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DRESDEN /Semperoper: 3. KAMMERABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE MIT BLÄSERMUSIK VON SERIÖS BIS JAZZ

18.01.2015 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper: 3. KAMMERABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE MIT BLÄSERMUSIK VON SERIÖS BIS JAZZ – 18.1.2015

 Ungewohnt und voller Überraschungen präsentierte sich der 3. Kammerabend der Sächsischen Staatskapelle Dresden, der nicht nur von den üblichen Kammerabenden dadurch abwich, dass er als Matinee stattfand. Hier hatten die Bläser der Sächsischen Staatskapelle und einige mitwirkende Gastmusiker in zwei bekannten und beliebten Bläserformationen, Semper Brass Dresden und Philharmonic Brass Dresden ihren großen Auftritt, um in lockerer Art und höchster Qualität das Publikum in einem Grenzen überschreitenden Cross-Over-Programm im besten Sinne quer durch die Musikgeschichte vom 16. – 20. Jh., mit seriösen Originalkompositionen, originellen Bearbeitungen und schließlich Jazz vom Feinsten sehr angenehm und niveauvoll zu unterhalten.

 Im ersten Teil boten, in der 1994 gegründeten, Formation Semper Brass vereinigte Bläser der Sächsischen Staatskapelle mit ihrer weichen, runden und doch kräftigen Tongebung und dennoch immer transparentem Klangbild aus ihrem breit gefächerten Repertoire eine bunte Palette von Kompositionen der Renaissance und Romantik bis zu avantgardistischer zeitgenössischer Musik.

 Unter der künstlerischen Leitung von „Gründungsvater“ Matthias Schmutzler begannen 10 Herren und 1 Dame seriös, mit Ernsthaftigkeit, schönem Ton und der Vielfarbigkeit barocker Klänge mit Giovanni Gabrielis (1557 1612) „Sonata Pian e Forte“ in einer Bearbeitung von Ensemblemitglied Frank van Nooy, der mit seinen Arrangements dem Ensemble einen unverwechselbaren Sound verleiht.

 Danach ging es „bunt gemischt“ weiter mit dem britischen Komponisten Peter Maxwell Davies (* 1934) der in den 1960er bis 80er Jahren zur musikalischen Avantgarde gehörte und seinem „Tecum Principium“ (op. 251) für Flöte und Marimbaphon, einem relativ kurzen, einsätzigen, aber sehr interessanten Stück in ungewöhnlicher Besetzung, gefolgt von dem „gewöhnungsbedürftigen „Residue for tuba an vibraphone“ von Michael S. Horwood (*1947), bei dem die Tuba auf die einfache, simple Volksmusik anspielte und hin und wieder auch feine leise Tönen am Vibraphon erklangen. Eine „eingestreute“ Passage mutete wie fernes Glockengeläut an. Dennoch konnte auch die perfekte Ausführung kaum über den (bewusst?) simplen Charakter der Komposition hinwegtäuschen.

 Köstlich war hingegen der „Zug der Zwerge“ aus den „Lyrischen Stücken“ (op. 54), Nr. 3 von Edvard Grieg, köstlich in dieser Bearbeitung (ebenfalls van Nooy) für 11 Bläser, 2 Pauken und 1 Xylophon und köstlich in der exakten, augenzwinkernden Ausführung.

 Danach wurde es wieder ernst mit der „Musik für 12 Blechbläser und Pauken in 5 Sätzen“ des anwesenden Komponisten Manfred Weiss (*1935) mit Johannes Wulff-Woesten, Komponist, Dirigent, Pianist und Solorepetitor und Studienleiter an der Semperoper, am Dirigentenpult und einem Paukisten, der die 5 Pauken bediente. Die fünf, sehr gegensätzlichen Sätze endeten mit einem kräftigen Paukenschlag – (k)eine Assoziation für das Stück?

 „Kein Programm ohne Änderungen, aber hier eine schöne“, wie Schmutzler ankündigte, und er behielt Recht. Anstelle eines zweiten Peter Maxwell Davies gab es den 2. Satz „1930 Café“ aus „Histoire du Tango“ des argentinischen Tango-Komponisten Astor Piazzolla, eine seiner berühmtesten Kompositionen in der er versucht, die Geschichte und Entwicklung des Tangos in den vier Sätzen „Bordello 1900“, „1930 Café“, „Nachtclub 1960“ und „Concert d’Aujourd’hui“ zu vermitteln. Flöte und Harfe fingen das Flair der eleganten Caféhaus-Atmosphäre in exquisiter, extravaganter Melodik ein.

 Welches Potential neben den bei den großartigen Symphoniekonzerten und Opernaufführungen bewiesenen Qualitäten und Fähigkeiten noch so in den Bläsern und Streichern der Kapelle steckt, zeigte „New Orleans“ von Eugène Bozza in einer Bearbeitung (van Nooy) für Bassposaune solo, Klavier und großes Kammerorchester, bei dem die, auch die extrem tiefen Töne exakt und klangvoll blasende Posaune mit den, für ihre Exaktheit und Klangschönheit bekannten, Dresdner Kapellsolisten und ihrem Leiter Helmut Branny am „Dirigentenpult“ wie in einer anspruchsvollen „Zwiesprache“ korrespondierte. Damit endete der „seriösere“ Teil des Programmes ausgesprochen klang- und niveauvoll.

 Im zweiten Teil ging es heiter zur Sache. Da war Schmutzler, der hervorragende Solotrompeter der Staatskapelle mit der zweiten Formation, Philharmonic Brass, ebenfalls von ihm, aber bereits 1984, gegründet, (auch) ganz in seinem Element und plauderte etwas zwischendurch – sehr kurzweilig.

 Philharmonic Brass eröffnete den 2. Teil mit einem flotten, witzigen Stück, einer Bearbeitung für Bläserquintett von „Traditional Mexican“ – „La Virgin de la Macarena“. Die sonst so ernsthaften Bläser nahmen den Sound einer traditionellen Jazzband an, spielten aber nur noch besser, wobei sich Schmutzler wie ein echter Jazzmusiker zuweilen von seinem Platz erhob und a la Satchmo die Trompete blies und sogar in die Hocke ging, um das Programm heiter aufzulockern. Der stürmische Beifall des Publikums war ihm gewiss.

 Obwohl sich das Repertoire von Philharmonic Brass von Renaissance und Barock über Klassik und Romantik bis zu Musical, Operette, Jazz und Dixieland erstreckt, lag bei diesem Konzert eindeutig der Schwerpunkt auf der heiteren Unterhaltung. Einzige „seriöse“ Beiträge waren ein „Ungarischer Tanz“ von Johannes Brahms und 2 Stücke von Claude Debussy, darunter „Das Mädchen mit den flachsblonden Haaren“, Prélude Nr. 8 anstelle von Joseph Haydns „Gloria“ aus der „Nelson-Messe“ (schade), weil eine Notenmappe verlorengegangen war. Dass ein Musiker deshalb seine Stimme prima vista aus der eines anderen Instrumentes spielen sollte, konnte nicht gut gehen, was denjenigen denn auch ärgerte, aber er machte im weiteren Verlauf des Programmes „alles wieder gut“.

 Es folgten Bearbeitungen für Blechbläserquintett, ein mehr beschauliches“ Stück von Isaac Albeniz – „Tango Argentino“, sehr schön, klangvoll, ausgewogen, liebens- und lobenswert dargeboten, von Leslie Pearson – die flotten „Hiplips II“ mit Rhythmusinstrumenten und der klangvolle „Traditional Hymn – Amazing Grace“ in hervorragender Wiedergabe. Hier war Jazz in Superqualität zu hören.

 Den Abschluss bildete „The Saints‘ Hallelujah“ von Luther Henderson für Blechbläserquintett mit Motiven aus G. F. Händels „Messias“ und dem Gospelsong „When the Saints Go Marching in“ mit Posaune als Soloinstrument und kleinen „Gesangseinlagen“ der Bläser. Die Wiedergabe ließ jede Jazz-Band „erblassen“ – Haleluja!

Das sonst so seriöse Publikum applaudierte euphorisch und wurde mit 2 „echten“ Jazz-Zugaben und 1 „Rausschmeißer“ mit lustigem Schluss-„Schwänzchen“, bei dem das Publikum mitklatschte, belohnt – echte Jazz-Musik, nur viel, viel besser in Wiedergabe und Niveau.

 Ingrid Gerk

 

 

 

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