, der auch die Leitung der Aufführung übernommen hatte, war der Chor anders als üblich platziert worden, d. h. Damen und Herren waren nicht – wie üblich – getrennt nach Stimmgruppen platziert, sondern „gemischt“, immer im Wechsel bis in die vorderen Reihen, was eine bessere Klangmischung bewirkte und nur bei sehr sicheren und leistungsfähigen Sängerinnen und Sängern möglich ist. Auch war der Chor in wesentlich größerer Besetzung, als jetzt allgemein üblich, aufgestellt, so, wie er (wahrscheinlich) von Haydn konzipiert war. Es waren (mit Orchester und Solisten) insgesamt fast 100 Ausführende auf der Bühne.

Als Orchester fungierte die Lautten compagney Berlin, zurzeit eines der gefragtesten Barockorchester in Deutschland und Europa, das seine Aufgaben sehr gut ausfüllte und mit einem nur einmaligen leidigen Nachstimmen der alten Instrumente (wie sie zur Zeit Haydns schon nicht mehr unbedingt üblich waren), nur für eine einzige zusätzliche Unterbrechung sorgten.

Mit dem besonderen Klang ihres Orchesters und ihrer Spielfreude trugen die Musiker wesentlich zu einer sehr lebendigen Aufführung bei. Sie schufen transparente „Klanggemälde“ mit starken Konturen, was gerade bei diesem Oratorium von größerer Bedeutung ist, da die lautmalerischen Elemente in Haydns Musik, z. B. wenn er das Chaos, den Sonnen- oder Mondaufgang, die Tiere und Pflanzen und schließlich das erste Menschenpaar tonmalerisch, naturorientiert darstellt, eine große Rolle spielen. Ein fast sphärisch „klimperndes“ „Nachklingeln“ unterstrich, wie Gott die Sterne „gemacht“ hat. Besonders schön gelang, wie sich Löwe, Tiger, Hirsch und Ross auf der Erde einfinden. Zwei sicher gespielte Naturtrompeten, u. a. auch mit einem kurzen, wirkungsvollen Auftritt im Proszenium, sorgten für besondere Effekte und erhöhten die Gesamtwirkung.

Ein sehr gutes Solistenterzett verlieh der Aufführung Glanz und Würde. Ute Selbig hat die Sopranpartie auch in Dresden schon oft gesungen und stets für ein nachhaltiges Miterleben des Werkes gesorgt. Mit ihrer jugendlichen Stimme, ihren musikalischen Erfahrungen und einer intensiven Umsetzung dessen, was sie singt, gestaltete sie auch diese Partie fernab aller Routine, klangschön, intensiv und unverwechselbar und immer wieder mit neuen Nuancen. Mit hinreißenden, sehr sauberen Verzierungen gab sie ihrer Muszierfreude besonderen Ausdruck.

Durch Haydns Musik spricht „Die Schöpfung“ auch heute noch unmittelbar an. Der Text ist allerdings nicht mehr so ganz ernst zu nehmen und ruft zuweilen ein Lächeln hervor. Er sollte aus der Entstehungszeit heraus verstanden werden, z. B. wenn sich Eva im Duett mit Adam ganz unter den Schutz und Willen ihres Mannes unterordnen will. Ute Selbig machte sich mit einigem Augenzwinkern auf sehr nette, niveauvolle Weise darüber auch ein wenig lustig und verlieh dieser Episode Charme und Versöhnlichkeit.

Georg Zeppenfeld „spielte“ mit, so dass gerade diese Stelle zu einem kleinen, netten „Kabinettstück“ wurde. Es war ein großes Glück, dass er, neben seinen großen Opernrollen auch ein idealer Oratorien-Bass, mitwirkte. Trotz hoher Anforderungen behielt seine Stimme ihren wunderbar differenzierenden Klang. Gleich die ersten Worte „zelebrierte“ er mit Noblesse und sehr hohem Niveau. Seine Stimme klingt in jeder Phase, in allen Tonlagen, jedem Tempo und jeder Lautstärke, Forte oder Piano, dramatisch oder lyrisch, und ganz besonders immer in den tiefen Lagen. Stark beeindruckend sang er im Gleichklang mit dem Orchester die Worte „… seid fruchtbar, wachset, mehret euch …“. Man lauschte gern während der gesamten Aufführung jedem Ton und Wort.

Beide, Ute Selbig und Georg Zeppenfeld, sangen mit Hingabe an die Musik Haydns und gestalteten ihre Partei optimal, mit sehr guter Artikulation und gut verständlicher Aussprache. Sie ließen die Töne im Raum mitschwingen und bezogen quasi die „Atmosphäre“ mit ein.

Für die Tenor-Partie konnte Steve Davislim, einer der prominentesten Tenöre im Konzertbereich, der gerade mit diesem Repertoire unterwegs ist, gewonnen werden. Anders als Selbig und Zeppenfeld gestaltete er die Tenorpartie etwas opernhafter, mit leichter Dramatik und ganz anderem, aber auch ansprechendem Timbre und klangvoller Stimme und sorgte für ergänzende Abwechslung.

Die zweite solistische Frauenstimme am Schluss kam – wie meistens – aus dem Chor (Hyunduk Na)

Jeder der drei Solisten gestaltete seine Partie in sich stimmig. Im Duett bzw. Terzett verbanden sich die unterschiedlichen Timbres dennoch zu schöner Harmonie, auch ein Teil der großen Kunst des Gesanges.

Trotz Vormittagsstunde war es eine stimmige, sehr beeindruckende, beglückende Aufführung.

 Ingrid Gerk

 

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