DRESDEN/Semperoper: DIE JÜDIN VON TOLEDO von Detlev Glanert
Foto: Semperoper
Jetzt wurde in der Dresdener Semperoper, Haus vieler berühmter Uraufführungen, Detlev Glanerts neue Oper „Die Jüdin von Toledo“, aufgeführt. Glanert ist vielleicht derzeit nach Wolfgang Rihm der meistgespielte deutsche Opernkomponist mit seinen inzwischen 12 Musiktheatern. Aber einen richtigen Opernhit hat Glanert bis dato eigentlich noch nicht geschrieben.Das könnte sich mit dieser ‚Juedin‘ ändern. Er hat dem Kompositionsauftrag von Semperopern- Intendant Peter Theiler sofort zugestimmt und für den Opernstoff ‚Juedin von Toledo‘ fast auf Anhieb die ganze Musik im Kopf gehabt.Nun müsste man denken,wie kann das sein, – für ein fünfaktiges! Libretto, das ihm Hans Ulrich Treichel vorgelegt hat, der schon für seinen ‚Caligula‘ das Libretto stellte und für H.W.Henze u.a. ‚Venus und Adonis‘ beisteuerte. In den 5 Akten komprimiert sich im Gegensatz zu Grillparzers ‚Juedin‘, nach dem es frei gestaltet ist, nur der Handlungsstrang der Liebe der schönen Rahel,die in die königlichen Bezirke eindringt, und dem König Alfonso, der sich trotz scharfer Warnungen der Königin und seiner Minister die Liebe mit ihr eingeht und den Krieg der Reconquista gegen die Mauren dabei ganz aus den Augen verliert. Im 3.Akt wird ihm nach monatelanger Absenz das Messer auf die Brust gesetzt,und er unterschreibt ein Gesetz,das den Tod der Jüdin als Maurenspionin besiegelt. Bei Treichel wird aber darauf, dass der Vater Rahels ein Freund des Königs war und als Geldverleiher auch sein engster Finanzberater war, gar nicht eingegangen. Das ist nicht Teil der Oper,weil Treichel die Berufstätigkeit der Juden nicht thematisieren wollte. Es kommt also eine relativ kurze Oper mit gefühlten 2 1/2 Stunden heraus.Und so ist natürlich die gesamte Kreativität,die Glanert aufzubieten hat, in dieses etwas einsträngige Drama eingeflossen. Und es handelt sich um eine enorme dramatische Wucht,mit einem Riesenorchester, das alle modernen Klangmittel,besonders der Perkussionsinstrumente in die Waagschale wirft. Und man könnte sagen,Glanert dichtet dem Orchester eine stupende Virtuosität an, wie sie vorher nur solche Vorläufer wie Wagner und Strauss dem Orchesterspiel beibringen konnten. Dies alles aber in weitgehend letaler Düsternis, die frappiert und einen fast nicht zum Atmen kommen lässt. Der 2. Akt spielt dann in der Landvilla des Königs. Es gleisst und glitzert nur so,und man denkt sofort an die Salome und deren magische Nacht, und Glanert lässt sich auch vom Kleidertausch von Rahel und Alfonso inspirieren.Ploetzlich ‚treten‘ Stahlglocken zu Marimba- Klängen ‚auf‘. Dazu kommen noch Zwischenspiele auf einer spanischen Ud-Gitarre. Die Staatskapelle Dresden zeigt sich unter Jonathan Darlington auf der Höhe ihrer Aufgaben und der Chor hat auch starke an Gralsritterchoere gemahnende Auftritte.
Dagegen wirkt die Inszenierung von Robert Carsen, auch Bühnenbild, eher schlicht. Es wird viel auch choreographisch ziselliert ausgeschritten. Grosse Rundbögen beherrschen die Szene, im Koenigssaal gerade angeordnet, im Landhaus diagonal gezirkelt, mit vielen Lämpchen. Heutige schwarze Anzüge und Umhänge besonders der Männer.Am Emde führt Carsen in einen Krieg,der nach Waffensegnung an das Ergebnis des 2.Weltkriegs in Dresden gemahnt.(Bb.und Kost. Luis F.Carvalho).
Die Rahel singt Heidi Stober mit einnehmendem Sopran in einem weißen Kleid und dem Desdemonatuch,das hier aber eher an einen Palaestinerserschal erinnern könnte. Sie kommt auch gut durch die Orchesterwogen und hält ihnen erstaunlich stand. Ihre Schwester Esther wirkt ein wenig wie Brangaene, eben vernünftiger mit Brille und engem schwarzen Rock. Sie wird mezzodramatisch von Lilly Joerstad gegeben.
Der König von Kastilien ist Christoph Pohl mit akkuratem sonor-dramatischen Bariton, aber wetterwendisch.
Mit einzigartiger Gesangsleistung und spannend dramatisch austariert wartet Tanja Ariane Baumgartner als vom Krieg besessene Gemahlin Eleonore von England auf.
Den Manrique Graf von Lara gibt Markus Marquardt bassal wie einen Marke, wenn er in seinem Monolog auf den Verrat zu sprechen kommt, mit schierem abgruendigem Applomb gegen die ‚Giftmischerin‘ Rahel. Tenoral assekundiert von Aaron Pegram als Don Garceran.
Den stummen Infanten gibt Hennes Neuber, der am Ende allein in der Kriegswüste verbleibt.
Friedeon Rosén