Dresden/Semperoper: „4. SYMPHONIEKONZERT“ DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN UNTER PHILIPPE HERREWEGHE – 17.12.2024
Copyright: Jörg Simanovski
Das 4. Symphoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden unter Altmeister Philippe Herreweghe war ganz der Wiener Klassik gewidmet mit Kompositionen, die Joseph Haydn und Wolfgang AmadeusMozart innerhalb von etwa 20 Jahren komponierten. Zwischen zwei Sinfonien, die bei beiden zeitgleich im Jahr 1786 entstanden, erklang Haydns 1. Cellokonzert, entstanden zwischen 1761 und 1765.
Haydns „Sinfonie Nr. 86 in D-Dur“ (Hob. I:86) aus der Reihe der sechs „Pariser Sinfonien“ als Auftragskompositionen für die Pariser Le Concert de la Loge Olympiade, ist eine Sinfonie voller musikalischer Überraschungen, mit Haydns wohltuendem Humor und freundlicher Gefälligkeit, schönen Klangwirkungen und genialer Instrumentierung, tänzerischen Elementen und mitunter volkstümlich anmutender Melodik, die damals wie heute das Publikum beeindruckt. Sie begann mit lieblichen Klängen im 1. Satz, und wurde mit liebenswürdigem Temperament und schöner Transparenz schwungvoll und akzentuiert, mit klangvoller solistischer Flöte im 1. Satz, schöner Steigerung im 2. Satz und mit Verve im 3. Satz aufgeführt. Obwohl Haydn schon vor mehr als 250 Jahren seine Zuhörer damit begeisterte, hat diese Sinfonie nichts an Frische und einschmeichelnder Klangschönheit verloren und wirkt auch heute noch unmittelbar begeisternd und berührend.
Danach folgte noch einmal Haydn, sein mit Spannung erwartetes „1. Violoncellokonzert C-Dur“ (Hob. VIIb:1), bei dem der 28jährige Friedrich Thiele, der zu großen Hoffnungen berechtigt und bereits die Stelle des 1. Konzertmeisters Violoncello bei der Staatskapelle begleitet, sein Können unter Beweis stellte.
Haydn hat in seinem relativ langen Leben sehr viel komponiert, aber alles ist originell und hat seinen individuellen Charakter. Ihm wurden einst auch neun Cellokonzerte zugeschrieben, von denen jedoch nur zwei als zweifellos authentisch überliefert sind, das bekannte „Cellokonzert Nr. 2 D-Dur (Hob. VIIb:2) aus der Zeit der reifen „Wiener Klassik“, das neben seiner Beliebtheit im Konzertsaal wegen seiner technischen Schwierigkeiten auch als Prüfstein bei Musikwettbewerben gilt, und das lange verschollene und erst 1961 in Prag wiederentdeckte und 1962 beim Prager Frühling wieder „uraufgeführte“ dreisätzige „1. Cellokonzert C-Dur“ (Hob. VIIb:1).
Haydn schrieb es für einen Freund, den damals ersten Cellisten der Hofkapelle des Fürsten Esterházy. Obwohl es in der Zeit der Wiener Klassik entstand, weist es mit einem prägnanten Wechsel von Solo- und Tutti-Blöcken wie bei den einstigen Concerti und mit ausgeschriebenem Generalbass noch stark ausgeprägte Elemente des Spätbarock auf. Es ist weniger umfangreich (Spieldauer: 25 min.) und stellt weniger technische Anforderungen an den Solisten als das 2. Cellokonzert, und die Orchester-Besetzung ist verhältnismäßig klein, entsprechend den Möglichkeiten der damaligen Hofkapelle, aber es ist ein sehr ansprechendes Solokonzert.
Thiele schenkte diesem Cellokonzert viel Aufmerksamkeit, einschließlich aller Details, und begann mit fröhlichem Enthusiasmus und feinem schlankem, singendem Ton, arbeitete viele Besonderheiten heraus und spielte den 2. Satz („Adagio“) mit schöner Kantabilität und den dritten („Allegro molto“) musikantisch und schwungvoll. Technische Schwierigkeiten kennt er nicht. Er musizierte mit sichtlicher Freude, leicht und locker, virtuos und souverän, verblüffte mit sehr lockerem Triller und stellte sich mühelos der Herausforderung der relativ hohen Lage weiter Teile des Soloparts.
Mit seiner Vitalität und seinem nicht vordergründigen und dennoch tragenden Solospiel inspirierte er auch das zuverlässig spielende Orchester und hatte noch genügend Zeit für die jetzt international üblichen kleinen „Show-Einlagen“, die in Dresden allerdings nicht nötig, sind. Da gibt es noch ein Publikum, das sich ganz auf die Musik konzentriert. Es würdigte seine technischen und ausdrucksmäßigen Leistungen mit viel Applaus, wofür er sich mit einer Zugabe bedankte, mit der er sich in J. S. Bachs Reich der technisch anspruchsvollen Sonaten und Suiten für Violoncello solo begab.
Zu den Gipfelwerken der Wiener Klassik gehört Mozarts „Sinfonie Nr. 38 D-Dur“ (KV 504), die „Prager Sinfonie“. Sie ist überraschend innovativ und weist mit ihrem dramatisch-opernhaften Duktus zahlreiche Parallelen zu seiner Oper „Don Giovanni“ auf, das heißt, sie nimmt den „Don Giovanni“ vorweg, denn die Oper entstand erst danach. Die sehr transparente Wiedergabe ließ die dämonisch-geheimnisvolle Atmosphäre erstehen. Hier war die Sächsische Staatskapelle in ihrem Element. Die Musiker spielten mit Hingabe und Können, lieblich und mit Rasanz und vor allem mit frischem melodischem Klang und äußerster Akkuratesse. Obwohl Mozart bei dieser Sinfonie auf den sonst üblichen Tanzsatz (Menuett) verzichtete, wurden im vieldeutigen 2. Satz die tänzerischen Elemente deutlich. Ein liebliches Flötensolo ergänzte das ausgewogene Klangbild, für das die zuverlässige Bläser und klangvolle Streicher sorgten.
Ingrid Gerk