Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

DRESDEN/Semperoper. 6. KAMMERABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN IM RAHMEN DER RICHARD-STRAUSS-TAGE

14.04.2023 | Konzert/Liederabende

Dresden/Semperoper:  6. KAMMERABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN IM RAHMEN DER RICHARD-STRAUSS-TAGE – 13.4.2023

Mit seinem gut gewählten Programm, umriss der 6. Kammerabend der Sächsischen Staatskapelle die an Klassik orientierte Seite im kompositorischen Schaffen von Richard Strauss und ergänzte damit die Richard-Strauss-Tage an der Semperoper auf schöne Weise.

Die, 1882 in Dresden uraufgeführte Serenade “ (op. 7) für 13 Blasinstrumente von Richard Strauss, eine seiner ersten Kompositionen, die er als 17jähriger schrieb, und die „Metamorphosen“, eine seiner letzten Kompositionen, die bei diesem Kammerabend in einer Rekonstruktion der Urfassung erklang, sind an der Klassik orientiert und umschließen seinen künstlerischen Werdegang in Richtung Moderne, der in „Salome“ und „Elektra“ gipfelte.

Bei seiner „Es‑Dur-Serenade“, seinem ersten reinen Bläserstück und der ersten Komposition, mit der er erstmals außerhalb seiner Heimatstadt München in die Öffentlichkeit trat, war ein Meilenstein in seinem Schaffen und ein Wendepunkt in seiner Karriere. Strauss ließ sich dabei noch unüberhörbar von Mozart und Mendelssohn bis hin zu Brahms inspirieren, was bei der transparenten und klanglich gut abgestimmten Wiedergabe durch 13 versierte Musiker der Sächsischen Staatskapelle mit zwei klangschönen Flöten, zwei ebenso klangschönen Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotten, Kontrafagott und vier sehr sauberen Hörnern deutlich hervortrat, und doch war das einsätzige Stück schon sehr von Strauss’ kompositorischer Persönlichkeit geprägt.

Wie in der Partitur vorgeschrieben, wurde das Frühwerk bis zum, als Kuriosität vom Kontrabass verstärkten, Schlussakkord im Grundtempo „Andante“ gespielt – 10 Minuten heiter-beschwingte, unbeschwerte Serenaden-Atmosphäre, bei der bereits Strauss’ Können bei der Ausformung des melodischen Materials und der Ausnutzung von klanglichen und technischen Möglichkeiten der eingesetzten Blasinstrumente deutlich hervortrat.

Als sinnvolle Ergänzung dazu war das „Streichquintett Nr. 6 Es‑Dur“ (KV 614) von Wolfgang Amadeus Mozart zu hören. Zart und leise, mit ungewohnt dunklem Klangcharakter begannen die fünf Musiker den ersten Satz, etwas ernster, als gewohnt. Der langsame zweite Satz folgte heiter und getragen, mit Leichtigkeit und Zartheit, bis sich im dritten Satz echt Mozartsche Frische und Heiterkeit ausbreitete.

Das Publikum applaudierte begeistert (oder aus Unkenntnis) nach jedem Satz – und am Ende des Kammerabends euphorisch. Die Musiker nahmen es mit freundlichem Verständnis. Wenn man so will, kann man es auch als Begeisterung eines unvorbereiteten Publikums sehen, das – so wird jetzt oft argumentiert – ins Opernhaus gelockt werden soll – und es kam. Die Semperoper war voll besetzt bis in den obersten Rang, was bei Kammerabenden in der Vergangenheit kaum vorstellbar gewesen wäre, jetzt aber sehr oft vorkommt.

Die Kammerabende der Staatskapelle geben nicht nur den Musikern Gelegenheit, sich auch kammermusikalisch zu betätigen und ihre solistischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, sie bringen oft in ihren Programmen etwas Besonderes, Kuriositäten, selten Gehörtes, Interessantes für Kenner und Liebhaber und Entdeckungen. Hier kam überraschend die Urfassung der „Metamorphosen“, Strauss’ „Schwanengesang“ zur Aufführung, den er am Ende des Zweiten Weltkrieges schrieb, als Europa in Trümmern lag und alle Opernhäuser, darunter München und Dresden, wo er mit seinen Opern Triumphe gefeiert hatte, zerstört waren.

Zunächst als „Andante“ für Streichseptett in Garmisch geschrieben und später für 23 Streicher bearbeitet, wurde die Urfassung von im nicht mehr erwähnt, so dass sie bisher nicht einmal Experten bekannt war. Erst 1990 wurde sie in der Schweiz gefunden und nun in der Rekonstruktion der Urfassung für Streichseptett von Rudi Leopold von Mitgliedern der Staatskapelle, sehr getragen, gut untereinander abgestimmt, vorgetragen, so dass die ganze Erschütterung und Ratlosigkeit und doch Schönheit in Trauer sehr unmittelbar und bewegend zum Ausdruck kam.

Hier schloss sich der Kreis, den Strauss mit seinen ersten Kompositionen, bei denen er sich noch an Klassik und Romantik orientierte, begonnen hatte und den er in seinen letzten Lebensjahren mit seinen späten Instrumentalwerken beschloss. Die Rückwendung zum klassischen Erbe war für ihn ein Bekenntnis. Melodien „verfolgten“ ihn zeitlebens (außer beim Skatspiel; da musste er sich anders konzentrieren), aber als Komponist seiner Zeit fühlte er sich einem moderneren Kompositionsstil verpflichtet – vielleicht sogar ein Faustischer Zwiespalt, der jedoch zu genialen Kompositionen führte.

Dieser Kammerabend war neben den Aufführungen der großen Opern und Tondichtungen im Rahmen der Richard-Strauss-Tage eine eindrucksvolle Beleuchtung eines besonderen Aspektes im Schaffen von Richard Strauss aus der Blickrichtung der Kammermusik.

Ingrid Gerk

 

Diese Seite drucken