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DRESDEN/ Semperoper: „AUFTAKT !“ – MATINEE ZUR ERÖFFNUNG DER SPIELZEIT 2022/23

26.09.2022 | Konzert/Liederabende
Dresden/Semperoper:  „AUFTAKT !“ – MATINEE ZUR ERÖFFNUNG DER SPIELZEIT 2022/23 – 25.9.2022

Mit der Matinee „Auftakt !“ zur Eröffnung der Spielzeit 2022/23 mit Mitgliedern des Ensembles der Semperoper wurde ein Einblick mit musikalischen Kostproben in die kommende Spielzeit mit den vorgesehenen Premieren, Erstaufführungen und Wiederaufnahmen gegeben. Sie stand zunächst nicht gerade unter einem günstigen Stern. Wegen eines City-Laufes waren alle Zufahrtsstraßen und der gesamte Theaterplatz gesperrt (Musikkultur scheint weniger wichtig zu sein als Sport!). Zwei Mitwirkende, die viel versprechende Nikola Hillebrand und Matthias Henneberg, hatten kurzfristig krankheitshalber abgesagt und Intendant Peter Theiler wegen einer Trauerfeier.

Mit noch kurzfristiger eingesprungenen Sängerinnen die sehr schnell manche Partie übernommen hatten, Abwandlung einiger Programmpunkte und geschickter Moderation der beiden Dramaturgen Juliane Schunke und Benedikt Stampfli wurde es aber dennoch eine ansprechende Veranstaltung mit einigen sehr guten sängerischen Leistungen. Nur ein Programmpunkt, ein Ausschnitt aus Giuseppe Verdis erster, konzertant geplanter, Oper „Attila“ musste entfallen.

Anfang und Ende der Matinee wurden mit Richard Wagner – einmal anders – gestaltet. Einleitend erklang das Vorspiel zum 1. Aufzug der „Meistersinger von Nürnberg“ für zwei Klaviere zu vier Händen, übertragen von keinem Geringeren als Max Reger, dargeboten von Johannes Wulff-Woesten und Jobst Schneiderat, die es mit hoher Musikalität und entsprechender Anschlagskultur verstanden, die Transkription eindrucksvoll zum Klingen zu bringen, eine Möglichkeit, Musik niveauvoll populär zu machen aus einer Zeit, in der die Entwicklung der Tonträger noch in den Anfängen steckte. Als Abschluss der Matinee wurde mit dem, für zwei Klaviere zu acht Händen von Camille Chevillard eingerichteten, „Ritt der Walküren“, diese Praxis ins Monumentale gesteigert, wobei noch Florian Frannek und Naomi Shamban am zweiten Flügel Platz nahmen um mitzuwirken.

Mit Hinblick auf die nächste Premiere gab Liparit Avetisyan mit „Lunge da lei“ aus „La Traviata“, die schon mehrfach am Haus mehr oder weniger überzeugend inszeniert wurde, eine Probe der Oper und seines Könnens, kultiviert, mit „echt“ italienischer Deklamation,  Leichtigkeit und Emotionalität, guter Phrasierung und sogar ein bisschen die berühmte „Träne in der Stimme“, entsprechend der besten historischen Vorbilder. Elena Gorshunova überraschte mit sauberen Koloraturen, passender Klangfarbe, schönem Pianissimo wie Forte, natürlich wirkender Phrasierung und guter, in diesem Rahmen auch mit kleinen Gesten angedeuteter, „Rollengestaltung“ bei „Ah! Non creda mirarti“ aus „La sonnambula“ von Vincenzo Bellini und später mit „O beau pays de la Touraine“aus „Les Huguenots / Die Hugenotten“ von Giacomo Meyerbeer, die wieder in den Spielplan aufgenommen werden.

Aus dem im Januar/Februar wieder aufgenommenen „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner in der Inszenierung von Willy Decker, mit Christian Thielemann am Pult sangen Christa Mayer und Lawson Anderson, zwei Wagnersänger, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, die Szene zwischen Erda und Wanderer „Mein Schlaf ist träumen“ aus „Siegfried“. Während Anderson vorwiegend auf Lautstärke setzte, zwar richtig, aber mit rauer, metallischer Stimme sang, mitunter auch zurücknahm, aber dennoch wenig beeindrucken konnte, brachte Christa Mayer, die diese Rolle sehr liebt, mit ihrer wunderbar seidig-samtenen und dennoch sehr ausdrucksstarken Stimme (selbst in der Tiefe) und sehr guter Textdeklamation viel Verve und glaubhafte Deutung ein, eine subtile Erda, wie man sie sich im Idealfall vorstellt und nur sehr selten findet – ein Glücksfall für die Semperoper.

Aus der Oper „Pique Dame“ von Pjotr I. Tschaikowski, die nun endlich zum ersten Mal an der Semperoper inszeniert wird, sangen Michal Doron und Ofeliya Pogosyan (vom Jungen Ensemble) „Už večer …“ („Der Abend …“) sehr schön, sehr lyrisch, weniger dramatisch und mit ein wenig russischer Seele.

Mit Hinweis auf die Richard-Strauss-Tage im April sang Camila Ribero-Souza anstelle in einem Duett aus „Arabella“ die Arie der Marschallin „Da geht er hin, der aufgeblasene, schlechte Kerl …“ aus dem „Rosenkavalier“ sehr zart, sehr fein, empfindsam und distinguiert, wie eine „echte Dame der Gesellschaft“, etwas zurückhaltend, aber glaubhaft, mit angenehmer Stimme und guter Textverständlichkeit, ein etwas anderer, interessanter Aspekt dieser Rolle, den sie auch im Terzett „Hab mir’s gelobt“ zusammen mit der sehr schnell als Sophie eingesprungenen, sehr geschmeidig singenden Elena Gorsgunova und Štěpánka Pučálková, die mit ihrer harten Stimme den Oktavian verkörperte, beibehielt – eine etwas andere Sicht auf das Terzett mit weniger Klangrausch, aber leicht szenisch angedeutet, indem sich die Marschallin zum Schluss abwendet und Sophie und Oktavian sich finden, so dass man intuitiv das schöne Schlussduett erwartete, das aber nicht folgte.

Johannes Wulff-Woesten, Solorepetitor(auch bei den Bayreuther Festspielen), Studienleiter, Komponist, Pianist, gefragter Liedbegleiter, Organist u.v.a.m., war der „Allrounder“ dieser Matinee, die er nicht nur versiert leitete, sondern auch alle Sängerinnen und Sänger am Flügel begleitete, bei den Klavierbearbeitungen die Führung hatte, perfekt Cembalo und auch Keyboard spielte. Wenn die Klavierbegleitung auch kein Orchester ersetzen kann und manche Stimme dadurch unverhältnismäßig härter klingt als später bei der Opernaufführung, verstand er es doch, sich so weit wie möglich, dem Orchesterklang anzunähern.

Anstelle des „Prologs der Musica“ aus der Originalfassung des „Orfeo“ von Claudio Monteverdi von 1607, die an der Semperoper kommt, konnte er wegen der erekrankten Sängerin nur einen stilgerecht gespielten Ausschnitt am Cembalo bringen. Für die Wiederaufnahme des Balletts „Romeo und Julia“ von Sergej Prokofjew wurde der „Tanz der Ritter“ ebenfalls nur instrumental geboten  (Bearbeitung für zwei Klaviere von Sergej Babayan) mit Naomi Shamban und Johannes Wulff-Woesten.

Semper 2, die junge Bühne der Semperoper, war mit „Brand New Day New Jersey“ von David Bryan und Joe DiPietro vertreten, eine flippige, melodisch-rhythmische, sehr ansprechende, Komposition mit e-Gitarren und Keyboard, aus der Lawson Anderson, Michal Doron und Štěpánka Pučálková das Ensemble aus „The Toxic Avenger“ mit entsprechendem „Stilgefühl“ sangen, während Aaron Pegram seine Rolle ins allzu Grotesk-Vulgäre steigerte. Weniger wäre da mehr gewesen.

Für die Erstaufführung der Kammeroper „Die Gespenstersonate“ nach August Strindberg“ von Aribert Reimann, dem die Umsetzung der Sprache bei einer Komposition wichtig ist, in Semper 2 war keine „Kostprobe“ vorgesehen, die Oper wurde nur erwähnt.

Es war eine sehr vielseitige, instruktive Matinee, die auf die kommende Spielzeit einstimmt.

Ingrid Gerk

 

 

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