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DRESDEN/ Semperoper: ALAIN GILBERT UND YUNDI IM 3. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN

13.11.2017 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper: ALAIN GILBERT UND YUNDI IM 3. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN  STAATSKAPELLE DRESDEN – 12.11.2017

Nach einem Gastspiel der New Yorker Philharmoniker 2009 im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele wurde ihr Chef Alain Gilbert, der erste gebürtige Amerikaner als Musikalischer Direktor dieses Orchesters, zu einem Konzert mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden eingeladen, das er im Oktober 2015 mit Werken von Kurtág, Schostakowitsch und Tschaikowsky gab. Jetzt kehrte er ans Pult der Staatskapelle für das 3. Symphoniekonzert mit Wolfgang Amadeus Mozart und Richard Strauss (10., 11., 12.11.) zurück und begibt sich anschließend gemeinsam mit der Kapelle auf China-Tournee, der zehnten in das Reich der Mitte, nach Shanghai, Hangzhou, Wuhan und Peking (15., 16., 17.,  19.11.).

Für den Solisten in Mozarts „Klavierkonzert A‑Dur“ (KV 488), den jungen, begabten chinesischen Pianisten Yundi wird die Reise ein „Heimspiel“ sein, aber er erfreut sich auch in Europa und Amerika großer Beliebtheit. Schon früh hat er sich einen Namen mit Werken von Chopin, der ihm die Tür zu den internationalen Konzertsälen öffnete, als er 18jährig als jüngster und erster chinesischer Preisträger den 1. Preis beim 14. Internationalen Chopin-Wettbewerbs in Warschau gewann, und mit Liszt gemacht. Jetzt spielte er aber ebenso überzeugend den Solopart in Mozarts Klavierkonzert. Mit der Sächsischen Staatskapelle hat er bereits 2005 im Rahmen einer Deutschland-Tournee unter der Leitung von Paavo Järvi musiziert.

Überaus bescheiden, jung, schlank und zurückhaltend, betrat er völlig unspektakulär die Bühne im aufgebauten Konzertzimmer, das sich ideal in die Architektur der Semperoper einfügt, setzte sich an den Flügel und spielte – und wie! Ebenfalls unspektakulär, konzentrierte er sich ganz auf Mozarts Musik und ein völlig konformes Zusammenspiel mit dem Orchester. Mit „perlendem“, ausdrucksvollem Anschlag, klassischer Klarheit und völlig schnörkellosem Duktus entstand unter seinen Händen in wie selbstverständlich fließendem Spiel Mozarts musikalische Welt. Er stellte sich ganz in den Dienst der Musik. Jeder Ton hatte „Gewicht“ und welcher Klang! Sein abgerundetes klassisches Spiel wirkte weniger sensationell, es war Musik für Mozart-Liebhaber, die sich, nicht abgelenkt von Äußerlichkeiten, wie in stiller Zwiesprache mit dem Meister seinen Intentionen und Gedanken nachspüren konnten. Hier überließ Gilbert weitgehend dem Solisten das Feld.

Bei der „Sinfonia domestica“ (op. 53) von Richard Strauss ließ er vor allem die vehementen Seiten des Familienlebens der Familie Strauss aufflammen. In starkem Kontrast mit den feinen solistischen Passagen der – Thielemann gewohnten – Kapell-Musiker entstand so ein plastisches Bild von den Höhen und Tiefen des Familienlebens der Familie Strauss samt Alltag. „Ich sehe nicht ein, warum ich keine Symphonie auf mich selbst machen soll. Ich finde mich ebenso interessant wie Napoleon oder Alexander der Große“ meinte Strauss, und schilderte seine häuslichen Gewohnheiten und Begebenheit en detail. Dem kam die „detailverliebte Probenarbeit“ Gilberts sehr zugute.

Er ließ den Feinheiten, die die Besonderheit der Sächsischen Staatskapelle als „Strauss-Orchester“ ausmachen, freien Raum. Die Kapellmitglieder dankten es mit sehr feinen solistischen Passagen von Violine, Bratsche, feinem solistischem Cello und insbesondere sehr dezent solistisch hervortretenden, super klaren, klangschönen Bläsern, oft äußerst feinsinnig vom Orchester begleitet.

Dem standen andererseits gewaltige (Gefühls-)Ausbrüche gegenüber – Meinungsverschiedenheiten der Eheleute, ein „bisl Zank und Streit“, Turbulenzen und heftige Auseinandersetzungen, von Gilbert besonders herausgearbeitet. Da ging es zuweilen ziemlich lautstark zur Sache.

Das angegebene Programm soll nicht unbedingt Programm sein, aber man vermeint doch zuweilen einzelne Situationen herauszuhören. Gilbert hatte seine Interpretation des Strauss’schen Familienlebens groß und kontrastreich angelegt, animierte immer wieder das Orchester im Wechsel von Temperamentsausbrüchen und sanften Gefühlen, Versöhnung und Harmonie, eine fortwährende Diskrepanz zwischen harmonischen Passagen und hartem Klang, aber immer mit schöner Klarheit bis zum voluminösen Ende, ein grandioser Kraftakt für Orchester und Dirigent. Die Pauke fügte sich angemessen in das Gesamtkonzept ein und „haute“ dann am Ende, wo es angebracht war, gewaltig „auf die Pauke“.

Vielleicht ging es bei Familie Straus tatsächlich so turbulent zwischen vehementen Ausbrüchen und Versöhnung in Harmonie zu.

Ingrid Gerk

 

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