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DRESDEN/ Semperoper: 9. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE/ Daniel Harding (Mahlers „Fünfte“)

25.04.2021 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper: „9. SYMPHONIEKONZERT“ DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT MAHLERS „FÜNFTER“ UNTER DANIEL HARDING  – 23.4.2021

Wieder ein Lichtblick bei der Sächsischen Staatskapelle Dresden: Nach dem 7. Symphoniekonzert wurde nun auch das 9. Symphoniekonzert mit Daniel Harding am Dirigentenpult, in der Semperoper mitgeschnitten (17.4.2021) und im Rundfunk (23.4.- MDR Kultur und MDR Klassik) gesendet (das 8. Symphoniekonzert wurde übergangen). Man ist glücklich über jedes Konzert der Sächsischen Staatskapelle – auch als Rundfunkmitschnitt – und freut sich darüber, dass die Verbindung zwischen Orchester und Publikum erhalten bleibt.

Harding stand schon oft am Pult der Sächsischen Staatskapelle. Sein Debüt gab er 2002 mit Werken von Strauss und Sibelius. In diesem Konzert leitete er nun zum vierten Mal in Folge die Aufführung einer Symphonie von Gustav Mahler und setzte mit der “Fünften“ die Reihe fort, in der er u. a. die „Vierte“ und im vergangenen Jahr die „Zehnte“ im Gedenkkonzert geleitet hatte.

Mahler meinte, es wäre besser, seine Symphonie 50 Jahre später aufzuführen, da sie erst Generationen nach ihm verstanden würde. Dass so manche gute Komposition zu Lebzeiten eines Komponisten bei Publikum und Presse durchfiel, mag neben den Hörgewohnheiten nicht selten auch an einer weniger guten Wiedergabe gelegen haben. Anders als Mahlers erste vier Symphonien, wurde die „Symphonie Nr. 5 cis‑Moll“ (die Tonart bezieht sich hier nur auf den ersten Satz) mit ihrer raueren Klangwelt und mitunter befremdlichen Ausreizung des tonalen Raumes am Anfang einer neuen Schaffensphase damals von Publikum und Musikkritik nicht angenommen, weil nicht verstanden. Jetzt zählt sie zu seinen beliebtesten und weltweit am häufigsten aufgeführten, Symphonien, nicht zuletzt wegen des, als Liebeserklärung an seine Frau Alma gedeuteten, „Adagiettos“, das seine Popularität auch Viscontis Film „Tod in Venedig“(1971) verdankt.

Zweifellos versteht man jetzt die “Fünfte“ besser (obwohl sich da auch hier die Geister der Musikfreunde scheiden). Gegenwärtig gibt es sehr gute Aufführungen, die das Publikum mitreißen, unter die Haut gehen. Die unter Harding war eine davon. Sie kann als exemplarisch gelten. Die Musikerinnen und Musiker der Staatskapelle, die durch den derzeit fehlenden Opernbetrieb zwar nicht glücklich sind, aber „ausgeruht“ wirkten, schienen sich regelrecht in diese Aufgabe „zu stürzen“. Sie stellten ihr ganzes Können, ihre Hingabe und musikalisches Verständnis in den Dienst dieser Aufführung und ließen sie zu einem außergewöhnlichen Musikererlebnis werden.

Bereits mit den ersten Tönen der sehr sauber, in klagendem Ton geführten Trompetenfanfare des langen, angemessen in militärischer Strenge schreitenden, mit großer Ernsthaftigkeit musizierten, „Trauermarsches“, der an den Beginn des Generalmarsches der österreichisch-ungarischen Armee erinnert, die zum maßgeblichen Motiv des ersten Satzes wird und später immer wieder verändert aufflammt, bis sie, umgeben vom Orchesterklang resignierend in die Tiefe sinkt, war zu spüren, dass hier eine außergewöhnliche Aufführung bevorstand, bei der Spannung, technische Akkuratesse und Engagement auf beiden Seiten bis zum Schluss erhalten blieben.

Die fünf Sätze wurden in ihrer großen charakteristischen Vielfalt und einer Flut an Ideen und Gedanken, in innigen melodischen Wendungen und vitaler Abwechslung von einer selten schönen Klarheit getragen, bei der jede Passage, jedes Detail, jedes solistisch hervorgehobene Instrument, jedes an Klang und Klarheit nicht zu übertreffende Bläsersolo, eingebettet in den Orchesterklang zur Geltung kam. Jede lyrische oder dramatische Passage hatte ihren Platz im Gesamtgefüge.

Nicht wie jetzt allgemein üblich, in schroffen Kontrasten, sondern in folgerichtigen, logischenen, gut nachvollziehbaren Übergängen vom starken Fortissimo (fff) bis zum dreifachen Piano (ppp) der für Mahler typischen Wendungen wechselten feinste lyrische, hingebungsvoll musizierte, Passagen, volkstümliche Melodien im Ländler- und Walzerrhythmus, wehmütige, klagende und gesangliche Themen bei Streichern und Holzbläsern, feierlich überhöhte Choralanspielungen, optimistische, fast sieghafte Passagen, zuweilen unbeschwerte Töne, das Bild einer traumhaft heilen Welt (3. Satz) und vieles andere mehr mit plötzlich, in großer Vehemenz, zuweilen chaotisch hereinbrechenden, auch unterbrechenden, dunklen, düsteren und zerrissenen Motiven, stürmisch bewegten und bedrohlichen Stimmungen, großer Unruhe und klagenden Tönen bis zum Zusammenbruch des turbulenten Geschehens in großer Hektik und Unruhe und schließlich grenzenlosem Jubel, der alles in mitreißendem Taumel beendet.

Nach ca. 70 Minuten konzentrierter Aufführung der in allem gelungenen, mitreißenden und mehr als überzeugenden Aufführung voller Höhepunkte und einer überwältigenden Fülle an Schönheiten, kurz einer idealen Wiedergabe der Sinfonie, klopften die Musiker nach alter Sitte begeistert für den Maestro auf ihre Pulte, die Zuhörer konnten es ihnen nur zu Hause auf der Sessellehne gleichtun oder ihren Applaus im Wohnzimmer verhallen lassen.

 Ingrid Gerk

 

 

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