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DRESDEN/ Semperoper: 7. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE MIT MYUNG-WHUN CHUNG UND SEONG-JIN CHO

27.02.2023 | Konzert/Liederabende

Dresden/Semperoper:  7. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE MIT MYUNG-WHUN CHUNG UND SEONG-JIN CHO – 24., 25. und 26.2.2023

Vor ihrer Tournee nach Südkorea anlässlich des 70. Geburtstags von Myung-Whun Chung führte die Sächsische Staatskapelle Dresden mit ihm am Pult in ihrem 7. Symphoniekonzert zwei sehr publikumswirksame Werke aus dem Tourneeprogramm auf, die „Symphonie Nr. 3 F‑Dur“ (op. 90) von Johannes Brahms und das „Klavierkonzert Nr. 1 b‑Moll“ (op. 23) von Pjotr I. Tschaikowsky mit dem Pianisten Seong-Jin Cho. Beide Musiker stammen aus Südkorea und kehren nun – weltweit bekannt und geschätzt – mit der Sächsischen Staatskapelle auf einer, sechs Konzerte umfassenden, Gastspielreise (2. – 8.3.2023) in ihre Heimat (Seoul und Incheon) zurück, wobei dann auch die anderen drei Sinfonien von Johannes Brahms, die „Sinfonie Nr. 7 h‑Moll“ (D 759) von Franz Schubert und die „Freischütz-Ouvertüre“ von Carl Maria auf dem Programm stehen.

Myung-Whun Chung und Seon-Jin Cho verbindet eine enge Zusammenarbeit. Cho zählt nicht nur zu den Weltstars der Klassik, in Südkorea insbesondere bei der jüngeren Generation, sondern hat dort auch den Status eines „Popstars“. Da kann man sich vorstellen, mit welcher Begeisterung die beiden in ihrer Heimat empfangen werden.

Die Programmfolge des Dresdner Konzertes war ungewöhnlich, zwei große, bedeutungsvolle Werke in unkonventioneller Reihenfolge. Wie hätte man sie auch bringen sollten? Gleich zu Beginn das effektvoll-virtuose, sehr populäre Klavierkonzert, das für viele der sehnsuchtsvoll erwartete Glanzpunkt ist, und danach die Symphonie oder umgekehrt ? Vielleicht wäre – ganz konventionell – zu Beginn ein kurzes Stück, dann das Solokonzert und danach die Symphonie die Lösung gewesen, aber man entschied sich dafür, zuerst die Symphonie aufzuführen, die den Höhepunkt gleich als Erstes brachte und alles weitere zwangsläufig in ihren Schatten stellen würde. Da es sich aber um zwei großartige Werke handelt, die beide größte Aufmerksamkeit verdienen, musste man nach der Brahms-Symphonie nur rasch „umdenken“, schließlich war da auch die dazwischenliegende Konzertpause hilfreich.

Beide Werke haben trotz unterschiedlichen Charakters auch einige Gemeinsamkeiten. Sie entstanden im Abstand von nur acht Jahren und erfreuen sich größter Beliebtheit, Brahms 3. Symphonie wurde sofort bei ihrer Uraufführung 1883 vom Wiener Publikum enthusiastisch aufgenommen und gegen eine Gruppe von Wagner- und Bruckner-Anhängern, die im Rahmen des sogenannten „Musikstreits“ zwischen Vertretern der Neudeutschen Schule und der Wiener Klassik zu stören versuchten, verteidigt, so dass Brahms einen seiner größten Triumphe erlebte. Für Tschaikowsky begann sein erstes Klavierkonzert im Vorfeld zwar mit einer bitteren Enttäuschung, als es Rachmaninow entrüstet als „unspielbar“ zurückwies, seit seiner Urauffühung 1875 in Boston gehört es aber zu den meist aufgeführten Werken der großen Orchester.

 

Myung-Whun Chung, der seit 2001 mehrfach in den Symphoniekonzerten am Pult der Staatskapelle und im Orchestergraben stand („Don Carlo“) und das Orchester auch auf Tourneen durch Europa, die USA und nach Asien leitete, erhielt als erster und einziger Gastdirigent ab der Spielzeit 2012/2013 den Titel „Erster Gastdirigent“, ein Novum in der langen Geschichte der Kapelle und ein Zeichen für die enge Beziehung zwischen Myung-Whun Chung und dem Orchester.

 

Chung kennt das Orchester, und das Orchester kennt ihn, so dass eine interne Verständigung auch ohne große Gesten seitens des Dirigenten besteht. Die Kapelle hat die „Dritte“ von Brahms schon oft aufgeführt und kennt sie mit all ihren Besonderheiten und besonders schönen Passagen. So hielt sich Myung-Whun Chung zurück und beschränkte sich auf sparsame, sehr ästhetische Zeichengebung, mitunter sogar nur Andeutungen.

 

Die sehr gut abgestimmten Bläser eröffneten die Sinfonie mit dem „Vorhang-Motiv“, dem das ganze Orchester mit dem Hauptmotiv forte folgte, In schöner Transparenz war danach der ständige Wechsel zwischen beiden Motiven zu verfolgen, fielen die stimmführenden Instrumente, Oboe(n), Flöte(n), Streicher und Horn durch ihre feinsinnige und sehr einfühlsame Tongebung auf. Die sich zu gewaltiger Höhe und Kraft aufbauenden Phrasen wurden hier nicht – wie so oft — ins Extreme gesteigert, sondern entsprechend dem heiteren Charakter der Symphonie ausgeführt. Chung und die Kapelle legten Wert auf besondere Klarheit, bei der alle Stimmen, alle Feinheiten bis ins Detail zu verfolgen waren, und ließen den ersten Satz in sanfter Schönheit ausklingen.

 

Der zweite Satz mit seinem ruhig-getragenen Charakter, den echoartigen Effekten der Streicher und Bläser, dem choralartigen Thema und der düsteren Chromatik sowie der langsame, lyrische dritte Satz mit seiner Heiterkeit, ein „Tanzsatz“, „ein Lied ohne Worte“, sind im Verhältnis zum ersten und vierten Satz kürzer, eine Besonderheit der Symphonie, die durch die Schönheit der beiden Sätze, die in der feinsinnigen Ausführung voll zur Geltung kam, ausgeglichen wird.

 

Der heiter gelösten Stimmung folgte der etwas düster gefärbt beginnende vierte Satz mit dramatischen Forte-Passagen. Hier setzten die führenden Instrumente, Horn, Oboe und Fagott Glanzpunkte. Vor allem das Horn wurde zu Recht am Ende des seltsam rätselhaft, sanft und leise, in wunderbarer Schönheit ausklingenden Satzes vom Publikum begeistert gefeiert. Doch zuvor sorgte Chung für lautlos ausklingende Stille vor dem begeisterten Applaus, bei dem er sich, um seine Verbundenheit mit dem Orchester auszudrücken, als „Primus inter pares“ (Erster unter Gleichen) auch einmal demonstrativ zwischen die Orchestermusiker setzte.

Es war eine sehr ansprechende Wiedergabe in wunderbarer Transparenz, bei der alle Feinheiten der Partitur und das Können der Musiker, insbesondere der führenden Instrumente, wirksam zur Geltung kamen und der Eindruck Clara Schumanns bestätigt wurde: „Welch ein Werk, welche Poesie, die harmonischste Stimmung durch das Ganze, alle Sätze wie aus einem Gusse“.

Nach der Konzertpause setzte sich der junge, in Berlin lebende, Ausnahmepianist Seong-Jin Cho (*1994 in Seoul) unspektakulär, ohne große Gesten an den Konzertflügel. Er legt keinen Wert auf Publicity und spektakuläre Gesten. Er will nur Konzerte spielen und interessiert sich nicht für irgendwelche Äußerlichkeiten. Seine Welt ist die klassische Musik. Seit er 2015 in Warschau als erster Koreaner den Chopin-Wettbewerb, einen der ältesten und angesehensten Wettbewerbe der Welt, gewann (vorher belegte er jeweils den 3. Platz beim 14. Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau und beim Arthur-Rubinstein International Piano Master Competition in Tel Aviv), nahm seine Karriere einen rasanten Aufstieg, ist er als Pianist in aller Welt gefragt und arbeitet mit den angesehensten Orchestern und Dirigenten zusammen.

Er setzte auch hier seine künstlerische Persönlichkeit für Tschaikowskys berühmtes Klavierkonzert ein, das Rubinstein mit maßloser Kritik und Verachtung für „unrettbar hielt und zu einer gründlichen Umarbeitung riet (vielleicht auch aus Konkurrenzgründen?), was Tschaikowsky glücklicherweise nicht tat, denn es hat seinen Siegeszug um die Welt angetreten und erfreut sich als wohl populärstes Klavierkonzert größter Beliebtheit, ganz gleich in welcher Interpretation.

Mit jugendlichem Elan und gebändigter Energie, ohne vordergründiges Virtuosentum und große Gesten, aber mit frappierender Technik und Treffsicherheit meisterte Cho den ersten Satz. Im Gegensatz dazu widmete er sich dem zweiten, den die Streicher mit feinstem Pianissimo begannen und in das die Holzbläser in gleicher Feinheit einstimmten, mit Feingefühl und musikalischem Einfühlungsvermögen, bis er sich im dritten Satz wieder zu gedämpfter Virtuosität aufschwang. Seine weniger sensationelle, als vielmehr musikalisch orientierte Wiedergabe, bei der vor allem auch die Genialität und Schönheit dieses Klavierkonzertes zur Geltung kamen, ließen sein Talent und seine intuitive Musikalität erkennen, die sich im Verlauf seiner Pianistenkarriere noch weiter entfalten wird.

Für den begeisterten Applaus bedankte er sich beim ersten Konzert (24.3.) mit einer völlig andersartigen Zugabe. Fernab aller Virtuosität ließ er „elfenhaft“ die Finger über die Tasten gleiten und zauberte eine hauchzarte, romantische Klangwelt mit einer Komposition der Barockzeit, dem „Adagio“ aus der „Suite F‑Dur (HWV 427) von Georg Friedrich Händel, die vom Publikum mit größter Begeisterung aufgenommen wurde und einen Einblick in seine große Vielseitigkeit gewährte.

 Ingrid Gerk

 

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