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DRESDEN/Semperoper: 5.  SYMPHONIEKONZERT“ DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT DAVID AFKHAM UND FRANK PETER ZIMMERMANN

09.01.2024 | Konzert/Liederabende

Dresden/Semperoper:  5.  SYMPHONIEKONZERT“ DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT DAVID AFKHAM UND FRANK PETER ZIMMERMANN – 8.1.2024

Gleich zwei überraschende Entdeckungen brachte das 5. Symphoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden, das sehr selten zu hörende „Violinkonzert h‑Moll“ (op. 61) von Edward Elgar und die noch seltener zu hörende „Symphonie Nr. 4 C‑Dur von Franz Schmidt, die anstelle der „Symphonie Nr.‑4“ von Jean Sibelius auf dem Programm stand. Das kurzfristige Einspringen von David Afkham für Daniel Harding, der aus persönlichen Gründen absagen musste, machte die Programmänderung erforderlich.

Edward Elgar ist durch seinen berühmten „Pomp and Circumstance, der „inoffiziellen britischen Nationalhymne“, „The Dream of Gerontius“ und seine „Enigma-Variationen“, mit denen er seinen Durchbruch erlebte und die sechs Jahre nach ihrer Uraufführung in Dresden und auch in jüngster Zeit bei einem Symphoniekonzert aufgeführt wurden, bekannt, aber wer kennt schon sein „Violinkonzert“, das sich1905 der damals berühmte Violinvirtuose Fritz Kreisler von ihm erbeten hatte, aber erst 1910 bekam und dann euphorisch als „größtes Violinkonzert seit Beethoven“ bezeichnete.

Afkham, der bereits mehrere Konzerte mit der Kapelle geleitet hat, zuletzt 2022 das 4. Symphoniekonzert der Saison, und danach das Orchester auf einer Tournee begleitete, gestalte die beiden Werke mit den Musikern der Kapelle auf gleicher „Wellenlänge“, was bereits am Beginn von Elgars Violinkonzert spürbar war.

Frank Peter Zimmermann war ein Glücksfall für dieses Konzert. Er kennt nahezu das gesamte Konzertrepertoire für Violine von Bach bis Ligeti und seine Vielseitigkeit kam auch diesem sehr gegensätzlichen Violinkonzert sehr entgegen. Er vertiefte sich in das Werk, erfasste die Spezifik und meisterte alle Anforderungen souverän und mit natürlicher Selbstverständlichkeit.

Der sehr emotionale Beginn des ersten Satzes wurde energiegeladen vom Orchester gespielt, dann setzte Zimmermann sehr einfühlsam und mit geschmeidigem, einschmeichelndem Ton ein. Er musizierte mit dem Orchester und ließ die Violinstimme in einer Mischung aus virtuoser Brillanz mit allen Regeln der virtuoser Geigenkunst und effektvollen Solokonfigurationen und einschmeichelnder Lyrik organisch aus dem Orchesterklang „herauswachsen“. Der vehemente Schluss am Ende dieses Satzes verleitete sogar einige Konzertbesucher zu voreiligem Applaus.

Im lyrischen Mittelsatz entfaltete er seine ausdrucksstarke Gestaltungskraft zwischen musikalischer Schlichtheit und elegischen Passagen bis zum spannungsgeladenen Höhepunkt. Im bewegten Finalsatz konnte er wieder seine solistische Bravour in weit gespannten Bögen im Zusammenwirken mit den stark akzentuierten Einwürfen des Orchesters präsentieren, aber nie vordergründig, sondern stets mit der ihm eigenen Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit. Die von ihm meisterhaft gespielte Solokadenz, die den Höhepunkt dieses Violinkonzertes bildet, bestach durch höchster Virtuosität und wie sein gesamtes Violinspiel durch berührende Ausdrucks- und Gestaltungskraft und feinste Tongebung.

Der österreichische Komponist Franz Schmidt, der vor allem durch seine Oper „Notre Dame“ bzw. das „Zwischenspiel“ daraus bekannt ist, rückt jetzt auch mit den übrigen Kompositionen seines nicht allzu umfangreichen Schaffens wieder etwas mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit, insbesondere seine 1932/1933 entstandene „Vierte“, seine gelungenste Symphonie, die er als „Requiem“ für seine allzu früh verstorbene Tochter bezeichnete. Drei Jahre nach der Uraufführung leitete Schmidt selbst die Dresdner Premiere des Werks mit der Sächsischen Staatskapelle – es war sein letzter Auftritt als Dirigent.

Afkham zeichnete den großangelegten Spannungsbogen, den Schmidt zwischen zwei charakteristische Trometensoli am Beginn und am Ende über vier vielschichtige, ineinander übergehende Sätze spannt, nach. Das sauber und klangschön geblasene Trompetensolo a capella, in das das Orchester zunächst sanft einstimmte, führte in dynamischer Steigerung zu einem Widerstreit der Emotionen im Wechsel zwischen wirren, fast chaotischen, Ausweg suchenden, lauten und harten Abschnitten mit Pauke und Schlagzeug und feinsinnigen, romantischen Klängen mit gefühlvollen Streicher-Passagen, feinstem Cello-Solo, sanft begleitet von den zweiten Violinen – die ersten Violinen mussten vorübergehend schweigen – zu einem Höhepunkt, der sich in tröstenden Klängen auflöst  mit einem wohlklingenden Horn-Solo, in das nacheinander die drei anderen Hörner einstimmen, und dem großartigen, mit Vehemenz und emotional aufwühlend gespielten Trompetensolo am Schluss,

Es gab viel Interessantes, ungewöhnlich effektvolle, mitunter hinreißende Passagen. Afkham sorgte trotz aller Opulenz des Werkes für Transparenz und inhaltliches Verständnis, gab den Musikern der solistischen Instrumente Gelegenheit, die klangvollen Passagen perfekt und liebevoll auszumusizieren und voll zur Geltung zu bringen, und baute auf der spezifischen Leistungsfähigkeit der Kapelle auf, um die Symphonie großartig zu gestalten. In dieser Interpretation war das Kennenlernen dieser Symphonie unbedingt ein Gewinn.

 Ingrid Gerk

 

 

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