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DRESDEN/ Semperoper: 8. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – OHNE HERBERT BLOMSTEDT

26.03.2025 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper: 8. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – OHNE HERBERT BLOMSTEDT – 25.3.2025

Dem 8. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden sah man mit Erwartung, aber auch Spannung entgegen. Ehrendirigent Herbert Blomstedt verspricht stets ein besonderes Konzerterlebnis. Bei seinem gesegneten Alter ist es immer wieder bewundernswert, wie er seine Dirigate meistert und gestaltet. Nun musste er leider wegen einer Ohrenentzündung kurzfristig absagen. Die dreimalige Aufführung (23., 24., 25.3.) übernahm der junge vielversprechende amerikanische Dirigent Joshua Weilerstein, der mit verändertem Programm, einer „Partita“ von Gideon Klein, dem „4. Klavierkonzert“ von Ludwig van Beethoven und der „9. Sinfonie“ von Antonín Dvořák, sein Debut am Pult der Staatskapelle gab. 

Zu Beginn erklang ein 1944 im Ghetto Theresienstadt, 60 km nördlich von Prag, von Gideon Klein, einem tschechischen Komponisten der Moderne, der ein Jahr später im Konzentrationslager Fürstengrube umkam, komponiertes Streichtrio im Arrangement von Vojtech Saudek, der es 1990 als „Partita für Streichorchester“ arrangierte. Ursprünglich atonal orientiert, verarbeitet Klein hierin als Ausdruck des Widerstandes mährische Volkslieder, im 1. Satz zwei Volkslieder in Verbindung mit Elementen, ähnlich der späteren Minimal Music, im 2. Satz Variationen über ein Volkslied und im 3. Satz ein Volkslied mit komplizierten Rhythmen und humorvoller Stimmung. Sehr lebhaft, flirrend, durchgängig motorisch und in raschem Tempo zog die Suite vorüber, auch mit sanften, elegischen und traurigen Momenten, aber immer von innerer Unrast getrieben.

Zum glanzvollen Höhepunkt des Konzertabends wurde das „Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur“ von Ludwig van Beethoven in der äußerst sensiblen, feinsinnigen, persönlich nachempfundenen Wiedergabe des Soloparts durch den international renommierten polnisch-amerikanischen Pianisten Emanuel Ax, der sich das Konzert sehr angelegen sein ließ. Mit Gefühl und Verstand vertiefte er sich in Beethovens Intentionen und gestaltete das seinerzeit eine neue Ära in der Gattung der Solo-Konzerte einläutende Klavierkonzert mit seinem sensiblen und doch so ausdrucksstarken Dialog zwischen Klavier und Orchester. 

Mit feinem, differenzierendem Anschlag, bei dem er jeden Ton mit raffinierter Technik entsprechend seiner Funktion mit Wohlklang formte, perlenden Trillern seiner geläufigen Finger und großen musikalischen Bögen beschwor er Beethovens Geist und Persönlichkeit herauf und ließ das Konzert aus seiner Entstehungszeit heraus nachempfinden. Äußerlich mit überlegener Ruhe, aber verinnerlichter Dynamik, fern aller Routine spürte Altmeister Emanuel Ax mit seinen Erfahrungen in jugendlicher Frische und Vitalität Beethovens Gefühls- und Gedankenwelt nach, was in den beiden mit äußerster, aber nicht vordergründiger Virtuosität gespielten Originalkadenzen einen exzellenten Höhepunkt fand – ein intensives musikalisches Erlebnis der besonderen Art. Sehr sanft und ausdrucksvoll, aber auch mit virtuosen „Hexenkünsten“ und Effekten im Dienst des Werkes gestaltete er den Solopart sehr abwechslungsreich, auch humorvoll, ernst und heiter und mit dem richtigen Gespür, nicht unbedingt sensationell, aber ungeheuer beeindruckend, mit viel Kondition bis zum Schluss noch allen Details und Feinheiten große Aufmerksamkeit widmend. 

Ax und das Orchester mit seiner edlen Tongebung und „singenden“ Violinen und Holzbläsern musizierten „auf gleicher Wellenklänge“ und bildeten eine geistig-musikalische Einheit. Nur den Schluss behielt sich Weilerstein mit entsprechender Vehemenz und Lautstärke vor.

Für den begeisterten Applaus gab es noch eine Zugabe, die Ax mit der gleichen Liebe und Kompetenz spielte, die „Arabeske“ von Robert Schumann

Minimale Diskrepanzen innerhalb des Orchesters dürften aus den Abweichungen zwischen der Zeichengebung des Dirigenten und der gewohnten Musizierweise des von der Kapelle oft gespielten Klavierkonzertes resultieren, was den positiven Gesamteindruck des Klavierkonzertes – wie auch des nachfolgenden Werkes kaum schmälern konnte.

Mit riesigem Orchester für Dvořáks „Sinfonie Nr. 9 e-Moll“ „Aus der Neuen Welt“, eine der populärsten Sinfonien des 20. Jahrhunderts, trug der Amerikaner Weilerstein dem Geschmack des amerikanischen Publikums Rechnung, womit leider auch eine für die Semperoper leicht überdimensionierte Lautstärke verbunden war. Weniger ist oft mehr, aber dem Publikum hat‘s gefallen. Dvořák hat seine innovative „Neunte“, in die erstmals Elemente afroamerikanischer Spirituals und indigene Melodien einflossen und die einen nachhaltigen Einfluss auf die amerikanische Musiktradition hatte, in und für Amerika geschrieben und hätte wahrscheinlich nichts gegen eine solche Lesart gehabt, aber die berührendsten Momente entstanden durch seine Sehnsucht nach der böhmischen Heimat, die bei dieser sehr klaren Interpretation bereits von Beginn an das Werk durchzog. 

Im Gegensatz zur amerikanischen Mentalität, die Weilerstein sehr plastisch, wuchtig und temperamentvoll mit hartem Klang ausleben ließ, machen doch auch die hier fein zelebrierten lyrischen Passagen und klanglichen Feinheiten die Großartigkeit dieser Sinfonie aus. Die letzten Töne formte Weilerstein lang aus, wie um die Sehnsucht in lang gezogenen Tönen „in Äonen untergehen“ zu lassen, bis euphorischer Beifall losbrach.

Ingrid Gerk

 

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