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DRESDEN/ Semperoper: 7. SYMPHONIEKONZERT – GEDENKKONZERT AN DIE ZERSTÖRUNG DRESDENS am 13./14.2. 1945

14.02.2015 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper: „7. SYMPHONIEKONZERT“ DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – GEDENKKONZERT AN DIE ZERSTÖRUNG DRESDENS – 13.2.2015

 Seit Rudolf Kempe 1951 das erste Konzert zur Erinnerung an die Zerstörung Dresdens (13./14.2.1945) dirigierte, wird alljährlich vor allem auch mit den Mitteln der Kunst dieses erschütternden Ereignisses gedacht. Neben Dresdner Philharmonie, Frauenkirche Dresden, Staatlichen Kunstsammlungen u. a. ist es vor allem die Sächsische Staatskapelle Dresden, die alljährlich am 13. und 14. Februar, dem Tag, an dem das historische Stadtzentrum Dresdens gegen Ende des 2. Weltkrieges in Schutt und Asche sank, unwiederbringliche Kunstschätze vernichtet wurden und unsagbares Leid über die Bevölkerung hereinbrach, die Erinnerung daran wach hält.

Meist wurden für dieses Gendenkkonzert Requien gewählt, die unmittelbar ein erschütterndes, aber auch tröstendes Erinnern vermitteln. Die Sächsische Staatskapelle (wie auch die Dresdner Philharmonie) hält trotz einiger Bestrebungen, „die Toten ruhen zu lassen“, weiterhin an dieser Tradition fest, die auch Christian Thielemann sehr am Herzen liegt.

In diesem Jahr überließ er (wegen der Reise der Kapelle in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Fernost) die Leitung dem Ersten Gastdirigenten, Myung-Whun Chung, der sich für das relativ selten aufgeführte „Stabat Mater“ von Gioachino Rossini entschied, das in den Kapell-Konzerten am Dresdner Gedenktag erstmals erklang.

Rossini fand nach dem Ende seiner glanzvollen, in ganz Europa bejubelten Karriere als Meister der Opera buffa bei gelegentlichen Kompositionen wieder zu den Wurzeln seiner Jugend, der kleineren Form, der Kammermusik und der Kirchenmusik zurück. Obwohl dieses Werk in seinem persönlichen Schatten als Opernkomponist steht, steht es den Kirchenkompositionen seiner Zeitgenossen nicht nach. Mit dem „Stabat Mater“ gelang ihm ein „großer Wurf“. Dank der sehr guten Aufführung teilten sich klangliche Schönheit, tröstliche Erschütterung und – für deutsche Hörgewohnheiten in diesem Rahmen schwerer verständlich – Heiterkeit und Lebensfreude im Erlösungsgedanke mit.

Das Solistenquartett war hochkarätig besetzt. Nicht vordergründig, aber mit der für solche Kompositionen naturgemäß erforderlichen Dominanz der Sopranstimme übernahm Barbara Frittoli die unauffällige und doch präsente Führung. Selbst in sehr dramatischen Situationen kannte ihre ansprechende, klangvolle Stimme keine Härten.

Rinat Shaham nahm auf ihre Art mit dem dramatischen Timbre und der Wärme ihres tiefgründigen Vollblut-Mezzosoprans gefangen, den sie für die Schilderungen einer sensiblen Seele in übermenschlichem Leiden einsetzte.

Sehr klar, transparent und gewissenhaft sang Yosep Kang, der u. a. im Adventskonzert des ZDF in der Dresdner Frauenkirche (29.11.2014) mit der Kapelle auftrat, den Tenorpart. Er zelebrierte jedes Wort, jeden Ton extrem klar.

 Der auch in Dresden immer wieder gern gesehene Dresdner, René Pape, beeindruckte durch seine ausgeglichene, warme und sehr ausdrucksstarke Stimme und atemberaubende, selten schöne Pianissimi. Selbst auf die räumliche Distanz waren er und der Sächsische Staatsopernchor Dresden in völliger Übereinstimmung.

 Der Chor überraschte bereits mit der ersten Einstudierung seines neuen Chordirektors Jörn Hinnerk Andresen, bisher Chordirektor und Kapellmeister am Münchner Gärtnerplatz-Theater, Chordirektor bei den Salzburger Festspielen, Zusammenarbeit mit dem Wiener Staatsopernchor u. a., der sich mit den Chorproben, der für den Konzertbesucher unsichtbaren Arbeit in der „zweiten Reihe“, die ihm sehr am Herzen liegt, begnügt, aber durch seine gute „Vor-Arbeit“ dennoch unüberhörbar präsent war. Der Chor zog bei seinen Einsätzen unweigerlich die Aufmerksamkeit auf sich. Mit einer besonders gut ausbalancierten und differenzierten Abstimmung der einzelnen Stimmgruppen und der „Auferstehung“ des einst berühmten, spezifischen (schon fast verloren geglaubten) Chorklanges, wurde der Chor zu einem sehr guten gestalterischen „Gegenpol“ und die ideale Ergänzung des Solistenquartetts, zu einer tragenden, wesentlich mitgestaltenden Säule der Aufführung. Man vermisste lediglich die früher einmal sehr gute Textverständlichkeit, aber das dürfte auch noch zu schaffen sein. Selbst in den dramatischen Teilen waren Chor und Orchester ideal konform und vermittelten oft einen „heiligen Schauer“.

 Die Sächsische Staatskapelle spielte die Teile der Leidensschilderung atemberaubend (mit angemessener Pauke). Dass manch heiter erscheinende Passage dem deutschen Konzertbesucher etwas befremdlich vorkam, mag an der italienischen Mentalität liegen, bei der der Ausdruck der Erlösung mit Lebensfreude gleichgesetzt wird. Die „ernsteren“ Teile des „Stabat Mater“ ließ Myun-Whun Chung regelrecht zelebrieren, bezog mitunter stimmungsvolle Pausen als gestalterisches Element zur Erhöhung der Ausdruckskraft mit ein und ließ die Aufführung zum Gedenken an die Zerstörung Dresdens vor 70 Jahren, leise verhallend, denkwürdig ausklingen.

 Ingrid Gerk

 

 

 

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