Dresden / Semperoper: 9. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN –„PALMSONNTAGSKONZERT“ – 14.4.2025
Copyright: Oliver Killig
Seit der einstige Dresdner Hofkapellmeister Francesco Morlacchi 1827 die Palmsonntagskonzerte zur Unterstützung der Witwen und Waisen verstorbener Kapellmusiker ins Leben rief, gehören sie alljährlich zum festen Bestandteil der Symphoniekonzerte im Konzertkalender der Sächsischen Staatskappelle. Sein Nachfolger im Amt, Richard Wagner, führte1849 in einem dieser Konzerte Beethovens „Neunte“ auf. In diesem Jahr wählte Chefdirigent Daniele Gatti im Rahmen seines Mahler-Zyklus die „Sinfonie Nr. 2 c-Moll“, die „Auferstehung“ von Gustav Mahler, eines der tiefgründigsten Werke der Spätromantik.
Von Gattis Interpretation der Werke Mahlers geht eine besondere Faszination aus, so intensiv setzt er sich damit auseinander. Die „Vierte“ unter seiner Leitung im 7. Symphoniekonzert (4.3.2025) ist noch in allerbester Erinnerung. Er versteht Mahlers Gedankenwelt und versteht es, sie so zu gestalten, dass er die Zuhörer mit hinein nimmt in diese Welt. Jetzt setzte er mit der „Auferstehungs-Sinfonie“ ein Zeichen in der Auseinandersetzung mit Leben, Tod und Erlösung. Bereits die ersten Takte führten in der gedämpften Stimmung eines Trauermarsches in Mahlers emotionale Auseinandersetzung mit der Welt voller Weltschmerz und Enttäuschung, in dem eine äußerst feinsinnig musizierte zarte, in lichte Sphären aufsteigende Kantilene, die aber immer wieder kraftvoll verdrängt wurde, und Volkslied-Melodien als aufkeimende Hoffnungsschimmer anklangen.
Neben seiner intensiven Auseinandersetzung mit den Werken Mahlers und seiner herausragenden Interpretation hat Gatti ein feines Gespür für den Klang und die Besonderheiten der Staatskapelle, mit dem er auch den 2. und 3. Satz als „Diskrepanz“ zum 1. Satz mit eher heiteren Anklängen, einem fröhlichen Ländler und dahinhuschenden Triolenfiguren, einem sehr klangvollen schwärmerischen Gesang der Celli und einem sehnsuchtsvollen Gesang der Geigen, die an fröhliche Episoden im Leben des Verstorbenen erinnern, gestaltete. Die Musiker konnten hier ihre besonderen Fähigkeiten für besonders feine klangliche Passagen entfalten, bis die Welt wieder als sinnloses Treiben erschien und ein „Aufschrei der Verzweiflung“ (Mahler), mit einem plötzlichen Umschwung und Zerflattern der Motive ins „grauenhafte“ Leben zurückführt.
Trotz seines ambivalenten Verhältnisses zu musikalischen Programmen verfasste Mahler für die Dresdner Erstaufführung 1901 ein detailliertes Programm, das er später wieder zurückzog, für das tiefere Verstehen seiner grundlegenden philosophischen Fragen jedoch sehr hilfreich sein kann. Darin heißtes: „Wir stehen am Sarg eines geliebten Menschen. Sein Leben zieht noch einmal an unserem geistigen Auge vorüber. Und nun greift eine ernste Stimme an unser Herz: was ist dieses Leben und dieser Tod? Gibt es für uns eine Fortdauer? Ist dies alles nur ein wüster Traum?“.
Die Antwort gab der Schlusssatz. Während in „Urlicht“ das Orchester immer leiser wurde, erklang die weiche, samtene und doch sehr deutliche Altstimme mit dem wunderbaren Klang von Christa Mayer, tiefe Ruhe ausstrahlend und sich später mit der Stimme der sehr zuverlässig singenden, jungen spanischen Sopranistin Rosalia Cid verbindend. Neben ihren glanzvollen Opernpartien ist Christa Mayer prädestiniert für die großen Oratorien.
Die Apokalyptischen Visionen im Finale und schließlich der Ausblick auf Erlösung mit dem sich entwickelnden Auferstehungsthema und immer wieder die elementaren Kräfte, die den Menschen zu überwältigen drohen, nahmen vehement, mit Blech und Schlagzeug und entsprechender Lautstärke Gestalt an. Die Fanfaren erklangen wie aus dem Jenseits hinter dem, auf dem Höhepunkt der Angst mit der Erlösungsbotschaft einsetzenden, stimmgewaltigen Sächsischen Staatsopernchor.
Es war eine, sehr beeindruckende, überwältigende, dem jetzigen Zeitgeschmack entsprechende, Aufführung mit großem Orchester und Chor in monumentaler Größe und höchster Transparenz, bei der kein Detail im äußerst sauber musizierten Gesamtgefüge unbeachtet blieb, und der Widerstreit zwischen lastendem irdischem Leben und Hoffnung auf Erlösung in starken Kontrasten stattfand, bis durch Orgel und Glocken verstärkt, das Orchester in euphorischem Vollklang erstrahlte.
Das Publikum dankte mit spontanen Standing Ovation.
Ingrid Gerk