Dresden / Semperoper: „AIDA“ IN NEUER BESETZUNG – 3.7.2022
Die stimmige Neuinszenierung der „Aida“ von Katharina Thalheim die – was heutzutage sehr selten geworden ist – optisch sehr wirkungsvoll, mit stimmigen Bühnenbildern und passenden, ästhetisch und historisch orientierten, individuellen Kostümen (nichts aus dem Kaufhaus) von Ezio Toffolutti und raffinierter Beleuchtung mit geschickter Licht-und-Schatten-Wirkung (Fabio Antoci) tatsächlich die ursprüngliche Handlung erzählt, ohne etwas hineinzuinterpretieren, was nicht drin ist, sehr aufwändig, aber wirkungsvoll erzählt und sich auf die von Haus aus sehr spannungsreiche Handlung konzentriert, wird vom Publikum immer wieder begeistert angenommen. Selbst bei großer Sommerhitze war das Haus voll, obwohl es nach der grandiosen Premiere (5.3.2022) inzwischen einige Neubesetzungen gab.
Christian Thielemann leitete die Sächsische Staatskapelle Dresden nur in drei Vorstellungen, aber mit welcher Intensität und Einfühlungsvermögen (!) und setzte damit sehr hohe Maßstäbe. Jetzt hat Omer Meir Wellber die musikalische Leitung übernommen. Im Gegensatz zu der, bis ins Detail transparenten Interpretation Thielemanns, bei der nicht nur alle musikalischen Feinheiten ausgelotet und die Gesangs-Szenen emotional ergreifend unterstrichen wurden, beschränkte sich Wellber nur auf starke Kontraste zwischen extrem leisem, kaum hörbarem Pianissimo am Beginn und lautstarken Klangballungen, bis gegen Ende nur noch Lautstärke vorherrschte und die einzelnen Stimmgruppen im Orchester kaum noch zu erkennen waren.
Die Sängerinnen und Sänger mussten viel Kraft aufbieten, um sich stimmlich zu behaupten. Zum Glück hatte die Thalbach mit ihrem „Bühnenbild-Klangraum“ mit Holz-Täfelung für gute Akustik gesorgt und den Stimmen die Möglichkeit gegeben, sich gegenüber dem Orchester durchzusetzen, um „die Kraft und Zartheit von Verdis Komposition“ wenigstens im Gesangsteil noch erlebbar werden zu lassen.
Für den erkrankten Alexandros Stavrakakis hatte Andreas Bauer Kanabas, der auch schon bei der Premiere einen schwachen, wenig Macht ausstrahlenden König der Ägypter gab, die Rolle übernommen. Seinem „Gegner“ Amonasro, König der Ägypter, verlieh hingegen Ambrosio Maestri für die Rollengestaltung gut eingesetzte Stimmkraft und Power. Wenn man auch unterschwellig bei seiner äußerlichen Erscheinung geneigt war, an seine Paraderolle, den Falstaff, zu denken, überzeugte doch sein intonationssicherer, ausdrucksstarker Bariton.
Da Vitalij Kowaljow als Oberpriester Ramfis mehr als indisponiert war, hatte Georg Zeppenfeld, der die Partie auch zur Premiere gesungen hatte, jetzt aber sehr kurzfristig von einer Probe aus Bayreuth hergeeilt war, (nur) den Gesangspart übernommen, beeindruckte aber mit wohlklingender Stimme und seinen Gesangsqualitäten so sehr, dass ihm am Schluss begeisterter Beifall entgegenbrandete.
Als Radamès gab Jorge de Léon sein Hausdebüt. Wenn auch gesanglich noch nicht ganz ausgeglichen, wirkte er doch durch seine jugendliche Erscheinung glaubhaft als junger Heerführer und von zwei Frauen leidenschaftlich geliebter junger Mann:
Nicht nur Titelheldin, sondern wirklich zentrale Gestalt in Gesang und Darstellung war Maria José Siri als sehr glaubhafte Aida. Jung, hübsch, sich als Sklavin, wie es die Rolle verlangt, demütig zurückhaltend, aber voller Gefühl und innerer Leidenschaft verkörperte sie mit fein nuanciertem Gesang, gefühlvollen lyrische Passagen und leidenschaftlichen Gefühlsausbrüchen eine liebende junge Frau, die am Schluss zu Recht ebenfalls sehr viel Beifall und Bravos erhielt.
Ihre Gegenspielerin und Rivalin Amneris wurde von Anna Smirnova, äußerlich in ihrem Kostüm nicht sonderlich vorteilhaft, mit scharfer, schriller Stimme, obwohl sie doch auch ehrliche Gefühle für Radamès hegt und um sein Leben bangt, dargestellt. Intonationstrübungen taten ein Übriges, um sie nicht als wirkliche Konkurrenz für Aida erscheinen zu lassen.
Mit angenehmer, geschmeidiger Stimme beschwor die junge russische Sopranistin Ofeliya Pogosyan vom Jungen Ensemble als reine, unschuldige Oberpriesterin, hier als „Tempelsängerin“ bezeichnet, die Göttin Isis, und Simeon Esper erschien als sehr unterwürfiger Bote.
Balletttänzerinnen und -tänzer zeigten anspruchsvolle, perfekt ausgeführte religiöse Tänze bei der feierlichen Zeremonie zur Überreichung des Schwertes an den neu gewählten Heerführer Radamès und kurze, eindrucksvolle Passagen, um die gekränkte und enttäuschte Amneris aufzuheitern, die immer wieder brüsk abbrach – ein sehr wirkungsvoller Effekt (Choreografie: Christopher Tölle).
Sächsischer Staatsopernchor (Einstudierung: André Kellinghaus), Sinfoniechor Dresden und Extrachor der Semperoper unterstützten die Szenen, kraftvoll und bei den leisen Hintergrund-Auftritten eindrucksvoll, aber auch (möglicherweise, vom Dirigat irritiert, an entscheidender Stelle (leider sehr auffällig) uneinheitlich.
Die Aufführung hinterließ einen eher zwiespältigen Eindruck. Man spürte einmal mehr, wie wichtig eine gute Orchesterleitung – selbst bei einem Spitzenorchester – ist.
Ingrid Gerk