Dresden/Semperoper: „8. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE, DAS TRADITIONELLE „PALMSONNTAGSKONZERT“ – LEIDER OHNE HERBERT BLOMSTEDT – 25.3.2024
Man hatte sich sehr auf ein Wiedersehen und vor allem Wiederhören mit Herbert Blomstedt, dem Ehrendirigenten der Sächsischen Staatskapelle Dresden gefreut, ist er doch den Dresdnern nicht nur seit seiner zehnjährigen Tätigkeit als ehemaliger Chefdirigent des Orchesters (1975-1985) vertraut, sondern auch durch seine alljährlichen Gastdirigate ans Herz gewachsen. Mit seinen 96 Jahren ist er immer noch sehr aktiv. Seine physische Kondition ist bewundernswert, aber leider muss er jetzt doch hin in wieder ein Konzert absagen, leider auch das 8. Symphoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle, das traditionelle Palmsonntagskonzert.
Das Programm allein schon zog mit der Symphonie Nr. 2 (D 125) von Franz Schubert und dem „Lobgesang“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy das Publikum magisch an. Unter Blomstedts Leitung hatte man sich viel versprochen. Nun konnte er aus gesundheitlichen Gründen doch nicht am Pult stehen (bzw. sitzen), was ihm so viel bedeutet, ja für ihn „lebensnotwendig“ ist.
Für ihn war Manfred Honeck eingesprungen, der der Staatskapelle und dem Publikum ebenfalls bekannt und vertraut ist. Anstelle Schuberts „Zweiter “ wurde nun die „Symphonie Nr. 1 C‑Dur“ (op. 21) von Ludwig van Beethoven ins Programm aufgenommen, die noch sehr an Mozart und Haydn orientiert ist, aber auch schon die persönliche Handschrift Beethovens verrät. Er beschreitet darin bereits neue Wege mit motivisch-thematischer Arbeit und neuen harmonischen instrumentalen Kombinationen.
Honeck begann mit der Kapelle sehr akzentuiert, betonte aber auch eine gewisse Leichtigkeit im Sinne Mozarts. Die Symphonie gelang sehr transparent, weniger anspruchsvoll, aber sehr gefällig. Bläser und Streicher musizierten mit Hingabe, orientierten auf technisch einwandfreie Ausführung und Schönklang und musizierten schöne Details aus.
Hauptwerk des Abends war, wie auch ursprünglich vorgesehen, die „Symphonie-Kantate für Soli, Chor, Orchester und Orgel“ (op. 52), der „Lobgesang“, ein Auftragswerk, das Felix Mendelssohn Bartholdy für die mit großem Aufwand 1840 begangenen Feierlichkeiten anlässlich des 400. Jahrestages der Erfindung des Buchdrucks schrieb und vom sächsischen König als Anerkennung dafür den Ehrentitel „Königlich Sächsischer Kapellmeister“ erhielt.
Honeck wählte ein sehr zügiges Tempo, das dem Werk nicht entgegenkam, und eine kompakte Interpretationsweise, die offenbar die Ausführenden etwas irritierte und vieles nicht „ausschwingen“ ließ. Dennoch spielte das Orchester transparent, so dass das oft variierte, immer wiederkehrende Thema stets deutlich hervortrat. Dem ungewohnt raschen Tempo geschuldet, erklang das Bläsersolo eher vorsichtig, aber feiner Streicherklang faszinierte zuweilen im zartesten Pianissimo. Nach der dreimaligen Frage: „Hüter ist die Nacht bald hin?“ legte Honeck als besonderen Effekt eine Generalpause ein und erhöhte damit die Spannung auf die erlösende Antwort: „Die Nacht ist vergangen“. Die Menschheit ist durch die Erfindung des Buchdrucks aus der Unwissenheit ans Licht geführt worden.
Der „Lobgesang“ wurde in Dresden schon öfter aufgeführt, darunter auch mit dem Sächsischen Staatsopernchor Dresden, der schon Maßstäbe gesetzt hat. In der Einstudierung von André Kellinghaus war er auch hier das sichere und klangschöne Fundament der Aufführung, wenn er auch mitunter gezwungen war, zu forcieren und die Stimmen dadurch an Strahlkraft verloren.
Für die Solisten sah Mendelssohn nur hohe Stimmen vor, wie es dem damaligen Zeitgeschmack entsprach. Die umfangreiche Sopranpartie lag in den Händen bzw. der Kehle von Christina Landshamer, die hier mit leicht gutturaler Stimme, leichten Intonationstrübungen und etwas auffälligem Vibrato die Partie bewältigte. Wesentlich seltener hatte Simona Šaturová Gelegenheit, ihre dunkler gefärbte, angenehme Stimme als zweiter Sopran hören lassen. Im Duett harmonierten die beiden Stimmen sehr gut. Die Tenorpartie hatte Tilman Lichdi, erfahren in diesem Fach, übernommen und gestaltete sie mit der richtigen Oratorien-Diktion, teils sachlich erzählend, teils dramatisch.
Orientiert an Bachs Passionen schrieb Mendelssohn „himmlische Musik“, die hier jedoch sehr irdisch (auch mit kleinen Unzulänglichkeiten) erschien.
Ingrid Gerk