Dresden/Semperoper: „7. SYMPHONIEKONZERT“ DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT JAKUB HRŮŠA UND AUGUSTIN HADELICH – 4.3.2024
Das Programm des 7. Symphoniekonzertes der Sächsischen Staatskapelle Dresden bewegte sich zwischen Romantik und Moderne und begann mit einem Paukenschlag. Augustin Hadelich, einer der großen Geiger unserer Zeit, dessen Repertoire weite Teile der Violinliteratur umfasst, stellte mit dem „Violinkonzert Nr. 2“ (Sz 12) von Béla Bartók, einem der bedeutendsten Solowerke des 20. Jahrhunderts, einmal mehr seinen Ausnahme-Status unter Beweis. Dass er auch dieses anspruchsvolle Werk auswendig und souverän meisterte, verwundert bei ihm nicht.
Seine überragende Technik lässt selbst Experten staunen. Seine hinreißende Tongebung auf einer Violine von Giuseppe Guarneri del Gesù von 1744, der „Leduc, ex Szeryng“, schmeichelt dem Ohr und prägt sich in die Seele ein. Seine tief empfundene Interpretation überzeugt in jeder Phase. Da gibt es keine „Längen“, selbst bei weniger schmeichelhaften Werken nicht. Bei seiner intensiven Gestaltung hat jeder Ton, jede Phrase ihre Bedeutung im Gesamtgefüge des Werkes. Unter der Leitung von Jakub Hrůša, der zum wiederholten Mal ein Konzert der Sächsischen Staatskapelle leitete, gestaltete das Orchester entsprechend mit.
Nach dieser grandiosen, aber auch kräftezehrenden Wiedergabe des Bartókschen Violinkonzertes wurde Hadelich vom begeisterten Publikum erst nach einer Zugabe entlassen. Er überraschte solo mit einem heiteren Tango „Por una cabeza“ des legendären Tangosängers und Komponisten Carlos Gardel (1890-1935), der in Uruguay lebte und wirkte und mitten im Leben auf dem Höhepunkt seiner Karriere bei einem Flugzeugunglück tragisch ums Leben kam. Seit 2010 trägt der Asteroid 6380 seinen Namen.
In eine ganz andere Welt, die der Romantik, führte Hrůša mit dem „Nocturne für Streichorchester H‑Dur“ (op. 40) von Antonín Dvořák, ein kurzes Stück(„lein“) mit komplizierter Entstehungsgeschichte. Er hatte das richtige Gespür für die Besonderheit dieses Frühwerkes seines Landsmanns, das als „Rest“ (Mittelteil) eines (später von Dvořák vernichteten) Streichquartetts nach zahlreichen Um- und Überarbeitungen in der jetzigen einsätzigen Form mit vier ineinander übergehenden Sätzen (Vielsätzigkeit in der Einsätzigkeit) entstand.
Mit Armbewegungen in großen Bögen formte Hrůša die musikalischen Bögen, die die Musiker in schwebende, fast sphärisch anmutende Töne umsetzten – ein „Waldweben“, von der Musik Richard Wagners inspiriert, die Dvořák in seiner Jugend sehr bewunderte, aber nicht imitierte. Sanft, im verhaltenen Pianissimo und immer noch leiser und leiser werdend, ließ Hrůša das Stück beginnen und auch weiterhin den leichten, schwebenden Charakter bewahren, bis im bewegteren Schlussteil Melodie und Rhythmus Kontur annahmen.
Im starken Kontrast dazu begann die „Symphonie Nr. 3“, die „Symphonie liturgique“, von Arthur Honegger, einem Schweizer Komponisten, der vorwiegend in Frankreich lebte, lautstark und schrill. Die 1945/46 unter dem Eindruck des II. Weltkrieges, den der Komponist im besetzten Paris hautnah erlebte, entstandene und am 1.8.1946 in Zürich uraufgeführte, programmatische Symphonie erklang erst zum zweiten Mal in einem Programm der Sächsischen Staatskapelle. Honegger verarbeitet darin die traumatisierenden Kriegsereignisse durch Sequenzen der katholischen Messe als Parallelen und lässt im 1. Satz mit der Bezeichnung „Dies irae“ („Tag des Zorns“) eine Klang gewordene Vision des „Jüngsten Gerichts“ erstehen, zu der sich die schrillen, lauten, harten, ja „fürchterlichen“ Klänge der Instrumente verdichten, verstärkt durch Große und Kleine Trommel, Becken, und Tamtam.
Im zweiten Satz „De profundis clamavi“ („Aus der Tiefe rief ich“) konnten die Musiker dann ihre klanglichen und ausdrucksstarken Qualitäten in einer ungewöhnlichen Instrumentierung und neuen Klängen entfalten. Der dritte Satz „Dona nobis pasem“ („ Gib uns Frieden“), der am Ende in ein Adagio übergeht und das Ende des Krieges und die Hoffnung auf eine bessere Welt symbolisiert, dominierte die Klangschönheit, einschließlich eines innigen Solos der Piccoloflöte.
Vor allem die Bläser, Flöten, Oboen, Englischhorn, Klarinetten, Bassklarinette, Fagotte, Kontrafagott, Hörner, Trompeten, Tuba und Posaunen, leisteten Großartiges. Die ersten Violinen blieben hingegen zurückhaltend.
Ingrid Gerk