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DRESDEN/ Semperoper: 4. AUFFÜHRUNGSABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE

09.07.2016 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper:  4. AUFFÜHRUNGSABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN –  8. 7. 2016

Mit einem sommerlich „leichten“ Programm, zwei „Publikumslieblingen“ und drei kleineren, unbekannten Stücken eines hier kaum bekannten Komponisten beschloss die Sächsische Staatskapelle Dresden in ihrem 4. und letzten Aufführungsabend ihre Konzertsaison 2015/16.

Am Pult stand der junge US-amerikanische Dirigent Cristian Măcelaru, der jetzt, nachdem er 2014 den Solti Conducting Award gewann, am Anfang einer internationalen Karriere steht, die ihren Ausgangspunkt in einem Einspringer-Dirigat für Pierre Boulez beim Chicago Symphony Orchestra hatte. Mit dem Philadelphia Orchestra verbindet ihn eine enge Zusammenarbeit, und nach seinem Debüt in der Houston Grand Opera mit „Madame Butterfly“ macht er sich zunehmend einen Namen als Operndirigent und etabliert sich auch in Europa.

Er begann den Aufführungsabend mit „Drei Stücken für Streichorchester“ (op. 4 Nr. 2) des rumänischen Dirigenten und Komponisten Constantin Silvestri (1913-1969), der, ein Wanderer zwischen den Welten in Europa und darüber hinaus, seine Ausbildung und wichtige Engagements in Rumänien hatte, 1959 zunächst nach Paris emigrierte, beim Chicago Symphony Orchestra gastierte, beim Philadelphia Orchestra verpflichtet und 1961 Chefdirigent des Bournemouth Symphony Orchestra wurde. Er komponierte über 40 Werke für Stimme, Kammerensemble und Orchester, wobei er – im Gegensatz zu anderen rumänischen Komponisten seiner Generation – nur gelegentlich Elemente der Volksmusik aufgriff, die aber im dritten seiner 1931 oder 1933 komponierten, 1950 überarbeiteten, 1951 im Bukarester Athenäum unter seiner Leitung uraufgeführten und jetzt in Dresden zur Aufführung gelangten „3 Stücke“ dominiert.

Unter Măcelarus Leitung „zauberten“ die Mitglieder der Sächsischen Staatskapelle in einer Balance zwischen Tonalität mit heiteren Zitaten nach Arcangelo Corelli und gekonnt an der gewohnten Tonalität vorbeilancierten Passagen im 1. Stück mit seinen drei Abschnitten „Pesante“, „Scherzoso“ und „Sostenuto“ eigenwillige, aber sehr ansprechende Klänge. Im 2. Stück „Cantabile“, das auf einer Doina, einem improvisierten, meist solistisch aufgeführten Klagelied basiert, deren Wurzeln im Mittleren Osten liegen und auch die jüdische Musik beeinflusst haben, folgten Dirigent und Musiker dem leicht getrübten, auch etwas nachdenklich sinnierenden und leicht melancholischen, aber dennoch serenadenhaften Charakter und wurden dem, mit motorischem Rhythmus beginnenden 3. Stück mit seinem extrovertiert kapriziösen Charakter und seiner tänzerischer Stimmung in rustikaler Ausgelassenheit und sehr deutlichen Anklängen an die typische rumänische Folklore in schöner Weise gerecht.

Diese Stücke lagen Măcelaru, der dem Namen nach ähnliche Wurzeln wie Silvestri zu haben scheint, sehr nahe, während er zu Wolfgang Amadeus Mozarts dreisätziger „Sinfonia concertante Es-Dur“ (KV 364) für Violine, Viola und Orchester offenbar noch wenig Zugang hatte. Er nahm diese „Sinfonia“ mit ihrem Melodienreichtum, voller musikalischer Einfälle und sich abwechselnden Kontrasten und sprühender Musikalität etwas zu ernst. Man vermisste die spielerische Leidenschaft, gepaart mit Leichtigkeit.

Dafür waren die Musiker der Kapelle umso mehr in ihrem Element. Sehr zur Freude des Publikums musizierten sie mit viel Spielfreude und Hingabe. Aus ihren Reihen kamen auch die beiden Solisten, die nicht nur die Solokadenzen, die Mozart in den ersten beiden Sätzen ausgeschrieben hat, mit Spielfreude und großem Können ausführten, sondern in einem guten Miteinander aufeinander eingingen und sich gegenseitig ergänzten, und sie erreichten auch ein gleichberechtigtes Konzertieren mit den im gleichen Sinne musizierenden Streichern der Kapelle. Federico Kasik, Stellvertretender Erster Konzertmeister spielte mit innerer Leidenschaft, Gefühl, natürlichem Gespür für Mozarts Musik und sehr schönem Ton auf seiner Violine von Frencesco Gobetti aus dem Jahr 1707. Bei ihm und der Kapelle war alles im musikalischen Fluss. Die kanadische Bratschistin Anya Dambeck ergänzte und setzte seine Solopassagen fort, wobei sie ein bisschen mehr auf äußere Effekte orientierte.

Sehr schöne Bläser, die 2 sehr guten Hörner mit ihren gut abgestimmten Einsätzen und 2 Oboen setzten feine Akzente bei der Wiedergabe der virtuosen „Sinfonia“, bei der Mozart viele neue Einflüsse, die er auf seiner Reise nach Mannheim und Paris kennengelernt hatte, verarbeitete.

Zum Höhepunkt des Abends wurde die „Pulcinella-Suite“ von Igor Strawinsky. Kräftig und mit Schwung begann das „vierfache“, teils heitere, teils wehmütig „ernste“, traumartige Verwirrspiel um den langnasigen Pulcinella, einen „Vetter“ des Harlekin mit allerlei tragikomischen Verwicklungen. Măcelaru konnte sich auch hier voll und ganz auf das Orchester mit seinem Gespür für das Werk verlassen. Er verstand es, die Qualitäten der Kapelle zu nutzen, ein Potential, das auch aus sich heraus wirken kann. Es war eine gelungene, in allen Facetten stimmige Wiedergabe zwischen witzig-spritzig, wehmütig und ausgelassen. Die Musiker hatten den Charakter der Suite mit ihren 8 Sätzen in ihrem sehr gegensätzlichen Charakter perfekt erfasst und gaben ihn mit ihren spezifischen Klangqualtäten entsprechend wieder. Wunderbar war auch das Zusammenwirken von Bläsern und tiefen Streichern (Celli und Bässe mit ihrem „Vorspieler“) und wie die genussreichen Bläser die i‑Tüpfelchen setzten.

Ingrid Gerk

 

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